Am 15. Juni 2011 beginnt um 10.00h in der Kehrwieder 12 in Hamburg ein von der Helmut-Schmidt- Universität (Bundeswehruniversität), der Körber-Stiftung und der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HfbK) unterstütztes Symposium mit dem Namen „Die Kunst der Intervention. Gesellschaftliche Eingriffe von Kunst, Politik und Militär“. Um 11.00h spricht dort u.a. Hans-Werner Fritz, Divisionskommandeur der Division Spezielle Operationen der Bundeswehr und ehemaliger ISAF-Kommandeur.
Den originalen Flyer gibt es unter: http://www.hfbk-hamburg.de/uploads/media/HFBK_Designsymposium_Intervention.pdf
Auf Grund der Veranstalter_innen, einiger Sprecher_innen und des Inhaltes haben wir folgenden Text verfasst:
„Lasst uns die Warnungen erneuern, und wenn sie schon wie Asche in unserem Mund sind. Denn
der Menschheit drohen Kriege, gegen welche die vergangenen wie armselige Versuche sind, und sie werden kommen ohne jeden Zweifel, wenn denen, die sie vorbereiten, nicht die Hände gebunden
werden.“ – Bertolt Brecht
Schon der im Ankündigungsflyer genannte Name des Symposium „Die Kunst der Intervention. Gesellschaftliche Eingriffe von Kunst, Politik und Militär“ enthält eine aufgemachte Trilogie von nicht zusammengehörenden Begrifflichkeiten. Zumindest wird hier „die Kunst der Intervention“ durch die folgende Aufzählung in einen Zusammenhang mit der Intervention von Politik und Militär gebracht.
Weiter geht es dann in der Beschreibung des Inhaltes des Symposium:
„Das Konzept der »Intervention« wird gegenwärtig in unterschiedlichen Gesellschaftsbereichen diskutiert. Ob als militärische, politische oder künstlerische Intervention, stets soll aktives Eingreifen soziale Wirklichkeit verändern – und zwar möglichst zum Besseren, wie auch immer dies definiert und normativ begründet ist. Doch welche Möglichkeiten zur Veränderung sozialer Kontexte gibt es überhaupt? Welche tatsächlichen Auswirkungen und (un-)intendierten Folgen haben Interventionen? Und unter welchen Bedingungen sind solche Eingriffe wünschenswert und legitim? Diese Fragen sollen im Rahmen des Symposiums »Die Kunst der Intervention« von Wissenschaftlern und Praktikern aus Kunst, Politik und Militär diskutiert werden. Ziel der Veranstaltung ist es, durch interdisziplinären Gedanken- und Erfahrungsaustausch zu einem erweiterten Verständnis von Interventionen beizutragen, alternative Perspektiven für den kritischen Umgang mit Interventionen und ihren Folgen zu eröffnen und Raum für einen innovativen Dialog zwischen Gesellschaftsbereichen zu bieten, die in der Regel wenig Austausch pflegen.“
Es ist richtig, daß aktives Eingreifen soziale Wirklichkeit verändern soll. Hier in einem Zuge künstlerische Interventionen und militärische zu nennen ist jedoch mehr als unangebracht. Denn militärische Interventionen führen zu Zerstörung und Tod. Politische Entscheidungen können diese militärischen Interventionen beschließen.
Künstlerische Interventionen greifen hingegen – wenn sie nicht gerade von Politik und Militär missbraucht werden, die durch Politik und Militär entstehenden Verhältnisse an. Ein Vergleich von künstlerischen und militärischen Interventionen relativiert die Brutalität von Kriegen.
Trotz der Auflage der Bundeswehr als Nachfolgeorganisation der Wehrmacht nach 1945 nur noch als reine Verteidigungsarmee agieren zu dürfen, ist die deutsche Armee seit 1992 wieder an Einsätzen im Ausland1 beteiligt und führt spätestens seit der Jougoslavien- Intervention 1999 (Entscheidung der rot-grünen Koalition) wieder Krieg.
