Gemeinsame Ermittlungsgruppen – der neue Königsweg der internationalen Rechtshilfe?

[kriminalpolizei.de] Gemeinsame Ermittlungsgruppen – schon der Name ist Programm!
Geht es doch nicht mehr darum, mehr oder minder engagiert für ein
ausländisches Ermittlungsverfahren Rechtshilfe zu leisten, sondern
gemeinsam zu überlegen, anzufassen und eine Straftat aufzuklären.
Könnte diese Form der Zusammenarbeit nicht die internationale
Rechtshilfe in strafrechtlichen Angelegenheiten revolutionieren und
ohne allen formalen Ballast des Rechtshilferechts Ermittlungserfolge
erlauben? In diesem Beitrag soll dieser Frage nachgegangen werden,
indem rechtliche Grundlagen und erste praktische Erfahrungen mit
gemeinsamen Ermittlungsgruppen dargestellt werden. Zum Begriff „gemeinsamer Ermittlungsgruppen"

Der Begriff einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe wird weder im deutschen
nationalen Recht noch in völkerrechtlichen Verträgen festgelegt.
Verschiedene justizielle und polizeiliche Zusammenarbeitsformen werden
mit gemeinsamen Ermittlungsgruppen in Verbindung gebracht, ohne dass
aus der Begrifflichkeit sachliche Konsequenzen gezogen werden. Zunächst
lässt sich feststellen, dass gemeinsame Ermittlungsgruppen der
justiziellen und nicht der polizeilichen Rechtshilfe zuzuordnen sind,
denn sie setzen regelmäßig1 in allen beteiligten Staaten die Einleitung
eigener Ermittlungsverfahren voraus. Eine der Bedeutungen gemeinsamer
Ermittlungsgruppen liegt gerade darin, dass nicht – wie bei der
„klassischen„ Rechtshilfe – lediglich ein fremdes Verfahren unterstützt
wird, sondern jeweils eigene Verfahren durch abgestimmte, intensive
Zusammenarbeit gefördert werden.
Übereinstimmende Kriterien völkerrechtlicher Verträge und nationaler
deutscher Gesetzgebung erlauben dann folgende Definition: Gemeinsame
Ermittlungsgruppe stellen eine besondere Form der bilateralen oder
multilateralen justiziellen Rechtshilfe in strafrechtlichen
Angelegenheiten dar, die neben der Bewilligung den Abschluss einer
Errichtungsvereinbarung voraussetzt, und die den Zugang aller
Beteiligten zu den in der Ermittlungsgruppe gewonnenen Erkenntnissen
erlaubt.
Aus der Definition ergeben sich drei wesentliche Konsequenzen: Erstens
müssen der Errichtung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe gegenseitige
Rechtshilfeersuchen vorausgehen, die, um später Schwierigkeiten mit der
Verwertung von Beweismitteln zu vermeiden, bereits erkennbare
wesentliche zu erwartende Erkenntnisse skizzieren sollten. Der Vorteil
gemeinsamer Ermittlungsgruppen liegt in der Folge darin, dass keine
weiteren Rechtshilfeersuchen zum Austausch der gewonnenen Erkenntnisse
erforderlich sind. Zweitens greifen die rechtshilferechtlichen
Sicherungen: Maßnahmen, die im Wege der sonstigen Rechtshilfe nicht
zulässig sind, können auch in einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe nicht
ausgeführt werden. Drittens hat die Staatsanwaltschaft als zuständige
Vornahmebehörde im Anschluss an die Bewilligung des
Rechtshilfeersuchens die Errichtungsvereinbarung zu unterzeichnen und –
aus deutscher Sicht – als Herrin des Ermittlungsverfahrens die Arbeiten
der Gruppe zu leiten und zu verantworten.

