[datenschutz.de] Der Leiter des Unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz
Schleswig-Holstein (ULD), Dr. Thilo Weichert, hat sich in einem
Schreiben an den Chief Enterprise Officer (CEO) von SWIFT, Lázaro
Campos, gewandt mit der Aufforderung, Herausgabebegehren von Daten an
die USA nicht zu folgen. Über die Society for Worldwide Interbank
Financial Telecommunication (SWIFT), deren Hauptsitz in La Hulpe in
Belgien liegt, wird weltweit der internationale Zahlungsverkehr von
Banken abgewickelt. US-Behörden hatten nach dem 11.09.2001 damit
begonnen, verdachtsunabhängig Daten dieses Zahlungsverkehrs auszuwerten,
um Erkenntnisse über die Finanzierung des Terrorismus zu erlangen. Hier
machten sie sich den Umstand zunutze, dass sich ein Datenzentrum von
SWIFT, in dem sämtliche Transaktionsdaten gespiegelt wurden, in den USA
befand. Nachdem dies bekannt und öffentlich stark kritisiert wurde,
verlegte SWIFT dieses Datenzentrum zum Jahreswechsel 2009/2010 in die
Schweiz, so dass den US-Behörden kein direkter Datenzugriff mehr möglich
ist.
Daraufhin vereinbarte der Rat der Europäischen Union (EU) am 30.11.2009
mit den USA, den US-Behörden auf Anfrage die Daten für dessen „Terrorist
Finance Tracking Programme“ (TFTP) weiterhin zur Verfügung zu stellen.
Dieses Abkommen wurde trotz der Kritik u.a. aus dem Europaparlament, aus
der deutschen Bundesregierung sowie der Konferenz der deutschen
Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder am 30.11.2009
geschlossen. Gemäß einer ausführlichen Stellungnahme des ULD zu dem
Abkommen unterschreitet dieses Abkommen selbst niedrigste
Datenschutzstandards und verstößt in eklatanter Weise gegen das
Grundrecht auf Datenschutz, so wie es in der deutschen Verfassung sowie
seit dem 01.12.2009 in der Europäischen Grundrechtecharta garantiert wird.
In dem Schreiben an den CEO von SWIFT weist Weichert darauf hin, dass
das Abkommen zwar völkerrechtlich zustande gekommen sein mag, aber keine
wirksame Rechtsgrundlage schafft, um in die Grundrechte von SWIFT, der
Banken und vor allem der Bankkundinnen und Bankkunden einzugreifen.
Daher sei SWIFT weder verpflichtet noch berechtigt, auf Ersuchen der
belgischen zentralen Behörde Transaktionsdaten, die auch von
schleswig-holsteinischen Banken stammen können, weiterzugeben.
Inzwischen hat auch das deutsche Bundeskriminalamt (BKA) festgestellt,
dass die Datenübermittlung in die USA keinen effektiven Beitrag zur
Terrorismusbekämpfung darstellt.
Weichert: "Es ist erschreckend, welches Grundrechtsbewusstsein vom
EU-Rat an den Tag gelegt wird und wie das Europäische Parlament und die
nationalen Parlamente bisher ausgebremst wurden. Das noch keine zwei
Monate geltende `Grundrecht auf Datenschutz´, das wir heute europaweit
feiern, wird zum Papiertiger degradiert. Diese Erfahrung lässt das
Schlimmste befürchten in Bezug auf das Stockholmer Programm, wonach
weitere Datenerhebungen und -auswertungen für Sicherheitszwecke
vorgesehen sind. Soeben wurde bekannt, dass das US-amerikanische FBI
sich unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung Daten beschaffte, um
diese für andere Zwecke zu missbrauchen. Von Anfang an befürchtete die
Wirtschaft in Europa, dass mit der Auswertung der Transaktionsdaten auch
Wirtschaftsspionage für die USA betrieben wird. Es ist nun zu hoffen,
dass die Verantwortlichen von SWIFT das nötige Rückgrat haben, um die
Datenherausgabe zu verweigern, und dass das Europäische Parlament dem
bösen Treiben ein Ende bereitet. Die Verweigerung der Daten gegenüber
den USA ist rechtlich geboten."