Über die „Normalität“ von Repression und Möglichkeiten des (kollektiven) Umgangs damit
[malmoe.org] Interview mit einem der AktivistInnen der Basisgruppe Tierrechte (BAT), die ab März im §278a-Verfahren in Wr. Neustadt vor Gericht stehen. Die BAT ist seit Jahren für die Befreiung der Tiere politisch aktiv; unter anderem im Rahmen der internationalen Kampagne „Offensive gegen die Pelzindustrie“.
Wie hat sich dein Leben seit den Verhaftungen am 21. Mai 2008 verändert?
Kurz gesagt, es gibt nur noch das eine Thema in meinem Leben. Es gibt mittlerweile kaum was, das nichts damit zu tun hat.
Welchen Eindruck hat die Zeit im Knast bei dir hinterlassen?
Die ersten Eindrücke sind auch lange geblieben. Mich hat die Zeit darauf gestoßen, dass sich im Gefängnis die Verhältnisse, die es in der Gesellschaft gibt, reproduzieren, nur eben total verschärft. Rassismus oder soziale Schichten sind dort extrem ausgeprägt. Im Knast sind größtenteils Leute mit Migrationshintergrund und vor allem arme Leute. Das liegt daran, dass sie sich oft keine gute anwaltliche Vertretung leisten können, weil oft ist es so: Je billiger Anwälte sind, umso weniger Mühe machen sie sich und desto schneller landet man natürlich im Knast. Mir ist noch klarer geworden, dass das Gefängnis keine Lösung für gesellschaftliche Probleme ist. Das ist einfach nur eine Zeit, die Leute absitzen, um sich danach wieder in der gleichen oder in einer schlimmeren Situation zu finden wie vorher.
Was bedeutet es für dich, so lange mit Überwachung konfrontiert gewesen zu sein?
Ich finde es auch zwei Jahre nach den Verhaftungen sehr schwer, normal zu leben. In vielen Situationen fällt mir ein, dass ich beobachtet werden könnte, mitgeschnitten werden könnte, was ich gerade rede oder mache oder sage. Im Grunde empfinde ich es als eine Bedrohung für meine Sicherheit, ständig überlegen zu müssen, wie dieses oder jenes ausgelegt werden könnte. Man soll sich von der Paranoia zwar nicht auffressen lassen, aber das ist nicht etwas, von dem man so einfach abschalten kann. Man kann das vielleicht nachvollziehen, wenn man daran denkt, dass sogar Beziehungsgespräche am Telefon als Druckmittel genutzt wurden, um Aussagen von PartnerInnen der Inhaftierten zu bekommen.
Hat diese Repressionserfahrung deinen Alltag und/oder deine politische Aktivität verändert?
Der Alltag hat sich ziemlich geändert. Seit zwei Jahren ist die Beschäftigung damit ein Schwerpunkt im Leben, nach dem man alles anordnet – sowohl den politischen Aktivismus als auch Privates. Wir sind größtenteils mit Prozessvorbereitung und Öffentlichkeitsarbeit beschäftigt. Da bleibt für andere Sachen wenig Zeit. Was die Tierrechtsarbeit betrifft stehe ich noch immer zu Kampagnen, weil ich finde, dass sie eine wichtige politische Handlungsperspektive sind. Nach wie vor beteiligt sich unsere Gruppe an Anti-Pelz-Kampagnen und wird das auch weiterhin tun. Abgesehen davon sehe ich den Kampf gegen Repression als Weiterführung unserer politischen Arbeit. Soziale Bewegungen haben immer Konfrontationen mit dem Staat gehabt, das ist historisch gesehen quasi eine Normalität.
Was sind für dich Vorteile von Kampagnenarbeit?
Ein Vorteil ist, dass man kontinuierlich an bestimmten Themen arbeitet und sich überlegt, wie man langfristig auch radikale Forderungen durchsetzen kann. Besonders als kleine Gruppe ist es eine Möglichkeit, Einfluss auf Vorgänge zu haben, die sonst völlig unerreichbar sind. Es ist einfach eine kollektive und internationale Handlungsmöglichkeit, die uns erlaubt, mit vielen anderen politischen Gruppen gemeinsam ein Ziel zu verfolgen und dabei mit verschiedenen Mitteln an verschiedenen Punkten anzusetzen.
Was bedeutet der Prozess insgesamt für euch?