Rechtsgrundlagen

Gemeinsame Ermittlungsgruppen sind durch Art. 13 EU-RhÜbk 2000
in den Fokus des Interesses gerückt. Es sind erstmals detaillierte
Regelungen entworfen worden, die dadurch besondere Bedeutung erlangen,
dass das Übereinkommen inzwischen in den meisten Mitgliedsstaaten der
Europäischen Union in Kraft gesetzt worden ist.2 Da man befürchtete,
dass bis zur Umsetzung des umfassenden EU-RhÜbk 2000 einige Zeit
vergehen dürfte, wurden 2002 weitgehend deckungsgleiche Regelungen zu
gemeinsamen Ermittlungsgruppen in einem Rahmenbeschluss vereinbart, der
eine zügigere Behandlung in den Mitgliedsstaaten erlauben sollte.3 In
Deutschland besteht nach Inkrafttreten des EU-RhÜbk 2000 am 02.02.2006
kein gesonderter Umsetzungsbedarf aus dem Rahmenbeschluss.
Art. 20 des Zweiten Zusatzprotokolls zum EuRhÜbk sieht gleichfalls die
Errichtung gemeinsamer Ermittlungsgruppen vor. Das Protokoll ist von
Deutschland bislang unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert worden4.
Von Interesse ist jedoch, dass zum Beispiel Albanien, Israel und die
Schweiz das Protokoll ratifiziert und damit im nationalen Recht die
Möglichkeit zur Errichtung gemeinsamer Ermittlungsgruppen eröffnet
haben. Russland hat dieses Protokoll nicht gezeichnet, aber gleichwohl
gegenüber der EU Interesse an der Errichtung gemeinsamer
Ermittlungsgruppen geäußert. Ob dies auf vertragloser Grundlage möglich
sein kann und ob fehlende völkerrechtliche Grundlagen durch eine
umfassende Errichtungsvereinbarung ersetzt werden können, wird im
Einzelfall zu prüfen sein. Art. 24 Neapel II spricht in der deutschen
Übersetzung von „gemeinsamen Ermittlungsteams„ und macht damit
möglicherweise ungewollt einen Unterschied zu Art. 13 EU-RhÜbk 2000
deutlich. Diese Teams können nur im Anwendungsbereich von Neapel II,
einem Übereinkommen zur zollrechtlichen Zusammenarbeit, errichtet
werden. Die Teams sehen die Einbeziehung von Staatsanwälten und
Beteiligten europäischer Organisationen nicht notwendig vor. Die
Regelungen zur Verwertung der Beweismittel in den jeweiligen
Ermittlungsverfahren sind in Art. 24 Neapel II nicht sehr detailliert.
Die Rechte entsandter Mitglieder in anderen Teilnehmerstaaten werden
unterschiedlich ausgestaltet. Eine Erwähnung finden gemeinsame
Ermittlungsgruppen auch in Art. 19 des Übereinkommens der Vereinten
Nationen zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. (UNTOC). Das
Übereinkommen ist für Deutschland am 14.06.2006 in Kraft getreten5. Die
Regelung des Übereinkommens ist sehr kursorisch und fordert damit eine
detaillierte Ausgestaltung der Zusammenarbeit in der
Errichtungsvereinbarung. Auf dieser Grundlage ist bislang keine
gemeinsame Ermittlungsgruppe errichtet worden.
Art. 5 des Vertrages zwischen der Europäischen Union und den
Vereinigten Staaten von Amerika über die Rechtshilfe in
strafrechtlichen Angelegenheiten sieht gleichfalls die Errichtung
gemeinsamer Ermittlungsgruppen vor. Die Bestimmung wird in Art. 12 bis
US-RhV, der noch nicht in Kraft getreten ist, umgesetzt.6 Die
vertragliche Regelung ist sehr allgemein. Von Seiten des U.S.
Department of Justice sind bislang noch keine Überlegungen zur
praktischen Ausgestaltung gemeinsamer Ermittlungsgruppen gemacht
worden. Verträge über die polizeiliche Zusammenarbeit mit Österreich7,
der Schweiz8 und den Niederlanden9 sehen gleichfalls
Zusammenarbeitsformen vor, die jedoch die polizeiliche Amtshilfe oder
die Kriminalprävention betreffen. Auf diese Bestimmungen soll hier
nicht näher eingegangen werden.
Das deutsche nationale Recht enthält in § 83k IRG eine Spezialregelung
für gemeinsame Ermittlungsgruppen. In Absätzen 1 und 2 werden das Recht
zur Teilnahme an einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe und zur
Übertragung von Ermittlungsaufgaben auf deutschem Hoheitsgebiet
geregelt. Wichtig ist insoweit, dass ausländische Beamte nur unter der
Leitung eines deutschen Beamten, der jederzeit eingreifen können muss,
handeln dürfen. Absätze 3 und 4 verhalten sich über die Verwertung der
durch die Gruppe erlangten Informationen und Erkenntnisse. Weiterer
Umsetzungsbedarf für die in völkerrechtlichen Verträgen eingegangenen
Verpflichtungen besteht nicht.
Unabhängig von dieser Spezialregelung gelten die allgemeinen
rechtshilferechtlichen und strafverfahrensrechtlichen Bestimmungen.
Wesentlich ist zunächst, dass eine rechtshilferechtliche Maßnahme nur
dann ergriffen werden darf, wenn sie notwendig und verhältnismäßig ist.
Eine Vereinbarung, die lediglich dazu geschlossen wird, die
Zusammenarbeit auszuprobieren oder die politische Bereitschaft zur
Nutzung dieser neuen Zusammenarbeitsformen zu dokumentieren, ist damit
nach deutschem Recht ausgeschlossen. Die Erfahrungen mit einer derart
gewollten Ermittlungsgruppe zeigen, dass Aufwand und Ertrag, auch wenn
man die gewonnenen Erfahrungen als Zusatznutzen wertet, nicht in
angemessenem Verhältnis stehen. Bei der Bewilligung des
Rechtshilfeersuchens sind § 73 IRG und insbesondere der allgemeine
ordre public-Vorbehalt zu berücksichtigen. Ferner gelten die
rechtshilferechtlichen Grundvoraussetzungen für einzelne Maßnahmen:
Sind etwa für den Einsatz verdeckter Ermittler oder
Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen besondere Voraussetzungen zu
beachten, so gilt das auch, wenn diese Maßnahmen im Rahmen einer
gemeinsamen Ermittlungsgruppe durchgeführt werden sollen. Allgemein
gilt, dass sich die einzelnen Maßnahmen der Mitglieder nach dem
Verfahrensrecht an dem Ort der Handlung richten.
Die Richtlinien über den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen
Angelegenheiten (RiVASt) enthalten in der derzeitigen Fassung keine
Bestimmungen zu gemeinsamen Ermittlungsgruppen. Es besteht Einvernehmen
zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen, dass die
Errichtung gemeinsamer Ermittlungsgruppen jedenfalls vorerst als
Angelegenheit von besonderer Bedeutung nach Nr. 8 Abs. 1 der
Zuständigkeitsvereinbarung10 anzusehen ist, so dass auch im Verkehr mit
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union schon bei Beginn der Planungen
das Bundesamt für Justiz zu beteiligen ist. Damit soll sichergestellt
werden, dass Erfahrungen an zentraler Stelle gesammelt werden können,
auf die im Einzelfall auch zurückgegriffen werden sollte.
Europol und Eurojust haben eine Sammlung nationaler Vorschriften in der
Europäischen Union erstellt. Diese Sammlung liegt auf einer CD vor und
ist noch nicht im Internet zugänglich. Der besondere Nutzen liegt
darin, dass schon im Planungsstadium berücksichtigt werden kann, was im
Ausland möglich ist. Die Ermittlungstaktik kann und muss darauf
abgestellt werden.

