Zukunftswelt: In den Konfliktherden dieser Welt gelten unbemannte Luftfahrtsysteme, auch Drohnen genannt, als Waffen erster Wahl. Sie klären auf, hören ab und töten – wie diese Woche in Pakistan. Doch es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis sie auch massiv für zivile Aufgaben genutzt werden. Und bei der Größe künftiger UAVs scheint es kaum Grenzen zu geben.
In den kommenden Wochen wird sich der Deutsche Bundestag mit der Novellierung des Luftverkehrsgesetzes beschäftigen. Was sich anhört wie eine Marginalie, setzt langfristig Signale: Die Bundesregierung, von der der Novellierungsentwurf stammt, will unbemannte Luftfahrtsysteme mit klassischen Luftfahrzeugen gleichstellen – also mit Flugzeugen oder Hubschraubern.
Die Begründung: Bei unbemannten Luftfahrtsystemen – auch UAV (unmanned aerial vehicles) oder Drohnen genannt – erscheine „durch weitreichenden technischen Fortschritt… ein genereller und gleichberechtigter Betrieb neben dem Betrieb der bemannten Luftfahrt langfristig realistisch.“
Und weiter noch: Aus „heutiger Perspektive“ sei auch ein „unbemannter kommerzieller Fracht- oder sogar Personenverkehr langfristig möglich“.
Bis dahin kann noch einige Zeit vergehen – doch die Entwicklungsgeschwindigkeit bei den UAVs ist hoch. Noch wird diese Entwicklung, so Tom Schüller, Key Account Director Air Force bei Thales Deutschland, „maßgeblich von militärischen Interessen getrieben“.
Der militärische Einsatz von UAVs ist in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen. In den Krisengebieten rund um den Globus betreiben UAVs optische und optoelektronische Aufklärung, hören alle nur denkbaren Kommunikationskanäle ab – und töten, mit Raketen bewaffnet, auch Menschen. Als Ende September der mutmaßliche Al Quaida-Terrorist Anwar al Awlaki im Jemen durch eine Drohne getötet wurde, beherrschte dies tagelang die Weltpresse. Insgesamt 2000 Menschen sollen in Afghanistan bereits von amerikanischen, mit Hellfire-Raketen ausgerüsteten UAVs getötet worden sein.
Auch die Bundeswehr nutzt UAVs, allerdings nur zur Aufklärung: Allein in Afghanistan flog die deutsche Bundeswehr von 2003 bis März dieses Jahres über 5000 Einsätze mit Drohnen.
Genaue Zahlen der amerikanischen Drohneneinsätze sind nicht zu bekommen, betragen aber nach Einschätzung von Experten ein Vielfaches der Bundeswehreinsätze. Kaum ein Konvoi im Irak oder Afghanistan, dem nicht ein UAV vorausfliegt. Zudem bauen die Amerikaner derzeit in Afrika und der arabischen Halbinsel immer neue Basen für Drohen auf.
Für die Amerikaner haben sich die Drohnen damit zur „Waffe erster Wahl“ entwickelt, so das Wall Street Journal. Das Pentagon hat für 2012 gut 5 Mrd. Dollar für Drohnen vom Kongress gefordert.
Obwohl derzeit die militärischen Anforderungen die Entwicklung der Drohnen dominieren, gehen viele Beobachter doch davon aus, dass gerade der zivile Sektor ein vielversprechender Markt sein wird „Es ist nur eine Frage der Zeit“, so Schüller, „bis die Drohnen auch vermehrt für zivile und kommerzielle Zwecke genutzt werden.“ Auch die Novellierung des Luftverkehrsgesetzes zielt in diese Richtung.
Ein erster Schritt weg von militärischen sind hoheitliche Einsätze von UAVs. Schon heute nutzt die Polizei in EU-Ländern wie Frankreich oder Italien UAVs, die Briten planen offenbar, ihre Olympiade 2012 großflächig von Drohnen überwachen zu lassen.
