Zum Auftakt des Polizeikongresses äußert sich Staatssekretär Schröder
zu Afghanistan und EU-Sicherheitspolitik. CCCler des Kongresses
verwiesen. Mehrere Anschläge im Vorfeld des Kongresses.
[taz.de] Aktuell findet in Berlin
der Europäische Polizeikongress statt. Bei der Eröffnung sprach
Innen-Staatssekretär Ole Schröder vor rund 1.600 Experten aus mehr als
60 Ländern. Ein IT-Sicherheitsexperte wurde wegen seiner Mitgliedschaft
im Chaos Computer Club (CCC) des Kongresses verwiesen.
Im Vorfeld des Kongresses hat es mehrere –
möglicherweise politisch motivierte – Anschläge gegeben. Bei der
Stiftung Wissenschaft und Politik explodierten in der Nacht zum
Dienstag vier Gaskartuschen, bereits am Wochenende war eine
Farbbeutelattacke auf die IT-Sicherheitsfirma rola in Berlin-Mitte
verübt worden, es existiert ein Bekennerschreiben.
Zum Auftakt des Kongresses räumte Staatssekretär Schröder Probleme bei
der Polizei-Ausbildung in Afghanistan ein. Materielle Not und
Korruption erwiesen sich als Hindernis bei der Polizeiausbildung.
Trotzdem werde die Zahl der deutschen Ausbilder von 123 auf 200
aufgestockt. Als "realistisches Ziel" nannte Schröder, in den kommenden
drei Jahren 15.000 Polizisten zusätzlich auszubilden. "Die
Bundesregierung entzieht sich nicht ihrer Verantwortung für das
geschundene Land", erklärte Schröder. Aber die Taliban-Bekämpfung sei
"keine Aufgabe, an der sich deutsche Polizisten operativ beteiligen".
Die EU-Pläne zur systematischen Weitergabe
von Fluggastdaten an Terrorfahnder will die Bundesregierung prüfen.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hatte
beim Treffen der EU-Justizminister im spanischen Toledo im Januar zur
Zurückhaltung bei diesem Projekt gemahnt. Hierzu sagte Ole Schröder,
man werde sich den Entwurf der EU-Kommission vor allem hinsichtlich der
geplanten Speicherdauer der Daten genau ansehen. Nun sei erst einmal
die EU-Kommission am Zuge, einen "vernünftigen Vorschlag"
auszuarbeiten.
"Absolute Sicherheit kann es in einem freien Land nicht geben."
Zur Terrorbekämpfung in Europa erklärte der
CDU-Politiker weiter: "Absolute Sicherheit kann es in einem freien Land
nicht geben." Auch dürfe das technisch Machbare nicht in jeden Fall
eingesetzt werden. So lehne das Bundesinnenministerium Nacktscanner
strickt ab, nicht aber Körperscanner, die kein Bild vom Körper
erstellen. Auf jeden Fall müsse der Schutz der Intimsphäre
gewährleistet sein.
Rauswurf wegen CCC-Mitgliedschaft
Wegen seiner Mitgliedschaft im Chaos Computer
Club ist ein IT-Sicherheitsexperte vom Polizeikongresses verwiesen
worden. Begründet wurde der Rausschmiss mit dieser Indymedia-Meldung,
gepostet von "Autonomen Hackern". Darin wird behauptet, dass der CCC
"an neujahr das berliner Congress Center verkabelt" und "verwanzt"
hätte.
Weiter in der eher kruden Meldung wird die
EU-Sicherheitspolitik kritisiert und dazu aufgerufen, bei einer
Demonstration am 2.Februar "den hass auf die Straße zu tragen". Dazu
sagt der empörte CCCler: "Ich finde es skandalös, daß eine anonym auf
indymedia gepostete Meldung, die noch nicht einmal vorgibt, vom CCC zu
stammen, Anlaß ist, uns in eine extremistische Ecke zu rücken". Es
dürfe nicht sein, dass die CCC-Mitgliedschaft "Grund für eine
Behinderung der Berufsausübung" sei.
Brandanschlag auf Stiftung Wissenschaft und Politik
Möglichwerweise sind die Organisatoren des
Polizeikongresses nervös, weil es in der Nacht zu zwei Anschlägen
gekommen ist. Auf das Gebäude der Stiftung Wissenschaft und Politik
wurde am Dienstagmorgen ein Brandanschlag verübt, teilte die Polizei
mit. Dabei seien vermutlich mehrere Gaskartuschen explodiert. Reste
davon seien entdeckt worden, nachdem die Flammen gelöscht waren.
Verletzt wurde niemand. Der Polizeiliche Staatsschutz ermittelt, da
politische Motive hinter dem Anschlag vermutet werden. Die renommierte
Stiftung erstellt politische Analysen auch für den Bundestag.
Gemeldet wurde am Dienstagmorgen auch ein Farbbeutel-Anschlag auf ein Bürogebäude der Sicherheitssoftware-Firma rola
in Berlin-Mitte. roia vertreibt Software, mit der sich an Hand von
Daten, zum Beispiel Telekommunikationsdaten und Bankbewegungen, soziale
Netzwerke analysieren lassen.
Bekennerschreiben veröffentlicht
Die Gruppe "die aufständigen " begründet die Aktion
gegen rola damit, dass diese "ein wichtiges standbein in der
zusammenarbeit der wirtschaft mit den sicherheitsbehörden in der
technischen aufrüstung der eu-staaten" wäre. Man werde auch in den
kommenden Monaten weitere Aktionen dieser Art durchführen, "gerade
auch aus der notwendigkeit heraus, dass diese treffen lieber im stillen
und geheimen und ohne viel öffentlichkeit abgehalten werden".
Wie auch beim Angriff auf die Stiftung
Wissenschaft und Politik übernahm auch in diesem Fall der Polizeiliche
Staatsschutz die Ermittlungen.
Source: http://www.taz.de/1/politik/schwerpunkt-ueberwachung/artikel/1/knackpunkt-eu-sicherheitspolitik/