Studieren für die NATO

Deutsche Universitäten arbeiten immer enger mit dem Militär zusammen. Beispiele aus Karlsruhe, Potsdam und Berlin

Von Elsa Koester

[jungewelt.de] Auf dem Jubiläumsgipfel in Strasbourg hat die NATO den Ausbau zivil-militärischer Zusammenarbeit beschlossen. Hintergrund ist eine Strategie, die im Militärjargon als »vernetzte Sicherheit« diskutiert wird: In Kooperation mit zivilen Akteuren »stabilisiert« das Militär Krisenregionen und Staaten. An deutschen Universitäten ist die zivil-militärische Zusammenarbeit in Form von Militärforschung bereits Gang und Gäbe. Sie wird nun forciert – gegen noch schwache Proteste.

Die Universität Karlsruhe zum Beispiel wird gerade mit dem Forschungszentrum Karlsruhe zum »Karlsruhe Institute of Technology« (KIT) zusammengeführt. Gewerkschaften und Hochschulgruppen kämpften in den vergangenen Monaten dafür, daß eine Zivilklausel der Universität für das entstehende KIT übernommen wird: »Die Einrichtung verfolgt nur friedliche Zwecke«. Seit Anfang April liegt der Gesetzesentwurf des Landes Baden-Württemberg für Forschung und Lehre am KIT vor. Er besagt, daß der Großforschungsbereich zivilen Zwecken vorbehalten bleibt, nicht aber die universitäre Forschung.

Begründet wird die Entscheidung mit dem Wissenschaftsauftrag der Uni. Zuvor hatte der baden-württembergische Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU) verlauten lassen, daß der »Verteidigungsauftrag des Staates zur Sicherung des Friedens« beachtet werden müsse, »wozu gegebenenfalls auch die entsprechende Forschung zählt«.

Das Festhalten von Land und Rektorat an der Militärforschung ist nicht überraschend, findet sie an der Uni Karlsruhe doch seit Jahren statt: »Software Defined Radio« heißt ein Projekt, das am Institut für Nachrichtentechnik für hohe Drittmitteleinnahmen sorgt. Die Gelder kommen auch vom Militär. Geforscht wird an einer digitalisierten Funkkommunikationstechnik. Damit können die Informationen bei Kriegseinsätzen besser gebündelt werden, vor allem bei internationalen wie dem NATO-Einsatz in Afghanistan.

Die große Mehrheit der Studierenden hat sich bei einer Urabstimmung im Januar für einen Verzicht auf Militärforschung am gesamten KIT ausgesprochen. Auf jW-Nachfrage bestätigte Benjamin Setzer, Außenreferent des Karlsruher AStA: »Das Votum der Urabstimmung war eindeutig. Die Zivilklausel muß für das gesamte KIT und damit auch für die Uni gelten«. Es müsse nun darum gehen, den Beschluß durchzusetzen.

Die Unileitung allerdings hält die Diskussion um die Zivilklausel mit dem Gesetzesentwurf für beendet. Es habe sich eigentlich nichts geändert, deshalb sei man zu keiner weiteren Stellungnahme bereit, hieß es aus der Pressestelle.

Die bestehende Praxis universitärer Militärforschung in der BRD spricht gegen einen erfolgreichen antimilitaristischen Vorstoß in Karlsruhe. Eine Bundestagsanfrage der Linksfraktion ergab Ende letzten Jahres, daß in der BRD an 40 Hochschulen Forschung für die Bundeswehr betrieben wird. Finanziert wird diese nicht etwa aus dem Verteidigungsetat, sondern durch Forschungsgesellschaften und das Umwelt-, Gesundheits- und Entwicklungsministerium.

So auch der »Sonderforschungsbereich »SFB 700 – Governance in Räumen begrenzter Staatlichkeit«, der in den vergangenen Monaten für Proteste an der Freien Universität (FU) Berlin sorgte. In insgesamt 19 »Clustern« wird hier erforscht, was NGOs und andere zivile Akteure zur Herstellung von Herrschaftsstrukturen in sogenannten »zerfallenen« oder »schwachen« Staaten wie Afghanistan, Kongo oder Südafrika beitragen können. Finanziert wird das ganze von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Federführend ist die FU, beteiligt sind die Uni Potsdam, das Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) und die Hertie School of Governance.

Einen Schwerpunkt dieses SFB 700 an der FU bilden Feldstudien in Afghanistan. Die Wissenschaftler arbeiten dabei auch direkt im Auftrag des Verteidigungsministeriums. Jan Koehler und Christoph Zürcher, beide Leiter von SFB-700-Projekten, erstellten im Auftrag des BMVg die Studie »Quick Impact Projects in Northafghanistan« zur zivil-militärischen Zusammenarbeit bei Infrastrukturprojekten.

An der Uni Potsdam übrigens wird die Wissenschaft im Masterstudiengang »Military Studies« völlig offen in die Belange der Bundeswehr eingebunden. Der Stu­diengang wurde 2007 als gemeinsames Projekt des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr, des Militärgeschichtlichen Forschungsamts der Bundeswehr und des Instituts der Soziologie der Uni Potsdam gegründet. In vier Semestern sollen die Studierenden hier »die Themenfelder Militär, Krieg und organisierte Gewalt« kennenlernen (Website des Instituts). Die meisten Dozenten werden von Bundeswehreinrichtungen gestellt.

»Militärforschung an den Hochschulen wird zunehmend als rentables Zukunftsprojekt gesehen. Die Unis sichern sich damit Drittmittel, was vor allem für die geschwächten Studiengänge der Sozialwissenschaften ein gewichtiges Argument ist«, erklärt eine Aktivistin der Protestgruppe »Wider den SFB 700« in Berlin, die anonym bleiben möchte. Daß die Militärforschung an Unis seit Beginn der Exzellenzinitiative boomt, sei es kein Zufall. Der Elitewettbewerb habe die Konkurrenz unter den Unis verschärft und die Privatisierung der Forschung weitergetrieben. Auch in Karlsruhe fand die Zusammenlegung von Forschungszentrum und Uni im Rahmen der Exzellenzinitiative statt – und wurde 2006 mit dem Elitestatus belohnt.

Unter den Studierenden regt sich der Protest erst langsam. In Karlsruhe blieb es bisher bei der Urabstimmung und einigen Presseerklärungen. An der FU Berlin wird versucht, auf Info-Veranstaltungen und in einer Broschüre über den SFB 700 zu informieren. Doch die studentischen Antimilitaristen sind ernüchtert: »Der Protest läuft kaum an, denn selbst als links geltende Profs sind in den SFB 700 integriert. Da ziehen viele Studis lieber den Kopf ein«.

Source: http://www.jungewelt.de/2009/04-16/002.php