[futurezone.orf.at] Die Polizei hat ein neues Ermittlungswerkzeug: den automatischen Schuhsohlenvergleich per Computer. Bisher musste der Vergleich dieser Spuren händisch durchgeführt werden. Das neue System ist seit heuer in allen Bundesländern verfügbar. Darüber berichtete das Magazin des Innenministeriums "Öffentliche Sicherheit" in seiner jüngsten Ausgabe.
Schuhspuren sind demnach für eine erste Abklärung an einem Tatort sehr effektiv. Denn dorthin muss jeder Straftäter zumindest auf den letzten Metern zu Fuß gehen. Die Muster der Schuhsohlen sind mannigfaltig, bleiben über einige Zeit unverändert und sind rasch auswertbar. Zudem hindert der hohe "Arbeitsdruck" die Kriminellen daran, für jeden Tatort andere Schuhe zu tragen.
Oft ergeben sich auch bei der Aufarbeitung der einzelnen Tatorte aus der Kombination von Schuhabdrücken, Material- und Werkzeugspuren, Fingerabdrücken sowie DNA-Spuren Erkenntnisse, die es erlauben, Lücken in den Beweismitteln zu schließen und verschiedene Straftaten einer Serie zuzuordnen.
Sammlung auf Papier
Doch bisher wurden sichergestellte Sohlenabdrücke nur auf Papier festgehalten und gesammelt. Der zuständige Sachbearbeiter musste ein gutes Auge und Gedächtnis für alle Formen haben, um damit zur Klärung von Straftaten beitragen zu können. Das wurde durch die steigende Zahl von Schuhabdrücken immer schwieriger. Später gab es ein erstes Computerprogramm, das aber zahlreiche "Kinderkrankheiten" aufgewiesen haben soll.
Jetzt kommt ein von einem Kriminaltechniker und einer Software-Firma in Tirol entwickeltes Computerprogramm "Schuhvergleichs-Technologie" (SchuVT) zum Einsatz. Die auf Folien sichergestellten Abdrücke werden über eine Kamera in das System importiert, auch per E-Mail übermittelte Fotos können eingespeist werden. Anschließend erfolgt im Polizeirechner eine Klassifizierung nach 15 Gruppen, die bis zu acht Untergruppen aufweisen, und das Abspeichern zusammen mit den Daten der Tat.
Auf leisen Sohlen
Zusätzlich werden die Sohlen bekannter Täter im Computer abgelegt. Jeder neu eingespeicherte Abdruck wird mit den bereits vorhandenen verglichen. Die dabei festgestellten Übereinstimmungen werden automatisch ausgeworfen und dann vom Sachbearbeiter noch einmal "händisch" überprüft.
In Tirol ist es damit gelungen, mehrere Einbruchserien zusammenzuführen. In einem Fall gelang es, durch die Kombination von Schuhsohlenabdrücken und Werkzeugspuren insgesamt 47 Straftaten einer Tätergruppe zuzuordnen, was auch in eine Verurteilung mündete. In einem anderen Fall wurde eine in Verdacht geratene Person entlastet, weil das System festgestellt hatte, dass es zwar zwischen ihren Schuhsohlen und einer Spur am Tatort gewisse Ähnlichkeiten, aber doch geringfügige Unterschiede gab. Sie wäre sonst in Untersuchungshaft genommen worden. Auch in Oberösterreich berichten die Kriminalisten von zahlreichen Erfolgen durch Vergleiche von Schuhabdrücken.
Als ehemaliger Kriminaltechniker, Entwickler und Sachverständiger habe ich auf dem im Artikel beschriebenem Gebiet sehr viele Jahre gearbeitet. Dem Tiroler Entwicklungsteam möchte ich aus meiner Sichtweise für die Entwicklung eines automatischen Schuhsohlenvergleichs gratulieren. Nach der Beschreibung ist es dem Team gelungen, ein effizienteres Verfahren zur Täterfeststellung mittels Schuhspuren für die KPU`s zu entwickeln und damit die zeitaufwendige manuell betriebene Karteikasten-Arbeitsweise abzulösen. Die dadurch erreichte Zeiteinsparung kann jetzt für die beschleunigte Vorgangsbearbeitung eingesetzt werden, um die Aufklärungsquote zu erhöhen. Im östlichen Teil Deutschlands begann man in den 60-ziger Jahren mit dem Anlegen und dem Vergleichen von Schuhspuren-Sammlungen. Aufgrund der Aufklärungserfolge wurde die Arbeitsmethode weiter entwickelt und ein Katalog (lose Blattsammlung)über Schuhbe- sohlungsmaterialien für alle Polizeidienststellen für die Vergleichsarbeit sowie Beschaffung von Vergleichsmaterial zur Verfügung gestellt. Der Katalog wurde laufend ergänzt und hatte 1989 einen Umfang von größer als 1000 Blatt. Auf der Vorderseite des Katalogblattes befand sich das Sohlenmuster mit der Klassifizierungs-Nr. und auf der Rückseite der Oberbau des Schuhes. Zusätzlich zum Katalog befanden sich in der Leitstelle noch 2500 Arbeitskarteien mit unterschiedlichen Sohlenprofilen. Der Suchprozess mit dem manuell geführten Karteikastensystem nahm so viel Zeit in Anspruch, so dass es nicht mehr vertretbar war, diese Arbeiten so fortzuführen. Daraufhin wurde das rechnergestützte Programm CIS (Dr. Ulf Pillat/Kurras) entwickelt und 1988 in die Praxis eingeführt. Das Programm CIS (computergestützte Interpretation von Schuhspuren) wurde in den Präsidien des Landes Brandenburgs bis 2006 und im LKA Brandenburg bis zum Jahre 1996 genutzt. 1996 wurde das CIS Programm von Schars (GFaI Berlin Adlershof -feist@gfai.de-) abgelöst. Schars wurde von der GFaI mit den Mitarbeitern vom LKA Brandenburg (Marquardt/Kurras) auf der Grundlage von CIS entwickelt und wird gegenwärtig von mehreren Ländern in Deutschland genutzt. Ähnliche Programme werden mit unterschiedlichen Klassifizierungssystemen auch in der Schweiz, Großbritannien und in Deutschland angewendet. Besondere Aufmerksamkeit sollte künftig auf die vollautomatische Mustererkennung von Sohlenprofilen gelegt werden und die Installation eines Referenzmuster-Tools mit länderübergreifendem Zugang. Abschließend sei erwähnt, dass sich Schars im Land Brandenburg seit 2007 als landesweit zugriffsfähiges Web-System im Einsatz befindet, was bundesdeutsch bisher einzigartig ist.
Günther Kurras