Gipfelsoli: Redebeitrag zum Protest gegen den „12. Europäischen Polizeikongress“

Die europäische Sicherheitsarchitektur einstürzen!
Für mehr sicherheitskritisches Verhalten in Europa: Gegen NATO, G8 und die schwedische EU-Präsidentschaft 2009!

Weltweit nehmen gesellschaftliche Konflikte zu. Jüngste Unruhen wegen Nahrungsmittelpreisen, Proteste gegen steigende Energiepreise, die Klimakrise und eine zunehmende Sorge um Knappheit von Rohstoffen, aber auch immer weniger regulierbare und krisenhafte Finanzmärkte sorgen für ein Gefühl von Unsicherheit.
Die G8-Staaten wollen diese Konflikte und die Akkumulationskrise der globalen Weltwirtschaft durch marktorientierte Lösungen in den Griff bekommen, um das Wirtschaftswachstum wieder auf Kurs zu bringen. Unter Beschwörung der „Bekämpfung des Terrorismus“ wird eine fortschreitende Militarisierung vieler Lebensbereiche vollzogen. Mit neuen Kriegen öffnet sich der Kapitalismus Märkte, sichert Rohstoffe und ihre Transportwege.
Kapitalismus und Krieg bedingen einander; wer oder was nicht eingebunden und profitabel gemacht werden kann, wird bekämpft.

Für 2009 kündigen sich sicherheitspolitische Veränderungen an, deren Folgen derzeit kaum abzuschätzen sind.

Mit „zivil-militärischer Zusammenarbeit“ verschmelzen innere und äußere Sicherheit zur „gesamtstaatlichen Sicherheitsarchitektur“. Sicherheitsbehörden forcieren dafür den Begriff der „Homeland Security“, der sich am gleichnamigen Ministerium in den USA, gegründet nach dem 11. September 2001, orientiert. „Homeland Security“ organisiert sich aus Staat, Wirtschaft und Wissenschaft. „Homeland Security“ leistet damit einen Beitrag zu einer „globalen Sicherheitsarchitektur“ der Industrieländer, in die supranationale Institutionen und multilaterale Bündnisse eingebunden sind.

Anfang April trifft sich die NATO zur Frühjahrstagung in Strasbourg und Baden-Baden. Vom NATO-Gipfel in Bukarest 2008 wurden mehrere Diskussionen auf 2009 vertagt, um dort endgültige Entscheidungen über eine strategische Neuausrichtung der Allianz von gegenwärtig 26 Staaten zu treffen. Ehemalige Stabschefs der NATO haben im April das Diskussionspapier „Towards a Grand Strategy for an Uncertain World“ verfaßt, in dem eine umfassende Transformation der NATO befürwortet wird.

Innere Sicherheit („Homeland Security“) und militärische Interventionen sollen nicht mehr als getrennt voneinander betrachtet werden, sondern „fusionieren“. Einer der strategisch wichtigen Partner hierbei ist neben den USA die EU, die ihre Integration in die globale Marktwirtschaft und ihre offenen Grenzen ohne eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur nicht aufrechterhalten kann. Angestrebt wird ein „Umfassender Ansatz“ („Comprehensive Approach“), der eine Koordination von Militär, Außenpolitik, „Homeland Security“, Zivilschutz und Entwicklungshilfe vorsieht. Die NATO soll nicht mehr bloß auf Bedrohungen reagieren, sondern Risiken vorhersehen, präventiv militärisch begegnen oder in Eigeninitiative Erstschläge ausführen, um Gefährdungen erst gar nicht entstehen zu lassen.

In die gleiche Stoßrichtung zielen einige europäische InnenministerInnen mit ihren Vorschlägen zur Neugestaltung der EU-Innenpolitik. Eine vom deutschen Innenminister Schäuble 2007 initiierte „Future Group“, bestehend aus einigen europäischen Innenministern, fordert einen gravierenden Kurswechsel europäischer Innenpolitik. Europa soll „Vorreiter“ in der Reaktion auf „Sicherheit, Migration und technologische Herausforderungen“ werden.

Alle fünf Jahre beschließt die EU neue Leitlinien für die „Innere Sicherheit“ der Mitgliedsstaaten. In der zweiten Jahreshälfte 2009 unter schwedischer Präsidentschaft sollen neue Verschärfungen vollzogen werden. Im Herbst 2009 wollen die EU-Innenminister die Richtlinien für die nächsten 5 Jahre festklopfen. Es geht um noch mehr Datenaustausch, Überwachung und Kontrolle. Zukünftig sollen Satelliten und Drohnen bei der Migrationsabwehr helfen. Instituitionen wie Europol oder Frontex sollen noch mehr Kompetenzen erhalten.

In einer Gesellschaft, die durch ökonomische Umstrukturierungen die Teilung in GewinnerInnen und VerliererInnen forciert und sich auch im globalen Rahmen Gegensätze verschärfen, sind „übergreifende Ansätze“ wie der „Comprehensive Approach“ und „Homeland Security“ der Versuch, Ordnung und Sicherheit im Sinne der Kapitalverwertung mit militärischen Mitteln zu sichern.

Konflikte sind durch Zugeständnisse und Einbindung nicht mehr lösbar. Stattdessen wird globale Wettbewerbsfähigkeit und Ressourcensicherung mit der Verschärfung der Sicherheitsapparate durchgesetzt.
Die Auswirkungen davon werden im Alltag als zunehmende soziale Kontrolle, Kriminalisierung von Armut und Migrationsbekämpfung erfahren. Jeder gesellschaftliche Konflikt wird als potentielle Bedrohung angesehen.
Mit einer Politik der Angst werden Feindbilder und Bedrohungsszenarien handlungsweisend, autoritäre und militarisierte Herrschaftsstrategien legitimiert und durchgesetzt. Mehr Kontrolle, Ausbeutung und der Ausnahmezustand werden zum Normalfall.

Wir wollen einen „Summer of Resistance 2.0“ gegen die EU und NATO initiieren, der einen Höhepunkt in der schwedischen Präsidentschaft 2009 findet und an die Mobilisierung gegen den G8-Gipfel in Italien andockt.

Vernetzte und gemeinsam handelnde Soziale Bewegungen können den Sicherheitsphantasien und -strategien Grenzen setzen, um so einen Raum zu schaffen um Alternativen sichtbar werden zu lassen.

Smash we can!
Gegen NATO, G8 und die schwedische EU-Präsidentschaft 2009!
Für mehr sicherheitskritisches Verhalten in Europa!

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