Aufstandsbekämpfung wird elektrifiziert

Bundeswehr entwickelt Elektroschockwaffen, die von der UN als Folterwerkzeuge eingeschätzt werden

[jungewelt.de] Die Bundesregierung bewertet den Einsatz von Elektroschockwaffen
(sog. »Tasern«) durch die Polizei kritisch,
läßt sie aber für den Bereich der Bundeswehr
erforschen und läßt den Export in
»kritische« Staaten zu. Diese widersprüchlichen
Angaben macht sie in einer Antwort auf eine Anfrage der
Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke.

Taser sind bei den meisten Polizei-Spezialeinheiten in Deutschland
im Einsatz, nicht allerdings bei der Bundespolizei. Mit den
Geräten werden an Drähten befestigte Nadeln auf Menschen
abgefeuert und Stromstöße von 50000 Volt hindurchgejagt,
um das Opfer zu lähmen. Menschenrechtsgruppen weisen auf die
hohe Gesundheitsgefährdung hin. 28 Prozent aller
Taser-Geschädigten müßten medizinisch behandelt
werden, in Nord­amerika seien bereits mehrere hundert Personen
nach Taser-Schüssen gestorben. Besondere Gefahren scheinen
für Herzkranke und Drogensüchtige zu bestehen.

Die Bundesregierung hält Taser zwar für eine
»nichtletale« (nicht tödlich) Waffe, beurteilt
aber nach eigenen Angaben »den Einsatz von
Elektroimpulsgeräten gegen Personen zurückhaltend«
und plane nicht, die Bundespolizei damit auszurüsten.

Seit 2000 allerdings betreibt das Verteidigungsministerium
einschlägige Forschungen. Die Firma Diehl BGT Defence
führe eine Untersuchung über »Wirksamkeit und
Einsatztauglichkeit von Liquid Taser« durch, einer
Weiterentwicklung, die nicht Drähte verschießt, sondern
leitende Flüssigkeiten verwendet. Das Institut ZEPU in Witten
beschäftige sich mit Gesundheitsgefahren und dem
»Mortalitätsrisiko«, die Gesamtkosten betragen den
Angaben zufolge rund 315000 Euro.

Die Verwendung von Tasern ist zwar bei der Bundeswehr nicht
freigegeben, es liegen aber welche in den Waffendepots. Wie viele
verrät die Regierung nicht: Die Bestandszahlen seien
»als Verschlußsache eingestuft«. Potentieller
Verwendungszweck der Taser bestehe darin, »im Rahmen
bestimmter Einsatzszenarien gewalttätige Personen im
Nahbereich auf Distanz zu halten«. Eine Einschätzung,
die ein typisch polizeiliches Szenario beschreibt, wie Jelpke
anmerkt: »Offenbar ist beabsichtigt, die Bundeswehr
künftig verstärkt gegen unbewaffnete Menschen
einzusetzen, denn darin liegt der Haupteinsatzzweck von
Tasern«, äußerte sie in einer Presseerklärung
vom Mittwoch. In Frage kämen Einsätze zur Bekämpfung
von Unruhen im Ausland, aber auch im Inland.

Das Antifolterkomitee der UNO betrachtet das auch in Deutschland
von Landespolizeien verwendete Modell »TaserX26« als
Waffe, die aufgrund ihrer starken Schmerzentfaltung »eine
Form der Folter« darstelle. Amnesty International nennt Taser
»hinterhältige Waffen«.

Ihr Export muß seit 2005 genehmigt werden, allerdings nur bei
Lieferung in Staaten außerhalb der EU. Seither gingen Taser
nach Saudi-Arabien, wo gefoltert wird, und in die Schweiz, wo sie
bei Abschiebungen verwendet werden. Zu produzierenden und
exportierenden Firmen macht die Bundesregierung keine Angaben. In
Belgien, Norwegen, Italien, Dänemark und den Niederlanden sind
die Geräte verboten.

Von Frank Brendle

Source: http://www.jungewelt.de/2009/02-19/022.php