Geheimniskrämerei um Anti-Piraterie-Abkommen

[heise.de] Auch nach der zweiten Verhandlungsrunde zum geplanten internationalen
Anti-Piraterie-Abkommen (Anti-Counterfeiting Trade Agreement, ACTA)
legen die verhandelnden Regierungen keine Details offen. "Die
Verhandlungen sollen so weit wie möglich transparent gemacht werden. Da
die Vertragspartner aber Vertraulichkeit vereinbart haben, können wir
keine Aussagen zu Inhalten machen", erklärte gegenüber heise online ein
Sprecher des Bundesjustizministeriums (BMJ), das einen Beobachter zu
den Verhandlungen in der vergangenen Woche in Washington DC entsandt
hatte. Nachfragen zur möglichen Ausgestaltung wies der BMJ-Mann zurück.

Die Vorbereitungen zu ACTA laufen seit Herbst
vergangenen Jahres. Bei den Gesprächen hinter verschlossenen Türen geht
es um ein internationales Abkommen zum Schutze geistigen Eigentums und
der Bekämpfung von Produktpiraterie. Bisher bekannt gewordenen Unterlagen
zufolge wird im Kreis der Teilnehmerländer eine breite Palette von
möglichen Maßnahmen diskutiert, darunter mehr Befugnisse für Zoll- und
Ermittlungsbeamte oder die Absicherung zivilrechtlicher Ansprüche der Rechteinhaber.
Mit von der Partie waren in Washington – neben den USA und der EU –
Japan, Australien, Mexiko, Neuseeland, Marokko, Korea, Singapur und die
Schweiz. Die beiden arabischen Teilnehmer der in Genf abgehaltenen
ersten Runde, Jordanien und die Vereinigten Arabischen Emirate, waren
nicht mehr dabei.

Besonderes Augenmerk liegt offenbar auch auf neuen Mitteln gegen
Urheberrechtsverletzungen im Internet. Dabei waren auch Forderungen
laut geworden, die Provider dafür mehr in die Verantwortung zu nehmen.
Das so genannte französische Modell,
das bei wiederholtem Auffälligwerden eine Sperre des betroffenen
Internetanschluss ohne Einschalten einer Rechtsinstanz vorsieht, sei
allerdings bislang in den ACTA-Verhandlungen nicht diskutiert worden,
wie ein Sprecher der EU-Generaldirektion Handel gegenüber heise online
versicherte.

In einem Memo des Justizministeriums
(PDF) wird das Internet nicht als Regelungsgegenstand erwähnt und
nochmals betont, dass ACTA keineswegs auf eine "schikanöse Behandlung
des einzelnen Bürgers" abziele. "Die Position der EU zu diesem Thema
sollte auf bestehendem EU-Recht aufbauen", schreibt der EU-Sprecher.
Dazu gehöre neben der Richtlinie zum Urheberrecht in der
Informationsgesellschaft auch das aktuell diskutierte Telekom-Paket.

Verbraucherschützer aus dem Kreis des Transatlantic Consumer
Dialogue (TACD) fürchten nun, die ACTA-Verhandlungen könnten dem
französischen Modell auf internationaler Ebene Schubkraft verleihen.
Zudem warnen sie, dass nun das geplante Maßnahmenpaket zur Ahndung von
Urheberrechtsverletzungen in der Europäischen Union (IPRED2) wieder auf
die Agenda gehoben werden könnten. Eine Streitfrage bei den seit einem
Jahr auf Eis liegenden IPRED2-Vorschlägen betrifft auch die mögliche Kriminalisierung von Parallelimporten – eine Sorge, die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auch bei ACTA umtreibt.

Wie viel von diesen Bedenken berechtigt ist, lässt sich mangels
Einsicht in die Dokumente derzeit nicht sagen. Unternehmensvertreter
aus verschiedenen Ländern und Branchen bemängeln diesen Zustand ebenso
wie die NGOs. Ein Vertreter eines großen US-IT-Dienstleisters sagte
gegenüber heise online, das Maß an Geheimhaltung bei ACTA übersteige
alles, was er bislang gesehen habe. Die neuseeländische Registry
InternetNZ schrieb in einer Stellungnahme, konkrete Anmerkungen zu ACTA
seien aufgrund der fehlenden Informationen kaum möglich. Von Seiten der
IT-Wirtschaft gibt es Kritik, dass Rechteinhaber besser informiert
worden seien als etwa die betroffene IT-Branche.

An der Informationspolitik wird sich kurzfristig wohl wenig ändern.
"Es ist unwahrscheinlich, dass Verhandlungstexte in diesem frühen
Stadium, nach nur zwei Verhandlungsrunden, öffentlich zugänglich
gemacht werden", teilte dazu der Sprecher der Generaldirektion Handel
mit. Wie die nach Abschluss der Runde in Washington erneut angekündigte
Anhörung der betroffenen Parteien ohne handfeste Informationen
funktionieren soll, bleibt offen. Schon bei der ersten Konsultation der
Kommission im vergangenen Juni standen keine Details zur Debatte.

In Runde drei im Oktober könnte laut Informationen aus der
Generaldirektion Handel "ein erster Entwurf" erstellt "und diskutiert"
werden. Einmal unterschriftsreif werde ACTA vor der Unterzeichnung
durch die Vertragspartner auch der Öffentlichkeit präsentiert.
EU-Ratsvertreter und -Parlament sollen, so der Sprecher der
Generaldirektion Handel, früher informiert werden, allerdings ebenfalls
unter der Auflage, den Text nicht zu verbreiten. Für ACTA gilt offenbar
eine besondere Definition von "weitestgehender Transparenz".

Zum Anti-Counterfeit Trade Agreement (ACTA) siehe auch:

(Monika Ermert) /
(vbr/c’t)

Source: www.heise.de