Errichtungsvereinbarung

Die Erarbeitung einer Errichtungsvereinbarung stellt die
größte administrative Herausforderung zu Beginn der Zusammenarbeit dar.
Um die Verhandlungen zu erleichtern, sind verschiedene
Mustervereinbarungen entwickelt worden. Das bedeutendste Muster ist in
der Empfehlung des Rates vom 08. Mai 2003 zu einem Modell für eine
Vereinbarung über die Bildung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe
enthalten11. Ausgehend davon wurde im bilateralen Verkehr zwischen
Deutschland und Frankreich im Jahr 2006 ein Modell entwickelt, das auf
die jeweiligen nationalen Besonderheiten zugeschnitten ist12. Es ist
beabsichtigt, gemeinsam mit Italien ein vergleichbares, im bilateralen
Verkehr gebräuchliches Muster zu entwickeln. Die Darstellung orientiert
sich im Folgenden an diesen Mustern.Vielfach wird eine KISS-Formel
propagiert: Keep it short and simple. Finnische Praxis ist es,
lediglich grundlegende Erwägungen in die Vereinbarung aufzunehmen und
Detailfragen in einer geheimen Zusatzabsprache zu regeln. Vor dem
Hintergrund der in Deutschland geltenden Regelungen zur Aktenführung
und Akteneinsicht in Strafsachen scheint diese Praxis nicht zulässig.