In Deutschland sind es Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Sachsen, die schon früh auf diese Technologie setzten. UAVs dienen hier etwa zur Überwachung großer Menschenmengen oder sollen helfen, bei Geiselnahmen einen Überblick über die Lage zu gewinnen. „Insbesondere Überwachungsaufgaben im Grenzschutz und polizeilichen Bereich dürften sich zu einem Zukunftsmarkt entwickeln“, schreibt das Büro für Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages (TAB) in einem jüngst erschienenen Bericht zu „Stand und Perspektiven der militärischen Nutzung unbemannter Systeme“.
Dass sich die technologischen Anforderungen bei zivilen und militärischen Einsätzen ähneln, erleichtert ihren nicht-militärischen Einsatz: „Ich bin überzeugt“, so Stefan Zoller, CEO der EADS-Tochter Cassidian, „dass es in Zukunft kaum ein UAV geben wird, das nur für militärische oder nur für zivile Anwendungen eingesetzt wird.“ Aufgrund ihrer Fähigkeiten könnten sie problemlos „Missionen auf beiden Gebieten abdecken“ – immer dann, wenn es für einen Piloten zu gefährlich oder ermüdend wird oder ein UAV schlicht kostengünstiger ist.
Die zivilen Einsatzmöglichkeiten sind enorm: So wurde an Google bereits eine Drohne geliefert, mit dem Ziel, die bisher vom Boden aus gemachten Aufnahmen durch Aufnahmen mittels Drohne zu ersetzen. Pipelines ließen sich durch UAVs überwachen, die Biologie von Böden, selbst Bauvorhaben. In den USA wurde jüngst eine kleine Drohne vorgestellt, die WLAN-Zugangscodes knacken und Mobilfunkbasen simulieren kann, um Handyanrufe abzufangen.
Derzeit allerdings, schätzt Gordon Strickert, Spezialist für UAVs am Institut für Flugsystemtechnik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR), „hinkt die zivile Entwicklung der militärischen noch um sechs bis zehn Jahre hinterher“ – nicht zuletzt deshalb, weil die engen rechtlichen Rahmenbedingungen die Entwicklung und die Flugtests ziviler Drohnen wesentlich schwieriger machen als es bei militärischen Entwicklungen der Fall ist.
Entscheidend für die zivile Nutzung zumindest in Deutschland wird deshalb sein, wie schnell die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür auch auf Länderebene geschaffen werden.
Wo aber geht die Entwicklung in den nächsten Jahren hin?
Glaubt man dem Bericht der US-Luftwaffe „Unmanned Aircraft Flight Plan 2009-2047“, wandern immer mehr Intelligenz und Sensoren in die Drohnen, die sich in Zukunft auch für bestimmte Aufgaben autonom organisieren werden. Ein weiteres Ziel ist, „Drohnen vom GPS unabhängig zu machen“, so Strickert. Alternativen zum GPS können Landmarkenmodelle sein wie Marschflugkörper sie nutzen, Laser, die den Boden abtasten oder Bilderkennungssysteme – was besonders für niedrig fliegende UAVs von Bedeutung ist.
Ein wesentlicher Treiber der Entwicklung neuer UAVs sind auch immer leistungsfähigere Sensoren. So entwickeln Unternehmen wie Raytheon oder BAE Systems hyperspektrale Sensoren, die etwa unterschiedliche Materialien am Boden – wie Sprengstoffe – unterscheiden können, indem sie deren Spektraleigenschaften analysieren.
Gerade für Sensoren aus dem optoelektronischen Bereich, die schon früh etwa vor dem Abschuss ballistischer Raketen warnen könnten, fehlen geeignete Plattformen, so Carl-Otto Schartenberg, Chef von COS-Systems, einem Unternehmen, das im Auftrag der Bundeswehr neuartige UAV-Konzepte entwickelt.
Ein Trend dabei geht zu immer größeren Systemen, weil diese immer mehr Sensoren tragen können. Schon der amerikanische Global Hawk, der derzeit als Eurohawk auch von der Bundeswehr beschafft wird, hat eine Spannweite von 40 m.
