Brandenburger Polizei: 60 Polizisten warten auf Auslands-Einsatz

Brandenburg schickt regelmäßig Beamte ins Kosovo, nach Bosnien und an
den Hindukusch. Sie helfen beim Aufbau und bei der Ausbildung der
Polizeikräfte.

[tagesspiegel.de] Es gab genug Momente, in denen er Angst hatte, sagt Andy
Ansorge. Das wolle er nicht in den Vordergrund stellen, erklärt der
Polizeibeamte aus dem Schutzbereich Barnim: „Aber wenn Raketen ganz in
der Nähe einschlagen, kann einem schon mulmig werden.“

Zwei Monate war Ansorge als Abgesandter des Landes Brandenburg in
Afghanistan. Vor kurzem sind er und fünf weitere Polizisten von ihren
Auslandseinsätzen zurückgekehrt, am Donnerstag wurden sie von
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) empfangen. Die anwesenden
Journalisten wurden allerdings bereits nach kurzer Zeit hinausgeschickt
– offensichtlich sollte nicht alles, was sie erzählten, an die
Öffentlichkeit dringen.

Jörg Schönbohm führt momentan den Vorsitz der Innenministerkonferenz
und setzt sich seit Monaten für eine Intensivierung der deutschen
Unterstützung beim Aufbau der afghanischen Polizei ein. Auch wenn erst
Ende August ein Bundeswehrsoldat bei einem Anschlag in Nordafghanistan
getötet wurde, habe sich an dieser grundsätzlichen Haltung nichts
geändert, sagte die Sprecherin der Innenministerkonferenz, Dorothee
Stacke, gestern dem Tagesspiegel. „Die Länder sind nach wie vor der
Ansicht, dass die Hilfe von deutschen Polizisten in Afghanistan
notwendig und wichtig ist.“

Für Andy Ansorge war es nicht der erste Auslandseinsatz. Im April des
vergangenen Jahres kam er aus dem Kosovo zurück, wo er ein Jahr
verbrachte. „Da gab es noch so etwas wie ziviles Leben“, erinnert er
sich. Nicht so in Afghanistan. Dort mussten die Polizeibeamten sicher
abgeschirmt werden – auf einer US-Militärbasis. Tagsüber trainierte
Ansorge afghanische Polizisten, die in der Grundausbildung waren. Trotz
der Gefährlichkeit habe sich der Einsatz gelohnt, sagt er. Und damit
meint er nicht nur die finanzielle Seite. Niemand würde in ein
Krisengebiet gehen, wenn er nicht von der politischen Notwendigkeit
überzeugt wäre, sagt ein Sprecher des Innenministeriums.

1994 schickte Brandenburg als erstes ostdeutsches Bundesland Polizisten
ins Ausland. Seitdem waren rund 80 märkische Beamte in
Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo und seit 2002 in Afghanistan im
Einsatz. Ein Drittel der von der Europäischen Mission „Europol“
entsandten deutschen Polizisten sind Bundes-, zwei Drittel
Landesbeamte. 60 Brandenburger Beamte warten derzeit auf den Einsatz.
Alles sei freiwillig, versichert das Innenministerium, auch wenn jemand
im letzten Moment abspringen will, darf er das.

Daran hat Karl-Heinz Gleich aus Frankfurt (Oder), der gerade aus dem
Kosovo zurückgekommen ist, nie gedacht. Sein Einsatz zog sich über ein
Jahr hin. Das Gefühl, „immer noch mal wegzuwollen“, habe ihn nicht
losgelassen, erzählt der 51-Jährige. Dass er für ein Jahr fern von
seiner Frau und seinen zwei Töchtern war, sei nicht so schlimm gewesen.
Durch eine Sieben-Tage-Arbeitswoche habe er sich Zeit freischaufeln
können. „Ich war insgesamt fünf Mal zu Hause.“

Der oberste Landesdienstherr der brandenburgischen Polizei, Jörg
Schönbohm, rechnet den Beamten ihr Engagement hoch an. Für ihn sei der
Einsatz der Polizisten „ein Beitrag zur Wahrung von Recht und Gesetz.“
Zurzeit sind laut Ministerium fünf Brandenburger Polizisten im Kosovo,
einer in Bosnien-Herzegowina, ab Januar soll wieder ein Beamter nach
Afghanistan geschickt werden.

Die Polizisten, die ins Krisengebiet wollen, müssen mindestens eine
achtjährige Dienstzeit hinter sich haben, gut Englisch sprechen und
stressresistent sein. Bezahlt werden die Polizisten mit ihrem normalen
Gehalt. Je nach Gefahrengrad des Einsatzlandes kommt noch eine Zulage
hinzu. Im Kosovo sind es 67 Euro pro Tag, in Afghanistan 92 Euro. Beim
Auslandseinsatz ums Leben gekommen ist noch kein brandenburgischer
Polizist. Allerdings wurde nach Ministeriumsangaben vor zwei Jahren ein
Beamter bei einem Autounfall im Kosovo so schwer verletzt, dass er
immer noch in Behandlung ist.

 

Source: http://www.tagesspiegel.de/berlin/Brandenburg-Brandenburg-Polizei;art128,2628799