Das »Gemeinsame Analyse- und Strategiezentrum Illegale Migration« soll »bedrohliche Migrationsentwicklungen« erkennen und bekämpfen. Die Zusammenarbeit von Polizei und Nachrichtendiensten in der Institution wird mittlerweile sogar vom Bundesdatenschutzbeauftragten kritisiert.
von Till Grefe
[jungle-world.com] Thomas Spang zeigte sich stolz auf seine Arbeit. »Die Bundespolizei kann im Verbund mit ihren Partnern von Bund und Ländern sehr schnell auf illegale Migrationsbewegungen reagieren. Dabei richten sich diese Maßnahmen vorrangig auf die Identifizierung von Schleusern und kriminellen Netzwerken.« Spang leitet die Abteilung der Bundespolizei im »Gemeinsamen Analyse- und Strategiezentrum Illegale Migration« (Gasim) – einem Verbund von Behörden, in dem seit drei Jahren die Polizei mit den Nachrichtendiensten zusammenarbeitet.
Im November 2008 nahm er an dem Symposium »Migration als Herausforderung der vernetzten Sicherheit« der Bundesakademie für Sicherheitspolitik teil. Auf der Homepage der nach eigenen Angaben »höchstrangigen, ressortübergreifenden Fortbildungsstätte des Bundes im Bereich der Sicherheitspolitik« findet man auch den Wortlaut von Spangs Referat. »Wenn im Rahmen des Symposiums von vernetzten Strukturen gesprochen wird und viele Informationen in Migrationsnetzwerken ausgetauscht und gesteuert werden, liegt es auf der Hand, dass deutsche Sicherheitsbehörden auch den Weg der Bildung von Netzwerkbeziehungen einschlagen«, führte Spang aus. »Neben seiner strategisch-analytischen Aufgabe, die es vornehmlich durch die Erstellung von Lagebildern und -berichten wahrnimmt«, habe das Gasim auch »eine Frühwarnfunktion hinsichtlich der Feststellung von bedrohlichen Migrationsentwicklungen für Deutschland«, sagte er.
Seit dem Mai 2006 gibt es das Gasim. Der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen zufolge kamen 2007 täglich 40 Beamtinnen und Beamte der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts (BKA), des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, des Bundesnachrichtendienstes (BND) und je nach Anlass auch des Auswärtigen Amtes und des Bundesamts für Verfassungsschutz in verschiedenen Arbeitsgruppen im Gasim zusammen.
Die Kooperation der Behörden in der Institution läuft aber nicht ohne Konflikte ab. Das ARD-Magazin »Report Mainz« berichtete im September 2008 über ein Schreiben des BKA an das Bundesinnenministerium, in dem die Polizeibehörde rechtliche Bedenken gegen das Gasim anmeldete und das Ende ihrer Mitarbeit in einer Arbeitsgruppe bekanntgab, dem »Forum 7 – Operative Maßnahmen im Zusammenhang mit illegaler Migration«. Die »Bearbeitung beliebiger operativer Einzelsachverhalte im Gasim«, war in dem Schreiben als Begründung zu lesen, »verletzt die gesetzliche Zuständigkeit des BKA«. Zudem äußerte sich ein anonymer Informant in der Sendung: »Zum Teil werden die Informationen des Bundesnachrichtendienstes einfach auf den Schreibtischen der Polizei abgelegt, der Polizist recherchiert dann in den eigenen Datensystemen zu diesen Personen.«
Diese Vorwürfe bestätigt mittlerweile auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar. In seinem Bericht an den Innenausschuss des Bundestages vom 25. Mai schreibt er, er habe während des Kontrollbesuchs im Gasim im November 2008 »eine Vielzahl sehr kritisch zu beurteilender Sachverhalte festgestellt«. Im Forum 7 seien beispielsweise die rechtlichen Bedingungen für die Weitergabe von Informationen durch die Bundespolizei an den Verfassungsschutz nicht erfüllt gewesen. »Rechtswidrig mangels Rechtsgrundlage sind auch die Datenübermittlungen der Bundespolizei an den BND.« Die Weitergabe von Daten seitens der Finanzkontrolle Schwarzarbeit an den BND, das BKA, den Verfassungsschutz oder auch den Militärischen Abschirmdienst sei nur im Einzelfall auf Ersuchen zulässig, auch die Datenübermittlung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge an den BND hätte unterbleiben müssen.