Vertragsparteien
Vertragspartei ist, wer die Ermittlungen im Einzelfall
verantwortlich leitet. Diese Kompetenz richtet sich nach dem jeweiligen
nationalen Recht der Vertragspartei. Nach deutschem Verständnis hat die
Staatsanwaltschaft eine umfassende Leitungskompetenz, die alle
Maßnahmen und damit auch die Errichtung gemeinsamer Ermittlungsgruppen
umfasst. In fremden Rechtsordnungen können die Kompetenzen anders
verteilt sein. Beispiel dafür ist der Ermittlungsrichter nach
französischem Vorbild, der formal Vertragspartei würde. Denkbar ist
auch eine Lösung, nach der bestimmte Maßnahmen vom Justizministerium
verantwortet werden, wie dies zum Beispiel derzeit in Italien und
Portugal der Fall ist.
Davon zu unterscheiden ist die nach internem Recht zu beantwortende
Frage, ob weitere Stellen zu beteiligen sind. In Deutschland ist das
Bundesamt für Justiz zu unterrichten. In elf anderen Mitgliedstaaten
der EU sind das Justizministerium oder die Generalstaatsanwaltschaft zu
beteiligen. Andere Staaten sehen keine Mitwirkung zentraler Behörden
vor.

Zweck
In der Errichtungsvereinbarung ist der Zweck der gemeinsamen
Zusammenarbeit festzulegen. Der zu ermittelnde Sachverhalt ist dabei
möglichst konkret zu umschreiben. Grund dafür ist zunächst, dass den
Mitgliedern der Gruppe bei Ihrer Arbeit Rechte auf fremdem
Hoheitsgebiet zugebilligt werden, deren Grenzen bestimmt sein müssen.
Zudem erlaubt die Zusammenarbeit, Ergebnisse der gemeinsamen
Ermittlungen ohne zusätzliche Rechtshilfeersuchen im nationalen
Strafverfahren zu nutzen. Eine zu allgemeine Formulierung könnte diese
Verfahrenserleichterung unzulässig machen. Letztlich wird eine
Erfolgskontrolle der Zusammenarbeit, die für eine Verlängerung und die
laufenden strategische Planung von immenser Bedeutung sind, nur dann
möglich, wenn Ziele genau umschrieben werden können.

Geplante Ermittlungsmaßnahmen
Am Anfang jeder Ermittlung stehen taktische Überlegungen, die
Richtung, Maßnahmen und Personaleinsatz planen. Gleiches gilt auch für
gemeinsame Ermittlungsgruppen: Bereits im Vorfeld ist eine
Verständigung darüber erforderlich, welche Schritte zunächst
unternommen werden sollen. Gerade das macht die Kooperation, die in den
beteiligten Staaten Eingriffe in die Hoheitsrechte bewirkt, erst
vorhersehbar. Dass eine Planung laufend dem neuesten Erkenntnisstand
anzupassen ist, ist selbstverständlich und im Rahmen einer Vereinbarung
regelmäßig einfach möglich. Lediglich einen Katalog aller denkbaren
Maßnahmen aus den jeweiligen Strafprozessordnungen abzuschreiben genügt
einer ausreichenden Vorplanung weder in rein nationalen Verfahren noch
bei internationaler Zusammenarbeit.
Vereinbart werden kann an dieser stelle auch, ob und durch wen
Rechtshilfeersuchen an dritte Staaten, die nicht an der Gruppe
beteiligt sind, gestellt werden sollen. Grundsätzlich reicht ein
Ersuchen der gemeinsamen Ermittlungsgruppe aus, das zur Vermeidung von
Spezialitätsproblemen ausdrücklich die Verwendung der Unterstützung in
allen Ermittlungsverfahren der beteiligten Staaten erbitten sollte.

Dauer
Die Dauer einer solchen Zusammenarbeit ist begrenzt. Nach den
bisher gewonnenen Erfahrungen bietet sich eine Überprüfung nach sechs,
spätestens acht Monaten an. Nach diesem Zeitpunkt ist eine erste
Erfolgskontrolle möglich, lässt sich aufgrund der Ergebnisse
feststellen, ob eine weitere Zusammenarbeit die nationalen Ermittlungen
noch optimal fördert, lassen sich die geplanten Maßnahmen aktualisieren
und der möglicherweise geänderte Personalbestand und -bedarf anpassen.