Um dies zu legitimieren, werden von Seiten der Politik immer neue Satz-Konstruktionen gebildet, um eine Gefährdung Deutschlands zu belegen2. So beteiligt sich die Bundeswehr seit Jougoslavien an zahlreichen Auslandseinsätzen3, z.B. in Afghanistan.
Passend zum Thema des Symposium wird die Bundeswehr zur Zeit von einer „Armee im Einsatz“ zu einer Interventionsarmee ohne Wehrpflicht umgebaut.4
Dafür benötigt sie jedoch eine breitere Akzeptanz in unserer Gesellschaft, als sie zur Zeit, u.a. auf Grund der Toten durch Auslandseinsätze, zu verzeichnen hat. (allein im Afghanistankrieg 52 tote deutsche Soldat_innen) 5
Außerdem sorgten zahlreiche sogenannte Kollateralschäden für negative Publicity. (Laut AG Friedensratschlag 20000 zivile Opfer von 2001 bis 2010 ).6
Einerseits um eine breitere Akzeptanz in der Gesellschaft zu fördern und andererseits um Bürger_innen für den Dienst in der Bundeswehr anzuwerben tritt die Bundeswehr in den letzten Jahren vermehrt an Schulen, Hochschulen und sogar an Arbeitsagenturen4 auf und wirbt dort für Berufsaussichten in der Bundeswehr.7
Der Verdacht liegt also – gerade im Hinblick auf den Titel des Symposium – nahe, daß die Bundeswehruniversität nicht zufällig als Unterstützerin des Symposiums auftritt. Ebenso wenig scheint es da Zufall, daß ausgerechnet der ehemalige ISAF-Truppen-Leiter und Divisionskommandeur Hans-Werner-Fritz geladen ist.
Das die deutsche Landesverteidigung spätestens seit dem Weißbuch 20068, auch in der Wahrung von Wirtschaftsinteressen besteht ( Sicherung von Handelsrouten, Rohstoffsicherung8 ) ist inzwischen allgemein akzeptiert.
Deshalb scheint es weiter nicht verwunderlich, daß die wirtschaftsnahe Körberstiftung9, die zum Beispiel mit der Publikation „ Schluss mit der Heuchelei – Deutschland ist eine Großmacht!“ 10, in der unverhohlen für eine stärkere Wahrung deutscher Interessen und Einflussnahme geworben wird, zu diesem Symposium einlädt.
Die Frage nach dem Warum und Wozu, jenseits von Lippenbekenntnissen und Phrasen, nach den Strukturen, die „Eingreifen“ „notwendig“ machen und nach den Zielen von Eingriffen wird außen vor gelassen. Denn die Sicherung von Absatzmärkten und die Schwächung von Gegnern im internationalen Konkurrenzkampf sind hier sicher nicht Themen. Intervention wird rein funktional betrachtet.
Um über Un-intendierte Folgen zu reden, müsste mensch erst mal die wirklich intendierten kennen, über die ja nicht geredet wird. Denn an dieser Stelle ist schon ein Ziel dieses „Symposiums“ erreicht. Die Veranstaltung ist bereits Ergebnis von einem erweiterten Verständnis von Intervention.
Durch den „Dialog von Gesellschaftsbereichen, die in der Regel wenig Austausch pflegen, werden beste Absichten vorgegaukelt, die deutsches Militär und Künstler_innen als gemeinsame Kämpfer_innen für eine bessere Welt vereinen. Seit Vietnam ist bekannt, dass der Krieg nicht nur militärisch sondern auch propagandistisch gewonnen werden muss.11 Von den Akteur_innen aus Politik und Militär sind alternative Perspektiven zum kritischen Umgang mit Folgen von militärischen Interventionen intendiert. Sie eröffnen Raum für das Verständnis für militärische Interventionen, welches Ziel des Symposiums ist.
Kunst und Militär pflegen in der Regel wenig Austausch.Vielleicht liegt es daran, das Autorität, Befehl und Gehorsam sowie Gewalt nicht gerade zu den Dingen gehören, die die Freiheit, das Schöne, das Gute und das Wahre ausmachen, welches Künstler_innen anstreben, wenn sie kritisch intervenieren?