Zudem habe im Forum 4 (»Nachrichtendienstlich-taktisch-strategische Lage«) der dieses Gremium leitende BND »von ihm erstellte operativ-taktische Berichte – mit zum Teil umfänglichen personenbezogenen Daten – ausnahmslos an alle Kooperationspartner übermittelt«. Für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit seien die BND-Berichte irrelevant gewesen. Für die Weitergabe an den Verfassungsschutz habe dessen »Kompetenz zur Beobachtung der (organisierten) Schleuserkriminalität« gefehlt, schreibt Schaar. Und die »Übermittlung personenbezogener Daten durch das BKA im Zusammenhang mit vom BND gegebenen operativ-taktischen Hinweisen zur Schleuserszene begegnet ebenfalls erheblichen datenschutzrechtlichen Bedenken.«
Auch Landesbehörden arbeiten mit dem Gasim zusammen. Manfred Schmidt von der »Gemeinsamen Ermittlungsgruppe Schleuser« in Baden-Württemberg sagt der Jungle World: »Wir sind eine ähnliche Dienststelle wie das Gasim. Wir konzentrieren uns auf Ermittlungsverfahren. Das Gasim konzentriert sich eher auf Lagebilder.« Auf die Frage zu Verbindungen der Ermittlungsgruppe zum Gasim gibt Schmidt an: »Polizeilicherseits bestehen immer Verbindungen.« Zwischen dem BKA und dem LKA Baden-Württemberg existiere ein »intensiver Austausch«, was Schleusungskriminalität betreffe. »Da besteht eine sehr gute Zusammenarbeit. Mal kommen die Informationen vom BKA und manchmal auch direkt vom Gasim. Wir liefern Informationen für Lagebilder des Gasim.« Angesichts der allseitigen Zusammenarbeit wird vor allem klar: Das Trennungsgebot von Polizei und Geheimdiensten, das die West-Alliierten in ihrem so genannten Polizeibrief vom April 1949 für die Bundesrepublik vorschrieben, wird im Gasim aufgehoben.
»Kein Parlamentarier hat Ahnung, was da eigentlich abläuft«, sagt dazu Volker Maria Hügel vom Flüchtlingsrat NRW. Das sei schon bei der EU-Migrationspolitik der achtziger Jahre so gewesen und nun bei Gasim und Frontex ähnlich. Für Hügel ist der Umgang des Gasim mit Migrantinnen und Migranten nichts Neues: »Es ging früher um Überwachung und Registrierung, und es geht heute um Überwachung und Registrierung. Der Ausländer ist in Deutschland ein ordnungsrechtliches Problem. Wir haben seit Jahrzehnten ein Ausländerzentralregister, das Gesetz dazu ist aus den achtziger Jahren.«
Manchmal erkennen aber sogar deutsche Gerichte an, dass auch Fluchthelfer Menschen vor Verfolgung retten können. Das Amtsgericht Düsseldorf bestätigte im Dezember 2008 den Asylanspruch eines über die Türkei aus dem Iran geflüchteten Oppositionellen: »Wer wie der Kläger von staatlichen Stellen gesucht wird, erscheint auf einer den Grenzstellen vorliegenden Ausreiseverbotsliste.« Um einer drohenden Festnahme zu entgehen, benutzten gesuchte Personen »deshalb zumeist gefälschte, auf die Namen anderer Personen ausgestellte Papiere, die ihnen von Fluchthelfern gegen entsprechende Bezahlung beschafft worden sind«.
Was für die Flüchtlinge die Rettung vor Haft, Folter und Tod sein kann, ist jedoch nicht nur für die Behörden im Gasim ein Netz aus Kriminalität und Gefahr. »Die Polizeien von Bund und Ländern reagieren oftmals mit der Einrichtung von speziellen Ermittlungsgruppen, in deren Fokus nicht der Migrant als Mensch, sondern die Zerschlagung der im Hintergrund agierenden Schleusernetzwerke steht«, sagte Thomas Spang auf dem Symposium der Bundesakademie für Sicherheit.