Sonden, Weltraumteleskope
und fliegende Observatorien: Die NASA und andere Weltraumagenturen
haben eine wissenschaftliche Armada ins All gebracht
[derstandard.at] Hamburg – Ein halbes Jahrhundert Raumfahrt hat das Wissen vom Weltall
revolutioniert und stark erweitert. Eine ganze Armada fliegender
Observatorien der US-Raumfahrtbehörde NASA, der Sowjetunion und der
Europäischen Raumfahrtagentur ESA hat inzwischen die Erdumlaufbahn
bevölkert und das Universum etwa im Infrarot-, UV- oder Röntgenlicht
gezeigt.
Kosmische Katastrophen
Das Bild vom Kosmos hat sich dadurch grundlegend gewandelt – der
Sternenhimmel ist bei weitem nicht so friedlich und beständig, wie er
in einer klaren Nacht von der Erde aus erscheinen mag. Allein ein
einziger Gammastrahlenblitz beim Explodieren eines Sterns kann
innerhalb von wenigen Sekunden dieselbe Energie freisetzen wie unsere
Sonne in ihrer gesamten zehn Milliarden Jahren Existenz abstrahlt.
Röntgen-Weltraumteleskope wie "Chandra" (NASA) und "XMM-Newton"
(ESA) beobachten, wie Schwarze Löcher ganze Sternensysteme
verschlingen, Infrarotsatelliten wie "Spitzer" (NASA) schauen der
Geburt von Planeten ferner Sonnen zu, und das Radioobservatorium "WMAP"
(Wilkinson Microwave Anisotropy Probe; NASA) hat im Echo des Urknalls
die Saat späterer Galaxienhaufen erspäht. "Manche Beobachtungen könnten
wir von der Erde aus gar nicht machen, weil die Atmosphäre einen
Großteil der Strahlung aus dem All abschirmt", erläuterte der
Vorstandsvorsitzende des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt
(DLR), Johann-Dietrich Wörner.
Hubble Superstar
Spektakuläre Bilder vom All und vieles mehr liefert das NASA-
Weltraumteleskop "Hubble". Es hat das Universum für die Wissenschafter
vielfältiger und größer gemacht. So war etwa noch bis zu den Zeiten des
Namenspaten Edwin Hubble am Anfang des 20. Jahrhunderts nicht geklärt,
ob das Universum überhaupt größer ist als die Milchstraße. Erst
Astronom Hubble bestätigte endgültig, dass der Andromeda-Nebel eine
Nachbargalaxie außerhalb unserer Milchstraße ist. Das Weltraumteleskop
hat 2004 dann auf einen Schlag rund zehntausend Galaxien in Milliarden
Lichtjahren Entfernung aufgenommen – und das in einem
Himmelsausschnitt, der noch 50 Mal kleiner ist als der Vollmond am
irdischen Firmament.
"Das "Hubble"-Weltraumteleskop hat das Wissen der Forscher auf
vielen Feldern revolutioniert", urteilt Franco Bonacina, Sprecher der
ESA, die an "Hubble" beteiligt ist. Das gilt ebenso für das
Observatorium "WMAP", das im Jahr 2003 das bisher detailreichste
"Babybild" unseres Universums präsentiert hat. Der Kosmos ist diesen
Daten zufolge 13,7 Milliarden Jahre alt und enthält nur zu 4 Prozent
die uns vertraute Materie, aus der Sterne, Planeten und Menschen
bestehen. 23 Prozent werden von einer unbekannten Dunklen Materie
gestellt, die sich nur über ihre Schwerkraftwirkung bemerkbar macht.
Den größten Anteil am Universum hat WMAP zufolge mit 73 Prozent eine
völlig mysteriöse Dunkle Energie, durch die sich das Universum
offensichtlich immer schneller ausdehnt.
Erkundungsflüge
Nicht nur Weltraumteleskope im Erdorbit haben zur Veränderung des
wissenschaftlichen Weltbilds entscheidend beigetragen, sondern auch die
zahlreichen spektakulären Expeditionen von Raumsonden in das
Sonnensystem. Ein Meilenstein etwa war das "Pioneer"-Programm der NASA,
das noch vor der offiziellen Gründung der US-Raumfahrtbehörde am 1.
Oktober 1958 begonnen hatte. Als Höhepunkt des Programms flogen die
Sonden "Pioneer 10" und "Pioneer 11" zu den größten Planeten des
Sonnensystems, Jupiter und Saturn und anschließend weiter hinaus ins
All. "Pioneer 10" gilt als erstes menschengemachtes Objekt, das das
Sonnensystem verlassen hat. Wie ihre Schwestersonde "Pioneer 11" trägt
sie eine vergoldete Aluminiumplakette, in die das Bild einer Frau und
eines Mannes eingraviert sind sowie Hinweise auf den Ursprung der
Sonde.
Im Jahr 1977 brachen die "Voyager"-Zwillingssonden zu einer
spektakulären Tour durch das äußere Sonnensystem auf, in deren Verlauf
sie mehr als 80 000 Bilder zur Erde funkten. "Voyager 1" erkundete
Jupiter und Saturn und verließ dann die Rotationsebene der Planeten,
während "Voyager 2" zu Uranus und Neptun weiterflog. Die Sonden
untersuchten insgesamt auch 56 Monde dieser vier Planeten, von denen
sie 23 erst entdeckten. Wegen seiner höheren Geschwindigkeit als die
"Pioneer"-Sonden ist "Voyager 1" inzwischen mit einer Distanz von mehr
als 16 Milliarden Kilometern das am weitesten von der Erde entfernte
künstliche Objekt.
"Ein Beitrag zur Völkerverständigung"
Inzwischen sind irdische Sonden auch zu Asteroiden und Kometen
gestartet, haben Sternenstaub gesammelt und liefern regelmäßige
Berichte zum Weltraumwetter, das von Sonnenwind und Magnetstürmen
geprägt ist. Häufigstes Ziel aller irdischen Raumsonden war jedoch der
Mars. Dieser soll nun nach dem Willen von US-Präsident George W. Bush
sogar zum Ziel für Astronauten werden. Das würde wohl selbst das bisher
spektakulärste Ereignis der Raumfahrtgeschichte in den Schatten
stellen, die Mondlandung von 1969.
Wissenschaftlich indes ist die bemannte Raumfahrt umstritten. Auch
die Internationale Raumstation ISS hat bislang kein scharfes
wissenschaftliches Profil gefunden. Solche Unternehmungen haben nach
Wörners Ansicht jedoch noch einen anderen Wert: "Ohne internationale
Kooperation geht es gar nicht. Das hat meiner Ansicht nach auch
friedensstiftende Wirkung, das ist ein Beitrag zur
Völkerverständigung." (APA/dpa)