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Die
Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten, die auch in
Deutschland seit einem Jahr teilweise und seit dem 01. Januar diesen
Jahres in vollem Umfang praktiziert wird, ist in einer EU-Richtlinie
festgelegt. Dementsprechend haben auch andere EU-Länder diese
Richtlinie bereits umgesetzt oder bereiten dies gerade vor. In
Großbritannien sollen ab März neben den Verbindungsdaten von
Telefongesprächen auch die von Emails durch die Provider gespeichert
werden. Wie auch in anderen Ländern hagelt es Kritik, sowohl von
Bürgerrechtlern als auch von Wirtschafts- und IT-Experten. Das jedoch
scheint die Regierung nur wenig zu beeindrucken: Man plant dort sogar
eine Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung.
Beim
Telefonieren ist die Protokollierung jedes Gesprächs für die Briten
bereits seit einiger Zeit Realität. Ab März soll nun auch jede E-Mail
der Vorratsdatenspeicherung unterliegen. Gespeichert werden, wie es die
EU-Richtline vorsieht, Sender, Empfänger und Uhrzeit, nicht jedoch der
Inhalt der Mail. Diese Daten sollen ein Jahr lang, also doppelt so
lange wie die von der EU vorgesehene Mindestspeicherdauer, vorgehalten
werden.
Bürgerrechtler kritisieren, dass auch die Speicherung der
Verbindungsdaten bereits einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre
der Betroffenen, also aller E-Mail-Nutzer, darstellt, da diese das
soziale Netz und die Kommunikationsgewohnheiten offenlegen. Das
Innenministerium dagegen betont, dass die gesammelten Informationen
essentiell für die Untersuchung von Verbrechen, insbesondere
Terrorismus, sind.
Shami Chakrabarti, Direktor der Bürgerrechtsorganisation Liberty,
befürchtet, dass die Regierung sogar weitere, über die EU-Richtlinie
hinausgehende Pläne hegt. "Worüber wir uns Sorgen machen müssen,
ist, was als nächstes passiert, denn die Regierung erwägt bereits,
diese Daten nicht einfach bei den Providern zu lassen, sondern eine
zentrale Regierungs-Datenbank zu schaffen, in der sie alle deratigen
Informationen sammeln." Darin sieht der Datenschützer einen
eklatanten Verstoß gegen das Gebot der Datensparsamkeit, der die
fraglichen Daten einem großen Missbrauchsrisiko aussetzt: "Leider
trauen wir keiner Regierung oder Organisation zu, so viele wichtige
Informationen über uns alle zu besitzen und deren Sicherheit zu
gewährleisten."
Auch IT-Experten melden erhebliche Zweifel an der
Vorratsdatenspeicherung an. Sie kritisieren vor allem die mangelnde
Effektivität dieser Maßnahme. Dr Richard Clayton,
IT-Sicherheitsforscher an der University of Cambridge, hält die
Vorratsdatenspeicherung für Geldverschwendung. Er weist unter anderem
darauf hin, dass bei der Vorratsdatenspeicherung sogar Spam-Mails
erfasst und archiviert würden – insgesamt wird das tägliche
Mail-Aufkommen Großbritanniens auf ungefähr drei Milliarden geschätzt.
Clayton bilanziert: "Es gibt wesentlich bessere Dinge, für die wir
unsere Milliarden ausgeben könnten, als jeden im Land zu bespitzeln,
nur weil die geringe Wahrscheinlichkeit besteht, dass er ein Terrorist
ist."
Andere
Kritiker betonen die unklare Rechtslage. Unter anderem sei ungewiss,
welche Provider überhaupt speichern müssten, da die Definition "kleine
ISPs" keinen sicheren Anhaltspunkt gibt, ab welcher Größe eine
Speicherung erfolgen muss und was mit Mailprovidern geschieht, die im
Laufe der Zeit größer werden.
Die Regierung plant trotzdem fleißig weiter. Im Laufe des Jahres
sollen weitere Überwachungsmaßnahmen, unter anderem der Aufbau der auch
von Chakrabarti angesprochenen zentralen Kommunikationsdatenbank,
konkret geplant und Berater hinzugezogen werden. Diese Pläne fasst die
Regierung laut internen Berichten unter dem Begriff "Interception
Modernisation Programme" zusammen. (Annika Kremer)
(via BBC, thx)
Source: http://www.gulli.com/news/gro-britannien-2009-01-09/