Die Drohung von bis zu fünf Jahren Knast und eine Vorstrafe nimmt man nicht so locker hin. Diejenigen von uns, die jetzt Arbeit haben, werden sie wegen dem Prozess aufgeben müssen, weil es einfach nicht möglich ist, neben 2-3 Prozesstagen pro Woche und der Vorbereitung dafür Vollzeit zu arbeiten. Selbst geringfügig stelle ich mir schwer vor. Außerdem gehen wir davon aus, dass wir verschuldet aus dem Ganzen rausgehen. Allein für die ersten 34 Prozesstage schätzen wir die Kosten auf 100.000 Euro pro Anwalt/Anwältin. Diese Kosten kriegt man selbst dann nicht zurück, wenn man freigesprochen wird. Allein vor Gericht zu stehen, egal, ob man verurteilt wird oder nicht, ist schon finanziell ruinös.
Wie bereitet ihr euch auf den Prozess vor?
Für uns war und ist es wichtig, eine gewisse Handlungsfähigkeit beizubehalten. Das heißt natürlich, sich inhaltlich sehr gut vorzubereiten. Wir müssen die umfangreichen Akten und die Vorwürfe kennen und uns juristisch mit dem Thema beschäftigen. Entscheidend ist auch, den AnwältInnen klar zu machen, dass man das als Gruppe durchziehen will. Das ist oft nicht so leicht, weil sie normalerweise darauf ausgerichtet sind, „ihre“ Leute rauszuboxen und damit eher auf eine Person fixiert sind. Man muss eine kollektive Prozessstrategie erarbeiten; und zwar unabhängig von Spekulationen über den Ausgang des Ganzen. Das erweitert den eigenen Handlungsspielraum.
Welchen Umgang mit der Polizei kannst Du aus deiner Erfahrung empfehlen?
Das Wichtigste bei mir war die Aussageverweigerung. Damit habe ich das Gefühl, dass zumindest das noch privat ist, was in meinem Kopf ist. Natürlich ist es aus juristischen Gründen gut, die Aussage zu verweigern: Man hat das Recht dazu und sollte sich vorher mit den Vorwürfen auseinandersetzen und mit AnwältInnen reden, bevor man irgendeine Aussage macht. Aber ganz abgesehen davon macht Aussageverweigerung politisch Sinn, weil ich natürlich nicht mit Behörden zusammenarbeite, die mich und meine Freude kriminalisieren und in den Knast stecken!
Welche Rolle haben verschiedene Formen von Solidarität seit den Verhaftungen?
Am Anfang war die öffentliche Wahrnehmung und Solidarität sehr groß. Es haben sich sehr viele Gruppen und Individuen mit uns solidarisiert, mit denen wir gar nicht gerechnet haben. Mittlerweile hat die Solidarität leider etwas abgenommen und wir können nur hoffen, dass der Fall mit Prozessbeginn wieder an Präsenz gewinnt. Für uns war es immer extrem wichtig, zu merken, dass wir mit all dem nicht allein sind. Immerhin geht es ja auch nicht nur um uns, sondern um eine Bedrohung von politischem Aktivismus in Österreich. Spätestens wenn soziale Bewegungen wirtschaftliche Interessen in Frage stellen, ist Repression nicht weit. Deswegen fordern wir auch dazu auf, dass sich politische AktivistInnen dazu positionieren. Die Schwelle, ab der es Repression gibt, ist nie so klar sondern bleibt immer umkämpft.
Was ist deine Motivation, dich für die Befreiung der Tiere einzusetzen?
Für mich spricht der Umgang mit Tieren in unserer Gesellschaft eigentlich für sich: Millionen werden industriell gezüchtet und für ihr Fleisch geschlachtet oder lebenslang für Produkte wie Eier oder Milch eingesperrt. Tiere werden einzig auf ihren wirtschaftlichen Nutzen reduziert. Männliche Kücken etwa werden gleich nach ihrer Geburt umgebracht, weil sie keine Eier legen; genauso wie alle anderen, die keinen Gewinn abwerfen.
Wenn man sich bewusst macht, dass die davon betroffenen Tiere alle Individuen sind, alle ihre Eigenheiten haben, auch Wünsche und spezielle Bedürfnisse, da stellt sich mir eher die Frage, warum sich so wenige für die Freiheit von Tieren einsetzen. Ich denke, das hat mit der ideologischen Untermauerung der Tierausbeutung zu tun.