Quarzsandhandschuh bei der Polizei – Ein handfester Skandal

Schlagverstärkende
Handschuhe sind keine Ausnahme bei der Polizei. Ein Beamter schätzt:
Jeder Fünfte in den Einsatzhundertschaften hat sie. Polizeipräsident
hatte sie als Waffe bezeichnet.

[taz.de] Bei der Polizei
haben sich offenbar weitaus mehr Beamte schlagkraftverstärkende
Handschuhe beschafft als bisher bekannt. Von den rund 1.900 Beamten der
Berliner Einsatzhundertschaften (EHU) seien rund 20 Prozent im Besitz
von Quarzsandhandschuhen, schätzt ein Beamter, der sich auskennt.

Erst vor anderthalb Wochen war durch einen
Hinweis einer Polizistin bekannt geworden, dass in einem aus 30 Beamten
bestehenden Zug einer EHU der Direktion 4 in zwölf Einsatztaschen
Quarzsandhandschuhe gefunden worden. Sieben Führungskräfte, darunter
der Hundertschaftsführer und der Zugführer, stehen im Verdacht, ihre
Untergebenen gedrängt zu haben, die Handschuhe privat zu kaufen. Zudem
sollen sie ein unverhältnismäßig hartes Vorgehen im Einsatz verlangt
haben. Polizeipräsident Dieter Glietsch hatte das als "Skandal"
bezeichnet. Für ihn seien Quarzsandhandschuhe "eine Waffe", hatte der
Polizeipräsident erklärt. "Der einzige mir bekannte Zweck ist, anderen
Verletzungen zuzufügen."

"Die Hundertschaft der Direktion 4 ist mit
Sicherheit nicht die einzige Einheit", sagt nun der Beamte, der anonym
bleiben will. Wegen des guten Tragekomforts, der besseren
Schutzfunktion und der erhöhten Schlagwirkung seien die gepolsterten
Handschuhe sehr beliebt. Dass Glietsch die Vorgänge so scharf
verurteile, sei intern "mit Betroffenheit und Unverständnis"
aufgenommen worden.

"Die Mitarbeiter investieren nicht aus Jux und
Dollerei 45 Euro für ein Paar Handschuhe", so der Beamte zur taz.
Anders als normale Handschuhe säßen die quarzsandgefüllten wie
angegossen (siehe Kasten). "Man kann damit gut greifen und
festhalten, sie sind feinfühlig und engen nicht ein", berichtet der
Beamte. Die höhere Schlagwirkung diene dem eigenen Schutz: "Es ist ein
Unterschied, ob ich einen Gegner boxe, der sich dann nur schüttelt und
mir eins auf die Nase haut. Oder ob ich ihn boxe und er danach
handlungsunfähig ist."

Natürlich sei in den Einheiten bekannt, dass
Quarzsandhandschuhe verboten sind. Dennoch seien sie existent. "Der
Polizeipräsident wird das nicht wissen, aber Beamte, die täglichen
Umgang mit den operativen Kräften haben", sagt der Beamte. Das gelte im
Übrigen nicht nur für die Berliner Polizei.

Die Stimmung bei den Berliner Einheiten
beschreibt der Beamte so: "Dass sich das Gegenüber mit Messern,
Reizgas, Steinen und Flaschen bewaffnet, wird als normal hingenommen.
Aber wenn sich ein Polizist Quarzsandhandschuhe anzieht, bricht die
Welt zusammen." Die Feststellung im Kollegenkreis laute: "Die
Brutalität gegen die Polizei nimmt immer mehr zu".

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Dabei habe man in den Einheiten viel
dafür getan, das negative Image der Berliner Polizei als Schlägertruppe
loszuwerden. "Es hat einen Mentalitätswechsel gegeben". Früher sei es
bei schwierigen Einsätzen um "Lagebereinigung" gegangen. Da habe bei
den Einheiten das Denken regiert: "Wenn die Politik nicht durchgreift,
tun wir das." Heute sei oberste Prämisse: professionell arbeiten,
beweissichere Festnahmen durchführen.

Auf keinen Fall dürfe toleriert werden, dass
Vorgesetzte Untergebene zu unnötiger Härte auffordern, wie es bei dem
Zug in der Direktion 4 geschehen sein soll, betont der Beamte. "So
etwas wäre kriminell." Auch zur Anschaffung von Quarzsandhandschuhen
dürfe kein Beamter von einem Polizeiführer gezwungen werden. Das sei in
der Regel aber auch nicht der Fall. "Dazu war diese Art von Handschuhen
in den Einheiten zu sehr verbreitet."

Nachdem der
Vorfall in der Direktion 4 bekannt geworden ist, hatte Polizeipräsident
Glietsch die Anweisung erteilt, Quarzsandhandschuhe in den
Dienstgruppen zum Thema zu machen. Kontrollen seien nicht angeordnet
worden, sagt ein Polizeisprecher. Fündig werde man jetzt ohnehin nicht
mehr, meint der Beamte. "Wer sich jetzt noch damit erwischen lässt, ist
ein Vollidiot."

VON PLUTONIA PLARRE

Source: https://www.taz.de/regional/berlin/aktuell/artikel/1/ein-handfester-skandal/