3,4 Meter lang, maximal 200 Kilo Abfluggewicht und dieser Tage extrem unbeliebt: Das ist die autonome Drohne Camcopter S-100 der österreichischen Firma Schiebel.
Innsbruck, Wien – Hans Georg Schiebel, Erfinder der autonomen Drohne Camcopter S-100, spricht im TT-Interview über seine Erfindung und erklärt, warum Hoffnung einer der Motoren für sein Libyen-Geschäft war.
Herr Schiebel. Sie und Ihre Firma sind wegen eines Geschäfts mit Libyen ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Was ist dran an der Kritik, die von Peter Pilz erhoben wurde?
Hans Georg Schiebel: Ich empfinde die Diskussion als nicht ganz fair. Eigentlich geht es Herrn Pilz ja wohl weniger um unser Produkt, unser Geschäft mit Libyen oder meine Person. Vielmehr geht es ihm um die zuständigen Minister, denen er schaden möchte. Hier bin ich mit meiner Firma zwischen die Fronten einer politischen Auseinandersetzung geraten.
War das Geschäft aus Ihrer heutigen Sicht in Ordnung?
Schiebel: Jeder Schritt war gesetzeskonform. Der Camcopter S-100 gehört zu den Dual-Use-Gütern, genauso wie ein Jagdgewehr. Dieses kann ja auch als Scharfschützen-Waffe „missbraucht“ und nicht nur zum Jagen verwendet werden. Die Drohne ist also kein „Kriegsgerät“, wie nun behauptet wird. Sie wurde zur Aufklärung und Überwachung konzipiert. Eine Bewaffnung ist nicht vorgesehen – wenngleich sie theoretisch technisch möglich aber in keiner Weise sinnvoll wäre. Aus all diesen Gründen war es auch das Wirtschaftsministerium das die Exportgenehmigung erteilte.
Nun – behauptet Peter Pilz – würden die Drohnen von einer Eliteeinheit Gaddafis gegen die Demokratiebewegung eingesetzt. Er sprach vom 32. Regiment. Was ist da dran?
Schiebel: Peter Pilz weiß, was er straffrei sagen darf bzw. kann. Er hat viele seiner Sätze so formuliert, dass in der Berichterstattung nun der falsche Eindruck entsteht, dass es dafür irgendwelche Belege gäbe. Tatsächlich handelt es sich nur um eine Behauptung, eine Mutmaßung von Herrn Pilz. Es gibt keinerlei Beweise dafür.
Sie haben die Drohnen an die Libysche Armee geliefert. Ist es da nicht naiv zu glauben, dass ein solcher Einsatz unmöglich wäre?
Schiebel: Die Situation, wie sie sich heute in Libyen darstellt, war absolut nicht vorhersehbar. Man hatte ja die Hoffnung, dass Gaddafi nach Jahren der Isolation den Weg in die Staatengemeinschaft zurückfindet. Bei unserem Geschäft ging es um einen Auftrag des Militärs zur Kontrolle von Flüchtlingsbewegungen aus Afrika durch Libyen hin zum Mittelmeer und damals gab es viele furchtbare Zwischenfälle mit überladenen Booten voll mit Flüchtlingen im Mittelmeer am Weg von Libyen nach Italien. Das Militär ist für die Grenzsicherung zuständig, so wie es etwa auch bei uns im Burgenland im Zuge des Assistenzeinsatzes der Fall ist, und mit unseren Hubschraubern sollten auch solche Boote rechtzeitig geortet werden.
Sie haben rasch auf die Vorwürfe reagiert und eine Gegendarstellung aussenden lassen. Befürchten Sie, dass der Camcopter in Zukunft als „Kriegsgerät“ klassifiziert wird, würde das Ihr Geschäft beeinträchtigen?
Schiebel: Ob Dual-Use oder Kriegsgerät, das wäre meines Erachtens dasselbe in Blasslila. Die geltende gesetzliche Regelung ist eben so, dass das Wirtschaftsministerium zuständig für die Bewilligung ist. Es hätte zum Zeitpunkt des Abschlusses des Geschäftes 2008 auch keinen Unterschied gemacht. Mit Libyen wurden damals international wieder diplomatische Beziehungen aufgenommen, der Staat galt nicht mehr als geächtet. Im Gegenteil suchte man die Zusammenarbeit – eben gerade was die Kontrolle von Migrationsströmen in die EU aus Nordafrika betraf.
Es gibt auch Bilder, die die Drohne ausgestattet mit Luft-Boden-Raketen zeigen. Sind Ihre Drohnen mit solchen Raketen heute irgendwo im Einsatz?
Schiebel: Nein, meines Wissens nach nicht. Die Fotos stammen von einer Messe. Damals hat ein englisches Unternehmen einen neuen Raketentyp vorgestellt. Dieser wird aber bis heute nicht verkauft, schon gar nicht für den Camcopter. Was auch an der dafür nicht ausreichenden Tragfähigkeit der Drohne selbst liegt.
