[sueddeutsche.de] Die
EU muss die Umsetzung von UN-Sanktionen gegen Terrorverdächtige
nachbessern. Der EuGH stärkt mit diesem Urteil unter anderem das Recht
der Betroffenen auf Eigentum.
Die EU muss nach einem
Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) "gezielte Sanktionen" gegen
Personen und Organisationen wegen angeblicher Terrorismus-Unterstützung
noch einmal überarbeiten. Dem Urteil zufolge müssen auch Beschlüsse des
UN-Sicherheitsrates über das Einfrieren des Vermögens von Verdächtigen
gerichtlich nachprüfbar sein.
Bei der Umsetzung von
UN-Sanktionen gegen zwei mutmaßliche Terrorfinanzierer hatte die EU
nach Feststellung ihres höchsten Gerichts massiv gegen die Grundrechte
der Beschuldigten verstoßen. Das EuGH kritisierte, die EU habe die
Verteidigungsrechte der Betroffenen und ihren Anspruch auf rechtliches
Gehör verletzt. Wenn die EU-Regierungen diesen Fehler nicht binnen drei
Monaten korrigierten, müssten die Sanktionen aufgehoben werden.
Der
EuGH gab der Berufungsklage eines saudiarabischen Geschäftsmannes und
einer in Schweden ansässigen Stiftung namens Al Barakaat statt. Diese
hatten sich dagegen verwahrt, dass der EU-Ministerrat ihr Vermögen
eingefroren hatte, weil ihre Namen auf einer Liste des
UN-Sanktionsausschusses von Unterstützern Osama bin Ladens, der
Terrororganisation El-Kaida und der radikalislamischen Taliban standen.
Damit werde ihr Recht auf Eigentum und rechtliches Gehör verletzt
(Rechtssachen C-402/05 P und C-415/05 P).
Der EuGH bemängelte,
die EU habe den Betroffenen noch nicht einmal nachträglich die Gründe
für diese schwerwiegenden Sanktionen mitgeteilt. Auch hätten sie
keinerlei Mitteilung erhalten, ob und wie sie sich dagegen zur Wehr
setzen könnten. Die EU-Verordnung zur Umsetzung der UN-Sanktionen, die
auch auf zahlreiche weitere Personen und Organisationen angewandt
wurde, sehe keine entsprechenden Verfahren vor, kritisierte der
Gerichtshof.
Die Richter räumten ein, eine sofortige Aufhebung
der Sanktionen könnte für die Terrorismusbekämpfung schwere und
irreversible Folgen haben. Deshalb dürften sie für weitere drei Monate
vorläufig in Kraft bleiben, damit die EU-Regierungen die Chance hätten,
die Verfahrensfehler zu korrigieren.
Der Rat, das
Entscheidungsgremium der EU-Regierungen, wird demnach den Klägern eine
ausführliche Begründung für die Sanktionen geben und ihnen Gelegenheit
zur Stellungnahme einräumen müssen. Die übrigen von der EU-Verordnung
betroffenen Verdächtigen dürften mittelbar ebenfalls von dem Urteil
profitieren: Um weitere Klagen zu vermeiden, müsste der Rat auch ihnen
rechtliches Gehör gewähren.
Der EuGH hat in der Vergangenheit
bereits mehrfach Sanktionen gegen Terrorverdächtige für nichtig
erklärt, unter anderem gegen die Exil-Oppositionsgruppe Iranische
Volksmudschahedin. In den bisherigen Urteilen ging es jedoch stets um
Personen und Organisationen, die die EU unabhängig von der
UN-Terrorliste aufgrund eigener Einschätzungen auf eine gesonderte
EU-Liste gesetzt hatte.