Leiter und Mitglieder
Jeder teilnehmende Staat bestimmt eine Leiterin oder einen Leiter
der Gruppe. Auf deutscher Seite wird dies regelmäßig der Staatsanwalt
sein, der die Verantwortung für die Ermittlungen trägt. Gerade im
Hinblick auf die Bedeutung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe, die in
der Praxis große personelle Kapazitäten bindet und den Gang der
nationalen Ermittlungen weitgehend bestimmen wird, und im Hinblick
darauf, dass gemeinsame Ermittlungsgruppen bei Straftaten von
besonderer Bedeutung errichtet werden, ist eine Übertragung der Leitung
auf einen Polizeibeamten meist nicht opportun.
In der Praxis werden die Arbeiten tatsächlich von der Führungsperson
geleitet, in deren Staat die Gruppe agiert. Wird also eine
Zwangsmaßnahme auf deutschem Hoheitsgebiet durchgeführt, geschieht dies
unter der Aufsicht und Verantwortung des deutschen Leiters oder der
deutschen Leiterin.
Die Zahl der Mitglieder der Gruppe sollte auf das erforderliche Maß
beschränkt werden. Nur die Personen sind zu benennen, die tatsächlich
benötigt werden und die bestimmte Aufgaben übernehmen sollen. Diese
Beschränkung dient der Reduzierung des personellen und finanziellen
Aufwandes und der Effizienzsteigerung für die Gruppe. Denn zum einen
ist Grundlage der Zusammenarbeit die Kenntnis des Verfahrensrechts am
Einsatzort. Daher ist zunächst eine allgemeine Einweisung erforderlich,
die Zeit in Anspruch nimmt. So begann in einem Fall ohne deutsche
Beteiligung die Zusammenarbeit mit einer zweiwöchigen Schulung. Daneben
ist eine Gewöhnung an die gemeinsame Arbeitssprache nötig. Und nicht
zuletzt setzt eine erfolgreiche Zusammenarbeit ständigen
Informationsaustausch und regelmäßige Absprachen voraus. Wenn
Videokonferenztechnik nicht zur Verfügung steht oder nicht ausreicht,
fallen Reisekosten und -zeiten für jedes Mitglied an.
Das schließt es nicht aus, dass weitere nationale Ermittler zur
Erledigung begrenzter Aufgaben herangezogen werden, wenn für diese
Aufgabe nicht die Einbindung in das Gesamtgeschehen der Gruppe und in
die internationalen Absprachen erforderlich ist. Auch insoweit gleicht
die gemeinsame Ermittlungsgruppe einer großen nationalen
Ermittlungseinheit, bei der auch nicht alle Beamten in der
Führungsgruppe beteiligt sind.

Weitere Teilnehmer
Gemeinsame Ermittlungsgruppen werden in Fällen
grenzüberschreitender Kriminalität eingesetzt. Damit können auch die
besonderen Fähigkeiten supranationaler Organisationen Bedeutung
erlangen. Das gilt zunächst für Eurojust. Die nationalen Mitglieder von
Eurojust und deren Stellvertreter können die Zusammenarbeit gerade im
Errichtungsstadium durch ihre besonderen Kenntnisse erleichtern und bei
strittigen Fragen vermitteln. Eurojust kann Räumlichkeiten und
technische Ausstattung für Sitzungen stellen. Diese wichtige Rolle
spiegelt sich in der Verpflichtung aus § 6 EurojustG für die beteiligte
deutsche Staatsanwaltschaft wieder, Eurojust über die Planungen zu
unterrichten. Die Hilfestellung durch Eurojust ist nicht von einer
formalen Stellung als Teilnehmer der Gruppe abhängig.
Europol kann im Rahmen der Zuständigkeiten nach Art. 2 EuropolÜbk die
Errichtung einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe anregen, Art. 3b
EuropolÜbk, bei der Ausgestaltung der Errichtungsvereinbarung Hilfe
leisten, förmlich Mitglieder einer gemeinsamen Ermittlungsgruppe
stellen oder an den gemeinsamen Ermittlungen teilnehmen, Art. 3a
EuropolÜbk. Die Teilnahme bietet vor allem Vorteile bei der
operationellen Unterstützung, der Analyse von Daten und der Beschaffung
ergänzender Grundlagenerkenntnisse. Mitarbeiter von Europol werden in
den Grenzen des Rechts am jeweiligen Handlungsort tätig; eine Teilnahme
an Zwangsmaßnahmen ist nicht zulässig.
OLAF, die Betrugsbekämpfungsbehörde der Europäischen Union, stellt nach
deutschem Verständnis keine Justizbehörde dar, die strafrechtliche
Verfahren führt. Ein Rechtshilfeverkehr mit OLAF ist nicht möglich.
Daher kann OLAF kein förmliches Mitglied einer Gruppe sein.