Erklären Sie das.
Schiebel: Da muss man zuallererst wissen, wie es zur Entwicklung des Camcopters kam. Wir haben mit einem anderen Produkt begonnen, einem Minensuchgerät. Mitte der 1990er-Jahre durften wir die US-Armee damit komplett neu ausstatten. Das war ein 500-Millionen-Schilling-Auftrag, echt riesig. In den USA hat mir dann ein sehr guter Freund erklärt, dass gerade Kameras entwickelt würden, mit denen man Minen aus der Luft orten könne. Er sagte: „Dann braucht deine Suchgeräte keiner mehr.“
Ab dem Zeitpunkt habe ich mich auch mit dem Thema „fliegende Kameraplattform“ beschäftigt, denn an irgendetwas muss eine solche Kamera befestigt werden, um sie dann sinnvoll einsetzen zu können. So kam es, dass wir einen ersten unbemannten Hubschrauber entwickelt haben, eben für den Einsatz mit Kameras zur Minensuche. Den haben wir als Prototyp auch an das U.S. Militär für die Minensuche geliefert.
Wir haben dann aber auch schnell realisiert, dass unser Gerät aufgrund behördlicher Zulassungsvorschriften zum Einsatz im zivilen Luftraum eine gewisse Mindestgröße braucht, um alle Bauvorschriften erfüllen zu können, aber doch nicht zu groß sein sollte. Mehr Größe bringt uns nichts. Und das ist auch der Unterschied zu einem Kriegsgerät. Das Militär interessiert sich für größere Hubschrauber mit mehr Zuladung, eben für den militärischen Einsatzzweck.
Wie genau sehen nun die Dimensionen der Drohne aus?
Schiebel: Der Camcopter ist 3,50 Meter lang, der Rotor misst 3,40 Meter im Durchmesser. Maximal hat die Drohne 200 Kilo Abflugmasse. Leer wiegt sie 110 Kilo, dazu kommen 40 Kilo Treibstoff. Je nach Flughöhe können also zwischen 20 und 50 Kilo getragen werden. Das reicht für Kameras. Für Raketen – wie auf den Fotos – ist das aber nicht ausreichend. Es ist also technisch zwar möglich die Drohne zu bewaffnen, praktisch ist es allerdings völlig sinnlos, weil dann kein Treibstoff mehr mitgeführt werden kann.
So gesehen ist Ihre Erfindung für Sie Fluch und Segen zugleich?
Schiebel: Ja. Einerseits bin ich froh über das Ergebnis der Entwicklung. Es ist verlässlich, erreicht die geplanten Eigenschaften. Bei allem, was fliegt, ist ja immer eine gewisse Spannung dabei. Wenn ein Fehlerl passiert, verliert man in der Regel das ganze Gerät. Andererseits ist dann die Rede von der Verwendung im libyschen Aufstand. Das ist einfach nicht lustig. Das ist mir nicht egal und darf mir nicht egal sein. Es wird aber von verschiedenen Medien so dargestellt.
In einem Artikel der Wochenzeitung „Zeit“ werden Sie 2009 mit der Aussage zitiert, dass es Ihnen egal sei, was mit Ihren Produkten gemacht werde. Wie stehen Sie zu dieser Aussage?
Schiebel: Diese Aussage habe ich so nie getroffen. Ich kenne diesen Artikel und er enthält auch viele andere falsche Darstellungen.
Welche Lehre haben Sie aus dieser Causa gezogen?
Schiebel: Ganz ehrlich, noch keine. Es ist wirklich eine schwierige Situation. Wir haben immer eine sehr offene Informationspolitik verfolgt. Wir haben Zulieferer, für die wir Verantwortung tragen. Und wir sind auch stolz darauf, dass dieses Hightech-Produkt fast ausschließlich ein österreichisches Produkt ist. So wie die Sache nun aber dargestellt wird, ist es schwer zu reagieren, weil auch vieles verzerrt dargestellt wird. Etwa die Geschichte mit dem Camcopter für Jordanien. Der Vertrag dazu wurde vor über einem Jahr unterzeichnet. Branchenüblich wurde dies vor kurzem bei einer Luftfahrtmesse bekannt gegeben. Und dann wird berichtet, dass wir diese zur Überwachung von Demonstrationen geliefert hätten.
Gibt es eine Anwendung des Camcopters, auf die sie besonders stolz sind?
Schiebel: Auch wenn das im Lichte der jüngeren Ereignisse zynisch klingen mag: Der geplante Einsatz in Libyen wäre so etwas gewesen. Ultimativ ging es darum, Menschen aufzugreifen, bevor sie im Mittelmeer ertrinken. Der Camcopter sollte das mit Wärmebildkameras ermöglichen. Menschen aufgreifen und retten – das wäre toll gewesen. Aber es gibt schon auch andere Projekte, wissenschaftliche, zu deren Gelingen der Camcopter einiges beiträgt.
Das Gespräch führte Patricio Hetfleisch.