Soziale Realität ist nicht einfach so vorhanden, sondern entsteht in jedem Moment durch soziales Handeln.
Die soziale Realität der Akzeptanz des Militärs in Gesellschaften verfestigt sich durch Hinnahme des Auftritts von Militärs als legitimen gesellschaftlichen Akteur an zivilen Einrichtungen wie Schulen, Hochschulen, ARGEN4 oder bei einer Veranstaltung einer „gemeinnützigen“ Stiftung und
Eigentümerin der Körber-AG12(einer Vereinigung von über 30 weltweit führenden Technologieunternehmen) und der Helmut-Schmidt-Universität (Bundeswehr-Universität) gemeinsam mit der Hochschule für bildende Künste Hamburg.
Lasst uns die soziale Realität durch Nichthinnahme gegen „die Kunst der Intervention“ ändern!
Deshalb fordern wir alle bisher angekündigten Referent_innen des Symposiums auf, ihre Teilnahmen abzusagen und alle daran bisher Interessierten an diesem nicht (im Sinne der Veranstalter_innen) teilzunehmen.
Studierende der HfbK und ex-HWP (über weitere Unterstützer_innen freuen wir uns. Ebenso über Weiterleitung dieses Textes)
„Der Krieg bricht aus. Sie haben ihn nicht gewollt. Sie haben nur so gelebt, dass er kommen musste. Sie sind nicht schuldig, denn man lebt doch, wie man geschaffen ist, – und das Reich hatte sie geschaffen. Sie haben den Frieden gewollt, aber er starb ihnen sehr gelegen.“ – Heinrich Mann
Quellen:
1: http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Bundeswehr/brendle2.html
2: http://www.focus.de/politik/ausland/konflikte-zitate-vom-und132stabilisierungseinsatzund147-zum-und132kriegund147_aid_501270.html
3: http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/! ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9pPKUVL3UzLzixNSSKiirpKoqMSMnNU-_INtREQD2RLYK/
4: http://www.ag-friedensforschung.de/themen/Schule/bethge.html
5: http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/!ut/p/c4/DcjBDYAgDAXQWVyA3r25hXohRT7YgMUE1ITpJe_2aKdB-ZXITYpyppW2Q2b3Gfd5mAgPTVDT-cxQ-6i3gVMb04pHDYycYeWyEK3cOt1pmX5GIQYT/#par5
6: http://www.ag-friedensforschung.de/regionen/Afghanistan/tote21.html
7 :http://www.bundeswehr-karriere.de/
8: http://www.sueddeutsche.de/politik/weissbuch-instrument-deutscher-sicherheitspolitik-1.312233
9: Die Körberstiftung stellt sich auf ihrer Homepage als Eigentümerin der Körber-AG, einer Vereinigung von über 30 international führenden Technologieunternehmen, vor, als welche sie unter Führung ihrer Gremien in 50 Jahren ihr Profil entwickelt hat.
Von 510 Millionen Euro Stiftungsvermögen stehen der Stiftung 15 Millionen Euro jährlich für gemeinnützige Arbeit zur Verfügung. Infos: http://www.koerber-stiftung.de/stiftung.html
10: http://www.koerber-stiftung.de/edition-koerber-stiftung/programm/politikgesellschaft/artikel-detailseite/ka/standpunkte/bp/standpunkte/buch/schluss-mit-der-heuchelei.html?tx_ttproducts_pi1[begin_at]=10&cHash=54d969981fe6c9b093f4650bc043b1b8
11: http://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecial/d-9157522.html
12: http://www.koerber.de/
Anhang:
Personelle und institutionelle Hintergründe und Zusammenhänge der Entstehung des Symposium:
Ein Ideengeber des Symposium ist der Architekt Prof. Dr. Friedrich von Borries, Professor für Designtheorie und kuratorische Praxis an der Hochschule für bildende Künste, an der er auch den Studienschwerpunkt Theorie und Geschichte koordiniert. Zudem ist er am Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg Kurator für zeitgenössisches Design. Zuletzt kuratierte er dort die viel beworbene Ausstellung Klimakapseln.1
Eine weitere Ideengeberin des Symposiums ist die Diplom-Politologin und Doktorin der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Dr. Bliesemann de Guevara, die seit 2003 wissenschaftliche Mitarbeiter_in am Institut für internationale Politik an der Helmut Schmidt-Universität ist und u.a. zum Staatsaufbau in Nachkriegsgesellschaften forscht. Sie erhielt 2009 den deutschen Studienpreis der Körberstiftung.2
Entsprechend der beruflichen Zusammenhänge der Ideengeber_innen wird das Symposium von der Hochschule für bildende Künste Hamburg und der Helmut-Schmidt-Universität unterstützt.