Rechte der entsandten Mitglieder
In der Errichtungsvereinbarung sollten die Rechte entsandter
Mitglieder der Ermittlungsgruppe auf fremdem Hoheitsgebiet festgelegt
werden. Der maximale Umfang möglicher Handlungen wird durch das Recht
am Handlungsort festgelegt. Ein deutscher Beamter wird auch im Ausland
keine Maßnahmen ergreifen, die ihm im Inland nicht gestattet sind.
Gerade um Unsicherheiten für die beteiligten Beamten, die den Erfolg
eines gemeinsamen Einsatzes gefährden könnten, auszuschließen sollte
vorab geklärt werden, welche genauen Regelungen gelten.

Organisatorische Rahmenbedingungen
Regelmäßig wird für eine Gruppe ein gemeinsamer Sitz festzulegen
sein, an dem zentral die Ermittlungen koordiniert werden und an dem
alle Beweismittel zugänglich sind. Das schließt nicht aus, dass
einzelne Maßnahmen in anderen Staaten geplant und geleitet werden. Zu
klären ist, wer für die Räumlichkeiten und die technische Ausstattung
Sorge trägt und wer sich in welchem Umfang an den Kosten beteiligt.
Bei der Nutzung technischer Ausstattung ist auf deren Kompabilität zu
achten. In Deutschland dürfte beispielsweise die Nutzung ausländischer
Funkgeräte nicht sinnvoll sein, da damit ohne aufwändige technische
Maßnahmen nicht das deutsche Funknetz genutzt werden kann. Der Einsatz
von GPS-Sendern sollte so geplant werden, dass die Signale von allen
beteiligten Einheiten verfolgt werden können. Die zur Auswertung
genutzte Software sollte bei allen beteiligten Dienststellen vorhanden
sein.
Die Errichtungsvereinbarung kann Regelungen zum Mitführen von Waffen
auf fremdem Hoheitsgebiet enthalten. Die rechtliche Grundlage für das
Tragen von Dienstwaffen ergibt sich aus dem Recht des Handlungsortes.
Das deutsche Waffengesetz ist nach § 55 Absatz 3 WaffG nicht anwendbar
auf Bedienstete anderer Staaten, die dienstlich mit Waffen oder
Munition ausgestattet sind, wenn diese Bediensteten auf Grund einer
konkreten Anforderung oder einer allgemeinen Zustimmung einer
zuständigen inländischen Behörde oder Dienststelle tätig werden. Damit
kann die in die Ermittlungsgruppe eingebundene Polizeibehörde über das
Tragen von Waffen entscheiden. Sonderregelungen zu diesem Punkt können
sich in bilateralen Polizeiverträgen finden. Von der Möglichkeit,
Waffen auf fremdem Hoheitsgebiet zu tragen, sollte nur zurückhaltend
Gebrauch gemacht werden. Denn auch die rechtlichen Regeln zum Einsatz
der Waffen folgen dem Recht des Handlungsortes, das den handelnden
Beamten möglicherweise gerade in einer Notfallsituation nicht
hinreichend geläufig ist.
Die Vereinbarung sollte eine Bestimmung zur Arbeitssprache, in der sich
die Mitglieder der Gruppe verständigen, enthalten. Ferner ist zu
regeln, in welcher Sprache die Akten der Ermittlungsgruppe geführt
werden. In diese Sprache sind regelmäßig alle Unterlagen und
Beweismittel zu übersetzen, um zu gewährleisten, dass alle
Gruppenmitglieder auf dem gleichen Kenntnisstand sind. Vernehmungen,
die in anderen Sprachen geführt werden, sind gleichfalls zu übersetzen.
Über die Verteilung der entstehenden Kosten ist bereits bei Errichtung
der Gruppe eine Einigung zu finden.

Sonstiges
Die Teilung von sichergestellten und eingezogenen Werten könnte in
einer Errichtungsvereinbarung geregelt werden. Derzeit fehlt im
deutschen Recht jedoch noch eine Rechtsgrundlage für ein asset sharing.
Falls absehbar ist, dass in mehreren Staaten eine internationale
gerichtliche Zuständigkeit zur Verhandlung des Strafverfahrens gegen
einen Beschuldigten besteht, sollte möglichst frühzeitig eine
Abstimmung zu der Frage herbeigeführt werden, wo Anklage erhoben wird.
Dadurch wird einerseits Doppelarbeit vermieden, andererseits kann bei
der Beweiserhebung auf strafverfahrensrechtliche Besonderheiten dieses
Staates in größerem Maße Rücksicht genommen werden.
Wenn besondere Maßnahmen geplant werden, deren verfahrensrechtliche
Grundlagen unterschiedlich sind, sollte auch dazu eine Absprache
getroffen werden. Das gilt beispielsweise für die Durchführung einer
Telekommunikationsüberwachung, die nicht in jeder Rechtsordnung und in
jedem Verfahren zulässig ist, und bei der die Datenübermittlung an
andere Staaten an bestimmte datenschutzrechtliche Voraussetzungen
geknüpft werden kann.

