Terrorabwehr – Mit Technik gegen Attentate

[ftd.de] Im Schatten der Terrorangst blüht die
Sicherheitstechnik: Forscher arbeiten an Sprengstoffscannern,
Giftgassensoren, intelligenten Kameras und bombensicheren Gebäuden.

Im Thriller "Staatsfeind Nr. 1" aus dem Jahr
1998 ist es nur eine Vision: Bei der Jagd auf einen Verdächtigen setzt
der US-Geheimdienst ein Hightech-Überwachungssystem ein, das mit
Satelliten, Radar und Infrarotkameras jeden seiner Schritte verfolgt.
Was Forscher vergangene Woche im Karlsruher Kongresszentrum
präsentierten, kommt dieser Vision schon ziemlich nahe. "Future
Security" hieß die Leistungsschau, auf der deutsche
Sicherheitstechniker zeigen wollten, dass sie bereit sind, auf einem
internationalen Wachstumsmarkt mitzuspielen: Die Angst vor
Terroranschlägen hat die weltweiten Ausgaben für Überwachungs- und
Abwehrtechnik von 23 Mrd. $ im Jahr 2000 auf mittlerweile 140 Mrd. $
ansteigen lassen.

Vom Weltraum bis in das Innere von Gebäuden reicht das Arsenal.
So bietet der Raumfahrtkonzern EADS Astrium Satellitenbilder mit einer
Auflösung von 50 Zentimetern an. Mit seiner Radarkamera erfasst der
Satellit "Terrasar-X" auch durch dichte Wolkendecken hindurch
Bewegungen von Schiffen und Autos. Für die Überwachung von städtischen
Ballungszentren mit vielen Details ist die Auflösung allerdings noch zu
gering. "Technisch sind zwar Auflösungen von bis zu 25 Zentimetern
möglich", sagt Unternehmenssprecher Rüdiger Koppe, "umgesetzt haben wir
sie aber noch nicht."

Flugdrohnen liefern bewegtes Luftbild

Für genauere Bilder sorgen Kameras in Flugdrohnen, die das
Forschungsinstitut für Optronik und Mustererkennung (FOM) entwickelt.
Ihre Bilder werden nicht einfach auf einem Bildschirm angezeigt,
sondern im Computer auf ein 3-D-Modell der Landschaft gelegt, die sie
überfliegen. So entsteht im Lagezentrum ein ständig aktualisiertes
bewegtes Luftbild in hoher Auflösung. Die Feuerwehr weiß, wo es brennt,
die Polizei sieht den Bankräuber, Militärs verfolgen terroristische
Aktivitäten. Für eine Dauerüberwachung taugt die Technik aber nicht:
Der Aktionsradius der Drohnen ist begrenzt.

Der lückenlosen Dauerüberwachung in Straßenzügen und
Gebäuden dient ein System namens Nest (Network Enabled Surveillance and
Tracking), das einen Paradigmenwechsel in der Videoüberwachung
einleiten soll, wie Jürgen Beyerer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für
Informations- und Datenverarbeitung verkündet. Personen, die in das
Blickfeld der Kameras geraten, werden automatisch auf markante Merkmale
abgesucht: die Farbe der Jacke etwa, die Größe der Person oder ob sie
einen Hut trägt. Passiert die registrierte Person eine andere Kamera,
erkennt die Software sie anhand der gespeicherten Merkmale und fügt
nach Möglichkeit weitere hinzu. Dabei greift das System nicht nur auf
Bilder zurück, sondern auch auf Sensoren, die wiegen, horchen oder
schnüffeln – zum Beispiel nach Spuren von Sprengstoff oder Biowaffen.
"Das System funktioniert als Vorfilter, der Wichtiges von Unwichtigem
trennt", sagt Beyerer. Die Entscheidung, ob eine Person identifiziert
werden sollte oder nicht, fälle der Mensch, allerdings erst nachdem die
Zielperson möglichst lange automatisiert überwacht wurde.

123 Mio. Euro hat der Bund in das nationale
Sicherheitsforschungsprogramm investiert, in dessen Rahmen die
Sensortechnik entwickelt wird. Ein dringend benötigter Anschub, bisher
gebe es nur wenig marktreife Technik aus Deutschland, sagt Beyerer:
"Wir haben aufgrund des Föderalismus eine Zersplitterung des Markts,
sodass nur sehr schwer kritische Massen für die Finanzierung und
Erforschung neuer Technologien zustande kommen." Ein Drittel des
Weltmarkts entfällt auf die USA, gefolgt von China und Saudi-Arabien
mit 5,2 und 4,5 Prozent. Deutschland liegt bei 3,7 Prozent.
Problematisch sei zudem, "dass es häufig günstiger ist, Risiken zu
versichern, als sie zu vermeiden". Die Branche ist auf der Suche nach
Geschäftsmodellen, bei denen Technologieanbieter und Versicherungen
zusammenarbeiten: Der eine sorgt für niedrige Policen, der andere für
Schutz.

Zum Beispiel für handfesten Schutz vor Bombenattentaten.
Da nicht um jedes gefährdete Gebäude eine Sperrzone eingerichtet werden
kann, testen Forscher andere Möglichkeiten, die Wucht einer Autobombe
abzufangen. So kann eine vorgelagerte Schutzwand aus Beton schon einen
großen Teil der Explosionsenergie ablenken, sagt Christoph Mayrhofer
vom Freiburger Ernst-Mach-Institut (EMI). Säulen und Fassaden können
außerdem mit einer Schicht aus kunststoffverstärktem Beton überzogen
werden. Für historische und repräsentative Gebäude hat das EMI zusammen
mit mehreren Unternehmen eine Isolierplatte entwickelt, die von innen
aufgeklebt wird. Sie besteht aus einem faserverstärkten elastischen
Kunststoff, der gerade so viel nachgeben und zurückfedern soll, dass
die Mauer durchhält. Und weil die meisten Verletzungen bei Anschlägen
durch Glassplitter entstehen, arbeiten Forscher an Fenstern, die sich
bei einer Explosion in Sekundenbruchteilen öffnen.

Um nach einem Anschlag besser reagieren zu können, entwickelt
der Fraunhofer-Verbund für Verteidigungs- und Sicherheitsforschung
Sensoren, die in Wände von Flughäfen, U-Bahnhöfen und Brücken
integriert werden sollen. "Sie melden zum Beispiel nach einem Attentat
die Temperaturen und den Zerstörungsgrad an eine Zentrale", sagt
Sprecher Klaus Thoma.

Die Future Security sei übrigens im Vergleich zur
Vorjahresveranstaltung "ein großer Erfolg" gewesen. Die Branche ist
zuversichtlich. Wie beruhigend.

von Mirko Smiljanic (Karlsruhe)

Source: http://www.ftd.de/forschung_bildung/forschung/:Terrorabwehr-Mit-Technik-gegen-Attentate/413707.html