Mit im Boot ist die Körberstiftung, von der die eine Ideengeberin 2009 einen Preis erhielt.
Die Körberstiftung stellt sich auf ihrer Homepage als Eigentümerin der Körber-AG, einer Vereinigung von über 30 international führenden Technologieunternehmen, vor, als welche sie unter Führung ihrer Gremien in 50 Jahren ihr Profil entwickelt hat. In diesen Gremien sitzen 14 Männer und 2 Frauen.
Auffällig ist, daß zwei dieser Gremien personell doppelt besetzt sind. So
sitzt Prof. Dr. Thomas Straubhaar im Stiftungsrat und im Kuratorium. Prof. Dr. Thomas Sraubhaar ist zudem (u.a.) Direktor des Hamburger Weltwirtschaftsinstitutes und Prof. für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg.
Auch Dr. Klaus Wehmeier und Christian Wried sitzen in zwei Gremien, dem Vorstand und dem Kuratorium.
Von 510 Millionen Euro Stiftungsvermögen stehen der Stiftung 15 Millionen Euro jährlich für gemeinnützige Arbeit zur Verfügung. Die Stiftung ist national und international aktiv und richtet sich vordergründig an Bürger_innen, die nicht alles so lassen wollen, wie es ist.3
Im Leitbild der Helmut-Schmidt-Universität (der Bundeswehr-Universität) steht u.a., daß sie die Attraktivität des Offiziersberufes steigert und zugleich Impuls- und Leistungsträger für die Streitkräfte ist. Außerdem daß Sie das Studien- und Weiterbildungsangebot nach dem Stand der Wissenschaften sowie dem Bedarf an Führungskräften in Militär, Wirtschaft und Gesellschaft weiterentwickelt.4
Bei den Besonderheiten zum Studium an der Helmut-Schmidt-Universität steht, daß Studierende keinen Check der Eltern brauchen, sondern während des Studiums Gehalt beziehen.5
Um an der Helmut-Schmidt-Universität studieren zu dürfen muß Mensch allerdings die Offiziersprüfung bestanden und sich für einen 13-jährigen Dienst bei der Bundeswehr verpflichtet haben.6
Das Profil der Hochschule für bildende Künste legt dar, das ein hier aufgenommenes Studium nicht ein starr festgelegten Curriculums verfolgt, sondern kunst- und kulturtheoretische, ästhetische, kunsthistorische und medienspezifische Studien ermöglicht, die auf unterschiedlichen Wegen Eingang in die künstlerischen Produktionen finden oder zu einem wissenschaftlichen Abschluss führen können. Dieses soll die Studierenden befähigen, ihre Entwicklungsvorhaben präzise zu durchdenken, theoretisch zu vertiefen, reflektiert darzulegen und überzeugend zu präsentieren.7
Zu 1: http://www.hsu-hh.de/pradetto/index_m7iImfnciVzflWVn.html
Zu 2: http://friedrichvonborries.de/team/leitung-1/friedrich-von-borries-prof.-dr
Zu 3: http://www.koerber-stiftung.de/stiftung.html
Zu 4: http://www.hsu-hh.de/hsu/index_qVQUtHFyFE9G994I.html
Zu 5: http://www.hsu-hh.de/hsu/index_8ddwCKoHFuVl87Rx.html
Zu 6: http://www.hsu-hh.de/hsu/index_BLqSyEULZPPoU73F.html
Zu 7: http://www.hfbk-hamburg.de/de/hochschule/profil/