Erfahrungen

Zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind
inzwischen etwa vierzig gemeinsame Ermittlungsgruppen errichtet worden.
Deutschland ist an fünf bilateralen Vereinbarungen mit der Slowakei,
den Niederlanden, Frankreich und Bulgarien beteiligt. Das ermöglicht
es, eine erste Bewertung vorzunehmen. Ein Erfahrungsaustausch erfolgt
zudem auf europäischer Ebene im Europäischen Netzwerk der
Kontaktstellen für Gemeinsame Ermittlungsgruppen. Deutsche
Kontaktstelle ist im Bereich der Justiz

Dr. Ralf Riegel
Bundesamt für Justiz
Telefon 0228/99 410 5329
E-Mail Ralf.Riegel@bfj.bund.de

und im Bereich der Polizei
Sabine Wenningmann, Bundeskriminalamt.

Aufgabe der Kontaktstellen ist es auch, bei der Errichtung gemeinsamer
Ermittlungsgruppen Unterstützung zu leisten und Fragen zu beantworten.
Die Erfahrungen, die in den letzten Jahren in Deutschland und in den
übrigen Mitgliedsstaaten der EU mit gemeinsamen Ermittlungsgruppen
gemacht wurden, sind weitgehend positiv. Das Instrument wird bislang
vor allem im Terrorismusbereich und zur Bekämpfung der
Betäubungsmittel- und Schleusungskriminalität eingesetzt. Gruppen mit
mehr als zwei teilnehmenden Staaten sind selten. Der mit der Errichtung
und Führung einer Gruppe verbundene Aufwand ist, so die Erfahrung in
allen Mitgliedsstaaten der EU, hoch. Zwar kann eine sorgfältige Planung
die Arbeit der Gruppe erleichtern. Insbesondere eine konkrete
Formulierung der Aufgaben, der geplanten Maßnahmen und der Ziele der
Gruppe in der Errichtungsvereinbarung bildet ein solides Fundament für
den späteren Einsatz. Am Anfang der ermittlungstaktischen Planung muss
jedoch die Frage stehen, ob die Ziele mit dieser oder einer anderen,
klassischen Methode der internationalen Rechtshilfe leichter zu
erreichen sind. Wiederholt wurde die Erfahrung gemacht, dass bei
politisch gewollten Leuchtturmprojekten Aufwand und Ertrag nicht in
angemessenem Verhältnis stehen. Die Auswahl der Mitglieder der
gemeinsamen Ermittlungsgruppe sollte sorgfältig vorgenommen werden.
Dabei ist neben fachlichen und kommunikativen Fähigkeiten auch auf
Sprachkenntnisse Wert zu legen. Bei Arbeitstreffen und insbesondere bei
gemeinsamen Maßnahmen im Ausland muss eine adäquate Verständigung auch
ohne Dolmetscher gewährleistet sein, um koordinierte Zusammenarbeit zu
ermöglichen und Gefahren für die teilnehmenden Beamten oder die
Ermittlungen zu vermeiden. Die Ermittlungsverfahren in den beteiligten
Staaten sollten sich in einem vergleichbaren Stadium befinden. Der
Wunsch einer Seite, Anklage zu erheben, kann auf den Umfang und die
Tiefe der übrigen Ermittlungen Einfluss nehmen und Differenzen
auslösen. Wird das erste Verfahren abgeschlossen, so werden regelmäßig
alle Ergebnisse der gemeinsamen Ermittlungsgruppe dem Gericht und dem
Beschuldigten offen gelegt. Weitere Ermittlungen können dadurch
gefährdet werden. Erfahrungen haben gezeigt, dass eine gemeinsame
Ermittlungsgruppe schon in einem sehr frühen Stadium der Ermittlungen
eingesetzt werden kann. Zwar wird der Auftrag der Gruppe dann noch
nicht sehr genau umrissen werden können, aber die gemeinsame
Überlegungen und arbeitsteiligen Maßnahmen können frühzeitig eine
Effizienzsteigerung der Arbeiten bewirken.

