Europa tüftelt an grenzüberschreitender Online-Durchsuchung

Überwachung: Geplante Verabschiedung des BKA-Gesetzes in der
nächsten Woche – Online-Durchsuchung und Zeugnisverweigerungsrechte
sind die Haupthürden

[vdi-nachrichten.de] Der Bundesrat
wird am 19. Dezember über das umstrittene BKA-Gesetz abstimmen, das
unter anderem die Online-Durchsuchung erstmals erlauben soll. Auf
europäischer Ebene denken die Innenminister bereits über ein
grenzüberschreitendes Durchforsten von Computern nach.

Der von der Bundesregierung einberufene Vermittlungsausschuss hat in
dieser Woche das im Bundesrat vorerst gescheiterte BKA-Gesetz erneut
verhandelt. Das "Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen
Terrorismus durch das Bundeskriminalamt" soll dem Bundeskriminalamt
(BKA) erstmals präventive Befugnisse zur Gefahrenabwehr geben. Über
diese verfügen bisher nur die Landespolizeien. Allerdings soll das BKA
nun mit der Online-Durchsuchung auch ein neues Fahndungsinstrument
erhalten. Der Kompromiss sieht hier einen richterlichen Vorbehalt vor.
Die SPD hat außerdem eine Befristung der Online-Durchsuchung bis 2020
durchgesetzt.

Ob das Vermittlungsergebnis jedoch Bestand haben wird, ist ungewiss.
So ist absehbar, dass die niedersächsische Regierung den Kompromiss
ablehnen wird – der dortige Koalitionspartner FPD hat bereits sein Veto
angekündigt. Er stößt sich vor allem an der heimlichen
Online-Durchsuchung sowie dem eingeschränkten Berufsgeheimnis und
Zeugnisverweigerungsrecht bei Ärzten, Anwälten und Journalisten.
Voraussichtlich werden auch alle Koalitionsregierungen der Länder, an
denen die FDP, Linke oder Grüne beteiligt sind, den Kompromiss
ablehnen. Schleswig-Holstein, Sachsen und Rheinland-Pfalz kündigten
hingegen ihre Zustimmung an.

Die Verbände von Journalisten, Anwälten und Ärzten fordern
hinsichtlich der weiterhin eingeschränkten Zeugnisverweigerungsrechte
weitere Korrekturen. Der Präsident der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich
Hoppe, etwa hält das Patientengeheimnis noch immer für gefährdet.

Für die auf den 19. Dezember angesetzte Abstimmung im Bundesrat
rechnet der rheinland-pfälzische Innenminister Karl Peter Bruch mit
einer ganz knappen Mehrheit von 35 Ja- und 34 Nein-Stimmen bzw.
Enthaltungen. Die Online-Durchsuchung sei zwar technisches Neuland,
sagte Bruch im Deutschlandradio, doch sie sei unumgänglich: "Wir müssen
die ersten Erfahrungen auswerten und die Rechtsprechung muss dann
entsprechend handeln."

Sollte das BKA-Gesetz tatsächlich verabschiedet werden, könnte das
Bundesverfassungsgericht wieder einmal die letzte Entscheidung fällen.
FDP-Chef Guido Westerwelle kündigte an, dass die FDP eine
Normenkontrollklage prüfe eine Verfassungsbeschwerde einzelner
FDP-Abgeordneter wie etwa dem früheren Bundesinnenminister Gerhart Baum
sei möglich.

Auch die Grünen wollen sich an Karlsruhe wenden. Kernpunkt der Klage
könnte der Datenschutz bei der heimlichen Online-Durchsuchung sein. In
einem Grundsatzurteil hatte das Bundesverfassungsgericht Anfang des
Jahres die Gewährleistung von Vertraulichkeit und Integrität
informationstechnischer Systeme abgesichert.

Der zwischen Union und SPD erzielte Kompromiss sieht vor, dass
Ermittler nur bei einer konkreten Gefahr und bei schwersten Straftaten
ausschließlich mit Genehmigung eines Richters heimlich in einen
Computer eindringen dürfen. Auch die Entscheidung, welche Daten genau
in den geschützten "Kernbereich der Privatsphäre" fallen und bei
Online-Durchsuchung ausgefiltert werden müssen, soll nur von einem
Richter getroffen werden.

Geht es nach dem Willen der Innenminister in den europäischen
Mitgliedstaaten, wird die Online-Durchsuchung auch grenzüberschreitend
stattfinden können, wenn der betroffene Mitgliedstaat einverstanden
ist. So sollen die Staaten mittelfristig sogenannte "Remote Searches"
erleichtern, forderten die Minister auf der Ratssitzung vor zwei
Wochen.

Außerdem beschlossen sie den Aufbau einer EU-weiten Meldestelle für
kriminelle Aktivitäten im Internet. Mittelfristig soll hierüber eine
Regelung gefunden werden, wie Internetangebote mit
kinderpornographischen Inhalten blockiert oder geschlossen werden
können. In Diskussion ist eine gemeinsame "Schwarze Liste".
Familienministerin Ursula van der Leyen hatte erst kürzlich gefordert,
solche Internetseiten sperren zu können.

Kopfzerbrechen bereitet dem EU-Datenschutzbeauftragten Peter Hustinx
der ebenfalls vor zwei Wochen vom Europäischen Rat verabschiedete
Rahmenbeschluss zum Datenschutz im Bereich innere Sicherheit und
Strafverfolgung, der den Austausch von Polizei- und Justizdaten
betrifft.

Bei Gefahr in Verzug dürfen etwa Daten von Kriminellen,
Verdächtigen, Zeugen und Opfern auch in außereuropäische Länder
übermittelt werden, ohne dass hierfür bei dem Staat, aus dem die Daten
stammen, eine Genehmigung eingeholt wird. Bereiche, die "essenzielle
nationale Sicherheitsinteressen und spezifische Geheimdienstaktivitäten
im Bereich der nationalen Sicherheit" betreffen, wurden von den
Datenschutzregeln, anders wie ursprünglich vorgesehen, ganz
ausgenommen.

In einer weiteren Entschließung beschlossen die EU-Innenminister,
dass Käufer von Prepaid-Karten künftig identifiziert werden sollen.
Außerdem forderten sie eine Regelung, um europaweit Nutzer von
elektronischen Kommunikationsdiensten identifizieren zu können. Auch
Menschen, die Instant-Messaging-Nachrichten über mobile Geräte
verschicken, sollen identifiziert werden können. Keine Einigung
hingegen konnten die Innenminister in der Frage erzielen, inwieweit
Flugpassagierdaten europaweit gespeichert und ausgewertet werden
dürfen.

Source: http://www.vdi-nachrichten.de