[focus.de] Frankreich verstößt bei der Bekämpfung des Terrorismus nach
Einschätzung der Organisation Human Rights Watch (HRW) massiv gegen die
Menschenrechte. Menschen würden aufgrund minimaler Beweisgrundlage
tagelang in Polizeigewahrsam genommen und „mit Schlafentzug,
Desorientierung, psychologischem Druck und zum Teil körperlicher
Gewalt“ zu Aussagen gedrängt, hieß es in einem am Mittwoch
veröffentlichten Bericht. HWR untersuchte die Polizei- und
Geheimdienstpraktiken und die zugrundeliegenden Gesetze.
Der „vorauseilende Ansatz im Kampf gegen den Terror“ habe zu
mangelndem Schutz der Betroffenen geführt und das Land „auf die falsche
Seite der Menschenrechte gebracht“, erklärte die Autorin Judith
Sunderland. Ihr 84-seitiger Bericht stützt sich auf Aussagen von
Menschen, die unter Terrorismusverdacht festgenommen wurden.
Das
Justizministerium sei nicht in der Lage gewesen, die Zahl der
Betroffenen zu benennen, heißt es. Laut einer Europol-Statistik wurden
in den ersten zehn Monaten 2005 130 Personen in Polizeigewahrsam
genommen, nur 30 von ihnen kamen in Untersuchungshaft.
Festnahmen ohne handfeste Hinweise
Als
Kernproblem identifiziert der Bericht den unspezifischen Vorwurf der
„kriminellen Vereinigung im Zusammenhang mit einem terroristischen
Unternehmen“. Dies ermögliche den Fahndern Festnahmen von Angehörigen,
Nachbarn oder bloßen Bekannten von Verdächtigen. „Es ist eine Tradition
in Frankreich, eine große Zahl von Personen in Polizeigewahrsam zu
nehmen, obwohl es sehr geringe Hinweise auf eine Verstrickung in
Terrorpläne gibt“, sagte Sunderland. Darüber hinaus würden Personen bis
zu sechs Tage festgehalten, ohne dass man sie über ihr Recht auf
Aussageverweigerung informiere.
Frankreich wurde in den 80er
Jahren von einer Anschlagsserie auf Züge, U-Bahnen und Kaufhäuser
heimgesucht. 1995 wurden bei einem Anschlag algerischer Islamisten in
Paris acht Menschen getötet und 150 weitere verletzt. Trotz Aufrufen
einer Al-Kaida-Gruppierung aus dem Maghreb ist das Land seitdem von
weiteren Attacken verschont geblieben.
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