Auf der Lauer

Florian Rötzer

Die "Amerikanische Mauer" zu Mexiko hat vor allem in Texas große
Lücken, hier sollen nun Internetnutzer als "virtuelle Grenzwächter"
Überwachungskameras Tag und Nacht beobachten

[heise.de] Nachdem in Mexiko die Gewalt überbordet, die Drogenbanden immer
mehr Einfluss ausüben, sich Latino-Gangs auch in den USA ausbreiten und
manche schon von der Gefahr sprechen, dass das Land zu einem "failed
state" werden könnte (Mexiko: "Narcos" auf Expansionskurs), ist in den USA das Thema der Kontrolle der Grenze zum südlichen Nachbarn seit einigen Monaten wieder akut geworden.

Der unter der Bush-Regierung geplante Sperrzaun an der 3200 km langen Grenze ist bereits weit vorangeschritten (Die Große Amerikanische Mauer).
Über 1000 km wurden bereits errichtet, die virtuelle Hightech-Mauer
(SBI-Net), auf die auch die Obama-Regierung lieber als auf die
"Amerikanische Mauer" setzte, kommt jedoch nicht voran. "P-28", das
bislang unter der Leitung von Boeing realisierte, 45 km lange
Teilstück, wies große Mängel auf. 400 Millionen flossen in dieses
Teilstück, das aus 33 Meter hohen Türmen besteht, die mit mehreren
Kameras, Radarsystemen und Sendern ausgestattet sind. Dazu wurden längs
der Grenze auch Bewegungsmelder.installiert. 3 m hohe Fußgängersperren
mit durchschnittlichen Baukosten von 3,9 Millionen Dollar pro Kilometer
gibt es bislang in einer Länge von etwa 600 km, in abgelegenen Gebieten
beschränkt man sich auf Autosperren, in manchen schwer zugänglichen
Regionen ist kein Zaun vorgesehen. Das ist in weiten Teilen von Texas
und New Mexico der Fall.

 

Nach dem Vorbild der American Border Patrol,
einer privaten Organisation, die in Arizona hilft, die Grenze zu
überwachen und dabei auch Brohnen und Überwachungskameras einsetzt, hat
der texanische Gouverneur Rick Perry bereits seit 2006 an Plänen
gearbeitet, die Grenze mit Tausenden von Überwachungskameras
auszustatten und diese von Freiwilligen über das Web kontrollieren zu
lassen (Das texanische "Virtual Border Watch Program").
Schon unter der Bush-Präsidentschaft war der republikanische Gouverneur
unzufrieden mit der Bundesregierung, was die Grenzsicherung anbelangt.
Die ersten Tests Ende 2006 waren allerdings wenig erfolgreich (Virtuelle Überwachung der Grenze).

Mittlerweile wird das im November 2008 gestartete Texas Virtual Border Watch Program von 20 County-Sheriffs des Texas Border Sheriff’s Coalition (TBSC) unterstützt und dank einer Public Private Partnership mit BlueServo
realisiert. Bislang ist dies das einzige Projekt, offenbar hofft
BlueServo auf mehr. Anscheinend hofft man auf Werbung, wenn denn einmal
viele Menschen zum pausenlosen Überwachen gefunden werden. Anlocken
will man Nutzer auch mit dem Angebot, selbst auf ihren Grundstücken
Überwachungskameras zu installieren, um so Grund und Haus zur eigenen
Sicherheit auch von anderen in der Form von "Virtual Neighborhood
WatchesSM" beobachten zu lassen.

Für 2 Millionen Dollar vom Bundesstaat Texas wurden erst einmal 15
Kameras an Stellen installiert, die dafür bekannt sind, dass hier viele
illegale Grenzübertritte stattfinden. Geplant sind 200 Kameras. Wer
will, kann über das Internet nach Anmeldung bei BlueServo als neu
ernannter "Virtual Texas DeputySM"
die Bilder auf den Kameras beobachten und die Grenzpolizei vie Email
benachrichtigen, wenn er etwas Verdächtiges bemerkt. Sheriff Arvin West
ist davon überzeugt, dass diese Art der Überwachung 2.0 erforderlich
sei, um die Kriminalität zu bekämpfen. Kritiker wenden allerdings ein,
dass die Maßnahme wenig effizient sei. Es sei gerade einmal zu drei
Verhaftungen gekommen, El Paso State Senator Eliot Shapleigh nennt es
eine Zeitverschwendung. Kritiker bezeichnen das Projekt auch als
"perkte Google-Grenze".

Bislang haben angeblich
mehr als 100.000 Internetnutzer einen Account eingerichtet, um als
virtuelle Grenzpolizisten auf die Bilder der Kameras zu starren. Nach
Don Ray, dem Direktor der Texas Border Sheriffs‘ Coalition,
interessieren sich dafür keineswegs nur Texaner, sondern man habe auch
Hinweise aus Europa oder Asien erhalten. Selbst aus einem Pub in
Australien sei die Grenze überwacht worden. Für längere Zeit dürften
sich aber selbst hoch voyeuristische Glotzer nicht zur freiwilligen
Überwachung finden lassen, wenn nicht für Abwechslung oder Ansporn
gesorgt wird. Vielleicht müsste BlueServo ja Preise ausschreiben oder
sonst etwas finden, was das Betrachten der Kamerabilder interessanter
macht, um Aufmerksamkeit zu halten. Als Geschäftsidee dürfte die
virtuelle Grenzüberwachung kaum erfolgreich sein. Und neu ist schon gar
nicht. Der Science-Fiction-Autor Neal Stephenson hatte bereits 1995 ein
ähnliches Projekt namens GlobalNeighbourhood Watch ausgebrütet – allerdings voll von Ironie.

Gouverneur Perry will dazu mit einem neuen Programm
für 130 Millionen Dollar die Grenze sicherer machen und die
transnationalen Gangs bekämpfen. Zu dem Paket von geplanten Maßnahmen
gehört auch, das Werben für Gangs oder deren Verherrlichung im Netz
unter Strafe zu stellen.

Source: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/29/29986/1.html