Redebeitrag von Out of Control Berlin auf der Demonstration “Freiheit statt Angst“ (Linksradikaler Block) am 10.9.2011
Information gilt als „Schlüssel“ zur Kriminalitätsbekämpfung. Damit wachsen die Begehrlichkeiten von Polizei, Geheimdiensten und Militär nach Zugriff auf diverse nationale und europäische Datenhalden. Ein neuer Markt mit beispiellosen Wachstumsraten befeuert diese neuen Bedürfnisse: Die sogenannte „Homeland Defence“, zu deutsch etwa „Heimatschutz“. Allein die Europäische Union hat in den zehn Jahren von 2001 bis heute ihr Budget für sogenannte „Anti-Terrorismus-Maßnahmen“ versiebzehnfacht.
Der Einsatz von Computern spielt eine immer größere Rolle in der Polizeiarbeit. Behörden investieren in Software, Hardware, Datenbanken, Speichersysteme, Netzwerktechnik oder Serverbetriebssysteme. Europäische Innenminister erkennen einen „Digitalen Tsunami“ und meinen damit keine Katastrophe. Sie freuen sich auf dort bisher unentdeckte „potenziell nützliche Informationen“ für Verfolgungsbehörden, die zunehmend computergestützt ausgewertet werden soll.
Hintergrund der Automatisierung ist, dass die behördlichen Sicherheitsfetischisten längst nicht mehr in der Lage sind, stetig wachsende Datenberge zu durchforsten: Weder können die Bilder aus der Videoüberwachung live angeschaut werden, noch können die neugierigen Büttel das gesamte Internet durchlesen.
Hier soll Software helfen, um auch die unscheinbarsten Informationen auszugraben und miteinander in Beziehung zu setzen. Tatsächlich zeigen wissenschaftlichen Untersuchungen, dass derart analysierte Beziehungen einen hohen Informationswert haben. Immer mehr Programme können in allerhand unterschiedlichen Dateitypen suchen, darunter Webseiten, Verhör-Protokolle, Zeugenvernehmungen, Observationsberichte, Audio-Mitschnitte von Telefonüberwachung, Videos, Bewegungsprofile, Handy-Ortungsdaten, gescannte Fahrzeug-Kennzeichen.
Die Industrie entwickelt Anwendungen für Polizeien und Geheimdienste zu diesem sogenannten „Data Mining“. „Data Mining“ meint also das tiefe Buddeln in allen digitalen Informationen, derer die Behörden habhaft werden können. Hinzu kommen mathematische Verfahren, die sogar vorausschauend Prognosen für abweichendes Verhalten erstellen wollen.
Nachvollziehbar wird der Mehrwert dieser digitalen Ermittlungen etwa dann, wenn die Polizei Daten aus der Funkzellenüberwachung von Mobiltelefonen benutzt, um potentielle Blockaden von Nazi-Demonstrationen zu kontrollieren oder deren vermeintliche Organisator_innen aufzuspüren, wie es gleichfalls im Iran wie auch im sogenannten Freistaat Sachsen gehandhabt wird. Werden diese Mobilfunkdaten zudem mit Finanztransaktionen oder zuvor gebuchten Reisen kombiniert, bleibt kaum noch Raum für ein Recht auf Privatheit.
Hier zeigt sich die zunehmend militärische Logik von Polizeiarbeit: Die Automatisierung von Überwachung und Kontrolle mittels Computern ist die Umsetzung eines militärischen Konzepts der „Überlegenheit auf allen Ebenen“, das um jeden Preis auf Informationsvorsprung setzt.
Vor allem das Internet gilt als Hort der Freiheit und wird damit Ziel behördlicher Kontrollgelüste. Längst ist auch dort die Sprache militarisiert und durch eine Vermischung der Begriffe „Kriminalität“, „Terrorismus“ und „Krieg“ geprägt. Wie aus der realen Welt bekannt werden auch im Internet mit einem angeblichen „Cyber-Terrorismus“ zahlreiche Maßnahmen zur Einschränkung der Informationsfreiheit begründet. Dabei hat es bis heute keinen bekannten „cyber-terroristischen“ Angriff gegeben!
Gestritten wird indes zwischen Polizei und Militär, wer für die Beantwortung eines zukünftigen „Cyber-Angriffs“ zuständig sein soll. „Alle Versuche, eine Gesellschaft, ihren Staat oder ihre wirtschaftlichen Verhältnisse zu ändern sind politisch. Hier ist die Bundeswehr einzusetzen“, schwadronierte hierzu kürzlich ein Ministerialrat und Referatsleiter im Bundesministerium.
Ungeachtet fehlender rechtlicher Grundlagen forschen Polizei und Rüstungsindustrie gemeinsam an neuen Spielzeugen zur vorausschauenden Überwachung Alle großen Rüstungsgiganten haben hierzu ebenfalls eigene Sparten aufgebaut, um auf dem lukrativen Markt mitzuhalten, darunter EADS, Thales oder Siemens. Europäische Polizeien behaupten, die Technik würde helfen Sicherheit zu schaffen und damit Freiheit zu gewährleisten. Firlefanz!
Euer Sicherheitsbegriff kotzt uns genauso an wie euer Freiheitsbegriff!
Soziale Probleme werden nicht mit technischem Machbarkeitswahn gelöst!
Wir gehören nicht zu den Kritiker_innen computergestützter Kommunikation oder sonstiger digitaler Alltagshilfen. Doch wir rufen dazu auf, es den Cops nicht allzu leicht zu machen, sondern euch stattdessen auch im Internet vermummt zu bewegen:
Verschlüsselt eure Kommunikation!
Verzichtet auf kommerzielle Anbieter von Mailadressen und Internetdiensten!
Helft den Cops nicht mit der privaten Nutzung von Social Networks wie Facebook oder StudiVZ!
Schaltet eure Handies auf Spontan-Demonstrationen aus!
Digitale und analoge Polizeiarbeit abschalten!
Sicherheitsarchitekturen einstürzen!
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