Doch in Sachen Größe scheint es keine Grenzen zu geben. Schartenberg hat für die Bundeswehr eine „stratosphärische Sensor- und Relais-Plattform“ (SSRP) entwickelt – ein 230 m langes und 60 m breites Flugobjekt von der Form einer abgeplatteten Zigarre (siehe Kasten). Dieses Stratosphären-UAV fliegt in bis zu 22 km Höhe mit Elektromotoren, die von Solarpaneelen gespeist werden. Der Auftrieb wird von einer Gaszelle im Inneren unterstützt. Bis zu 18 Monate kann dieses UAV über definierten Regionen bleiben, aber auch mit einer Reisegeschwindigkeit von 90 km/h bis 120 km/h vom Boden aus zu unterschiedlichen Aufgabengebieten navigiert werden.
Dieses System, so Schartenberg, kann bis zu 10 t Nutzlast mitnehmen, darunter 88 Antennen, und wahlweise als zivile oder militärische Kommunikationsplattform, aber auch als Aufklärungsplattform etwa in Kriegs- oder Katastrophengebieten dienen. Mit einem Such- und Folgeradar ließ sich ein Luftraum von 1000 km Durchmesser überwachen, optische Sensoren könnten Gegenstände im Zentimeterbereich aufspüren.
Schartenberg entwickelt derzeit mit Partnern aus der Industrie einen Technologieträger, „der in vier bis fünf Jahren“ fliegen soll, 130 m lang ist und 1 t Nutzlast tragen soll.
Derzeit wird die Entwicklung solcher Mega-Drohnen zwar von militärischen Interessen getrieben, aber auch Schartenberg ist sich sicher, dass UAVs auch für zivile Anwendungen immer attraktiver werden. „In Katastrophengebieten fällt als erstes die Kommunikation aus. Mit einem Stratosphären-UAV kann man in kürzester Zeit eine Funkzelle mit einem Radius von 500 km aufbauen.“ Auch Staaten ohne eigene Telekom-Satelliten könnten damit eigene TV- oder Mobilfunknetze aufbauen.
Noch ist der Markt für UAVs überschaubar. Nach dem TAB-Bericht soll er von aktuell 4,9 Mrd. Dollar bis 2019 auf 11,5 Mrd. Dollar oder sogar 16 Mrd. Dollar jährlich anwachsen.
Doch UAVs, da ist sich auch Cassidian-Chef Stefan Zoller sicher, „sind eines der bedeutendsten Zukunftsthemen in der Luftfahrtindustrie. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass vieles, was heute bemannt geschieht, in Zukunft von unbemannten Flugsystemen übernommen wird“. W. MOCK
UAV: Alle großen Nationen arbeiten an unbemannten Luftfahrtsystemen
-UAVs (unmanned aerial vehicles) gibt es in vielen Größen: kaum fingerlange, libellen-ähnliche Systeme bis hin zu solchen in Flugzeuggröße mit Jet-Antrieb.
-Marktführer sind US-Hersteller wie Northrop Grumman, Lockheed Martin und Boeing, aber auch General Atomics und die israelische IAI (Israel Aerospace Industries).
-Auch die Europäer planen die Entwicklung eines eigenen großen UAV. Derzeit stehen zwei Systeme im Wettbewerb: das französisch-britische „Telemos“-Projekt und das „Talarion“-Projekt der EADS.
-China hat bereits im vergangenen Jahr gut zwei Dutzend UAVs in allen Größen vorgestellt, die auch bewaffnet werden können.
-In Deutschland gibt es eine Handvoll Drohnenhersteller. Mit Ausnahmen von EADS sind das vor allem Mittelständler, die kleine Drohnen für den hoheitlichen Einsatz fertigen.
-Um die zunehmende Integration von großen UAVs in den Luftverkehr zu gewährleisten, arbeiten unter der Führung der European Defence Agency (EDA) die Länder Schweden, Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien im Projekt MIDCAS (mid air collision avoidance system) zusammen. moc
www.govexec.com/pdfs/072309kp1.pdf
www.tab-beim-bundestag.de/de/publikationen/berichte/ab144.html
Source: http://www.vdi-nachrichten.com/artikel/Unbemannte-Flugsysteme-erobern-den-Himmel/55850/1