[heise.de] Die Bundesregierung hat die Teilnahme Deutschlands an der Initiative
BIODEV II als "wichtigen Schritt auf dem Weg zur Inbetriebnahme" des umstrittenen europäischen Visa-Informationssystems
(VIS) 2009 bezeichnet und erste Kostenberechnungen erstellt. "Bisher
lagen keine praktischen Erfahrungen zu den personellen,
organisatorischen und technischen Auswirkungen zum Einsatz von
Biometrie vor, die durch die Erfassung und Verifikation biometrischer
Daten für die konsularischen Vertretungen und Grenzkontrollstellen
entstehen", begründet das federführende Bundesinnenministerium diese
Einschätzung in einer Antwort
(PDF-Datei) auf eine Anfrage der Grünen im Bundestag. Das Pilotprojekt
habe nun die Möglichkeit geboten, einen "hohen Grad an Erkenntnissen"
zu gewinnen, die ihn Hinblick auf die technische Umsetzung des VIS und
eine biometrieunterstützte Grenzkontrolle "von großem Nutzen sein
werden".
Auf deutsch-französische Initiative
hin haben Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Luxemburg,
Österreich, Portugal und Spanien im Oktober 2007 Projekt BIODEV II
(Biometric Data Experimented in Visas) gestartet. Hierzulande sind in
diesem Rahmen laut dem Schreiben an den Flughäfen Berlin-Tegel und
Berlin-Schönefeld insgesamt bis Ende März etwa 800 BIODEV-Visuminhaber
kontrolliert worden. Die Grenzkontrolle habe zusätzlich zu den üblichen
Kontrollschritten eine Verifizierung der Identität anhand eines
Fingerabdrucks umfasst. An den Botschaften in Damaskus und Ulan Bator
seien parallel bis Mitte Mai 2008 Fingerabdrücke von insgesamt etwa
6500 Visumantragstellern erhoben worden. Die Abgabe der sensiblen
biometrischen Merkmale habe auf der schriftlichen Einwilligung der
Antragsteller beruht.
Generell sollen im Rahmen des Versuchs neben den Daten aus einem
VISA-Antrag ein digitales Gesichtsbild sowie alle zehn Fingerabdrücke
des Antragstellers aufgezeichnet werden. Die in den beiden Botschaften
erhobenen Fingerabdruckdaten werden laut Innenministerium im
Automatisierten Fingerabdruckidentifizierungssystem (AFIS) auf einem
speziellen Dateisystem im Bundesverwaltungsamt
(BVA) im herstellerspezifischen Format xdr gespeichert. Eine
Zugriffsmöglichkeit ausländischer Behörden auf den Datenbestand zum
Zwecke der Identifizierung bestehe bei BIODEV II anders als beim
geplanten VIS nicht. Eine Ausweitung des Pilotprojekts sei entgegen
anders lautender Medienberichte nicht vorgesehen. Die biometrischen
Daten würden später anonymisiert und nicht über das VIS recherchierbar
sein. Digitale Fotos würden im nationalen Betrieb nicht erhoben.
Dem BVA kommt bei dem Test ebenso wie künftig bei der
gesamteuropäischen Visa-Datenbank eine maßgebliche Rolle zu. Es
unterstützte die Gesamtkoordinierung, betreibe derzeit das AFIS und ein
Kommunikationsmodell für Deutschland und Belgien und wirke intensiv am
Konzept der europäischen VIS-Ausschreibung sowie an Spezifikationen der
zu protokollierenden Daten für eine spätere Evaluierung mit, hieß es
beim Bundesinneministerium. Von der Wirtschaft seien die belgische
Firmat Zetes gemeinsam mit NEC Deutschland beteiligt gewesen. In die
nationalen Umsetzung seien ferner secunet und sd&m eingeschlossen
gewesen. Die Finanzierung des von der EU-Kommission koordinierten
Projekts sei vor allem mit Mitteln aus Brüssel erfolgt, der deutsche
Finanzierungsbetrag habe bei 70.000 Euro gelegen.
Im Blick auf das VIS betont das Innenressort, dass durch die damit
einhergehende Speicherung und den Abruf von "alphanumerischen und
biometrischen Daten" aller Visumantragsteller im Schengenraum in einer
europäischen zentralen Datenbank ein wertvoller Beitrag zur Bekämpfung
illegaler Migration, des "Visa-Shopping" und nicht zuletzt des
internationalen Terrorismus sowie der organisierten Kriminalität
geleistet werde. Das BVA werde hier unter anderem bestehenden Portale
für das Ausländerzentralregister
um die VIS-relevanten Visa-Daten für den Zugriff auf die zentrale
EU-Datenbank erweitern und eine Anwendung für den Zugang von
Sicherheitsbehörden neu entwickeln. Die Kosten für Hard- und Software
sowie Wartung und Entwicklung zur Umsetzung der VIS-Verordnung schätzt
das Ministerium für die Jahre 2006 bis 2012 auf rund 3,53 Millionen.
Dazu kämen 2009 etwa 140.000 Euro für zusätzliche Mitarbeiter beim BVA.
Der Wissensdurst der Grünen ist mit dem Bescheid nicht gestillt. In einer neuen Anfrage
(PDF-Datei) erkundigen sie sich nach der Vernetzung von Datenbanken
deutscher und europäischer Sicherheitsbehörden wie dem VIS und dem Schengener Informationssystem
(SIS). Dabei interessiert die Abgeordneten vor allem das hiesige
Projekt zum "Reengineering der Plattformen Innere Sicherheit" (RISP)
und inwiefern in dieses neben dem Bundesverwaltungsamt bald auch andere
Behörden einbezogen werden sollten. Von der Regierung erbittet die
Oppositionsfraktion weiter Auskunft, wie sie die Bedenken des europäischen Datenschutzbeauftragten
gegen eine Verwendung biometrischer Daten als eindeutige Kennnummern
und Personenschlüssel bei der Vernetzung der großen europäischen
Datenbanksysteme beurteile. (Stefan Krempl) /
(jk/c’t)
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