Fazit

Eine gemeinsame Ermittlungsgruppe erhöht die Effizienz der
Arbeit und hilft, Doppelermittlungen zu vermeiden. Der
Verfolgungsdruck, den die Täter aus allen beteiligten Staaten spüren,
steigt. Über den Einzelfall hinaus wird die internationale
strafrechtliche Zusammenarbeit verbessert, Berührungsängste werden
abgebaut und Kontakte geknüpft. Die beteiligten Ermittler werden durch
die gemeinsame Arbeit und durch die Möglichkeit, über den Tellerrand
deutscher Ermittlungspraxis hinausblicken zu können, weiter
qualifiziert. Nachteile sind die hohen Kosten und der administrative
Zusatzaufwand. Diese Nachteile werden sich reduzieren, wenn mehr
Erfahrungen mit dem neuen Instrument vorliegen. Möglicherweise wird es
künftig auch zusätzliche Fördermittel aus einer Kasse der Europäischen
Union für gemeinsame Ermittlungsgruppen geben.
Gemeinsame Ermittlungsgruppen sind weder ein Königsweg, der künftig
jeden Rechtshilfeverkehr obsolet machen wird, noch besteht Anlass zu
Berührungsängsten gegenüber dieser Form der Kooperation. Es gibt
zwischen den verschiedenen Formen der Rechtshilfe keine Rangordnung. Es
wird immer Aufgabe der Leiter der Ermittlungen sein, unter
Berücksichtung der völkerrechtlichen und der nationalen
Rechtsgrundlagen in allen beteiligten Staaten festzustellen, auf welche
Weise im konkreten Einzelfall am einfachsten, schnellsten und
effektivsten die Unterstützung geleistet werden kann, die zum Erfolg
der Ermittlungen erforderlich ist. Dabei wird jedenfalls zunächst eine
gemeinsame Ermittlungsgruppe eher bei Fällen schwerer
grenzüberschreitender Straftaten etwa in den Bereichen des Terrorismus,
der Drogen- oder Schleusungskriminalität oder anderen vergleichbaren
Taten erwogen werden.

Fußnoten:

1 Eine Ausnahme kann insbesondere ein Ermittlungsteam nach Art. 24 Neapel II darstellen; vgl. dazu unten 2.
2 Noch nicht in Kraft in Griechenland, Irland, Italien, Malta.
3 Rahmenbeschluss vom 13. Juni 2002 über gemeinsame Ermittlungsgruppen, Amtsblatt C 162 vom 20.06.2002, S. 1.
4 Vgl. zum aktuellen Stand der Zeichnung und des Inkrafttretens www.conventions.coe.int.
5 Vgl. zum aktuellen Stand der Zeichnung und des Inkrafttretens www.unodc.org.
6 BTDrs. 16/4377
7 Art. 19 Vertrag vom 10. November und 19. Dezember 2003 zwischen der
Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die
grenzüberschreitende Zusammenarbeit zur polizeilichen Gefahrenabwehr
und in strafrechtlichen Angelegenheiten (BGBl. 2005 II S. 85, 1307).
8 Art. 20 Vertrag vom 27. April 1999 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über
grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit (BGBl. 2001 II S.
946); Art. 22 des Abkommens vom 26.Oktober 2004 über die Zusammenarbeit
zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedsstaaten
einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits zur
Bekämpfung von Betrug und sonstigen rechtswidrigen Handlungen, die ihre
finanziellen Interessen beeinträchtigen (BGBl. 2008 II S. 182).
9 Art. 19 Vertrag vom 2. März 2005 zwischen der Bundesrepublik
Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die
grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit und die Zusammenarbeit
in strafrechtlichen Angelegenheiten (BGBl. 2006 II S. 194).
10 Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und den Landesregierungen
über die Zuständigkeit im Rechtshilfeverkehr mit dem Ausland in
strafrechtlichen Angelegenheiten vom 28. April 2004.
11 Amtsblatt C 121 vom 23.05.2003, S. 1.
12 Das Modell ist über die Landesjustizverwaltungen oder das Bundesamt für Justiz zugänglich.

von
Regierungsdirektor Dr. Ralf Riegel, Bundesamt für Justiz, Referat für
Auslieferung, Vollstreckungshilfe, Rechtshilfe und das Europäische
Justizielle Netz, Bonn

Source: http://www.kriminalpolizei.de