Wachsender Protest gegen französische Geheimdienst-Datenbank

tkü[heise.de] Der Unmut über die staatliche Geheimdienst-Datenbank "Edvige"(exploitation documentaire et valorisation de l’information générale) wird in Frankreich immer lauter. In den letzten Tagen mehrten sich die Stimmen prominenter Politiker und Persönlichkeiten, die sich kritisch zu Edvige äußerten. Zudem verweist eine Online-Petition
auf eine stetig wachsende Zahl von Gegnern der Datenbank, die vom
Inlandsgeheimdienst DCRI verwaltet wird. Von Ende Juli bis jetzt ist
die Zahl derer, die für die Abschaffung von Edvige unterzeichneten, von
etwa 43.000 auf über 123.000 gestiegen, darunter befinden sich über 700
Organisationen. Für heute hat eine Gruppe aus Gewerkschaften, Parteien
und Verbänden eine Pressekonferenz in Paris über die umstrittene
Datenbank angesetzt.

Für Kontroversen sorgt Edvige, die von Polizei und Geheimdienst genutzt wird, vor allem, weil sie per Dekret
Personen zentral erfassen soll, die sich entweder für ein "politisches,
gewerkschaftliches oder religiöses Mandat" bewerben bzw. schon mit
einem solchen Mandat betraut sind. Besondere öffentliche Aufmerksamkeit
findet die Formulierung, dass Daten von Individuen bzw. Gruppen
aufgenommen werden, "die möglicherweise die öffentliche Ordnung stören
könnten". Anders als bisher können darunter auch 13-Jährige fallen und
Personen, die noch keine Straftat begangen haben. Zudem zeigten sich
Verbände, die für die Rechte von Lesben und Homosexuellen eintreten,
beunruhigt, da sich die Daten auch auf Angaben zum Geschlechtsleben
erstrecken sollen.

Am vergangenen Wochenende äußerte sich dann zum ersten Mal ein
Regierungsmitglied in der Öffentlichkeit kritisch zur
Geheimdienstdatenbank: Es gebe eine Menge Fragen zu Edvige, erklärte
der französische Verteidigungsminister Hervé Morin: Sei es wirklich
nützlich für die Sicherheit der Mitbürger, wenn Informationen von
Personen erfasst würden, die sich um politische oder gewerkschaftliche
Tätigkeiten bewerben? Sei es nötig, dass Daten von Personen gesammelt
werden, die in unterschiedlichsten Bereichen – Institutionen,
Wirtschaft, Glaubensgemeinschaften – eine wichtige Rolle spielen?

Dem Verteidigungsminister folgte gestern die Vorsitzende des Unternehmerverbandes Mouvement des Entreprises de France (Medem), Laurence Parisot, mit einer Unmutsbekundung
sowie der Generalsekretär der Gewerkschaft CFDT François Chérèque.
Während Chérèque kein Existenzrecht für Edvige in einem demokratischen
Land sehen will, erklärte sich die Unternehmensvertreterin Parisot von
Edvige peinlich berührt und beunruhigt. Parisot forderte eine Erklärung
der zuständigen Innenministerin Michèle Alliot-Marie, die sich dann
ihrerseits verwundert darüber zeigte, dass die Kritik so spät komme. Immerhin sei das Gesetz doch schon seit 1. Juli in Kraft.

Aber es sieht ganz so aus, als ob der Zeitpunkt nach den
Sommerferien, wenn der politische und mediale Betrieb wieder voll
aufgenommen wird ("la Rentrée"), sehr günstig dafür ist, sich mit dem
Engagement gegen Edvige einen gutem Namen zu machen. Dem dafür
zuständigen höchsten Verwaltungsgericht, dem Conseil d’Etat, liegen
gleich mehrere Einsprüche von Gewerkschaften, Anwaltsvertretungen und
Politikern vor. Entscheiden wird das Gericht jedoch erst im Dezember.
(tpa/Telepolis)

Source: http://www.heise.de