DATUM: 18. September 2012
ZEIT: 9.00 Uhr
ORT: Landgericht Berlin, Turmstraße 91, 10559 Berlin, Raum 154 (EG)
Im August 2011 wurden zwei Berliner Polizisten wegen „gefährlicher Körperverletzung“ vom Amtsgericht Berlin verurteilt. Sie hatten einen Schwarzen Mann ohne Anlass für den Täter im Fall eines geringwertigen Süßwarendiebstahls gehalten und ihn angegriffen. Der Mann war erheblich verletzt worden. Nun fechten die Beamten das Urteil an. Die Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP) sieht in dem Fall einen weiteren Beleg für Racial Profiling durch die Polizei.
Was war passiert?
Am späten Nachmittag des 25. Mai 2010 steht Amare B. am Tempelhofer Damm und telefoniert. Völlig unvermittelt wird er von einigen Männern angegriffen, die aus einem Wagen springen. Einer reißt ihm das Handy aus der Hand, ein anderer wirft ihn zu Boden. Erst geht Amare B. von einem Neonazi-Angriff aus, doch als ihm plötzlich Handschellen angelegt werden, wird ihm gewahr, dass es sich bei den Angreifern um Polizisten handelt. Einer der Männer kniet auf seinem Rücken, so dass er keine Luft mehr bekommt. Man befiehlt ihm nicht zu sprechen. Er wird vom Boden hoch gezerrt und in einen parkenden PKW gestoßen. Man durchsucht seine Jacke nach Personalien und Geld. Amare B. versteht all das nicht. Es kommen weitere Polizeiwagen hinzu, mit weiteren Beamten. Nach einiger Zeit werden seine Handschellen geöffnet und man weist ihn an zu gehen. Auf seine Frage, warum er geschlagen wurde, antwortet ein Beamter aggressiv: „Wir haben jemanden gesucht, du hast hier gestanden und mit dem Handy telefoniert, in dem Moment hast du uns angeschaut und das war verdächtig.“ Und auf die Frage hin, ob das normal sei, was man mit ihm gemacht hätte, antwortete ein weiterer Beamter: „Ja, das ist normal!“. (http://kop-berlin.de/bundles/kbweb/files/kop_chronik.pdf, Eintrag vom 25. Mai 2010)
Die Plädoyers und das überraschende Urteil
Im August 2011 mussten sich wegen des Angriffs zwei beteiligte Polizeibeamten wegen „gefährlicher Körperverletzung“ vor dem Amtsgericht Berlin verantworten. Nach drei Verhandlungstagen plädierte eine lustlos wirkende Staatsanwältin auf Freispruch der Beamten, da der Einsatz aus ihrer Sicht nachvollziehbar gewesen wäre. Amare B. hätte einfach überhört, dass es sich bei der Attacke um eine polizeiliche Maßnahme gehandelt habe. Sie verbuchte den Vorfall unter „dumm gelaufen“ und betonte, dass sie strafrechtlich nicht die geringste Relevanz für eine Ahndung sehe. „Wenn man von der Polizei zu Boden gebracht wird, hat man halt die Knie im Rücken. Das ist halt so“, sagte sie. Die Verteidigung schwadronierte entsprechend über polizeiliche Tätigkeitsfelder im Spannungsfeld der freiheitlich-demokratischen Grundordnung und wies jeden Rassismusvorwurf zurück.
Überraschend dann die Entscheidung des Gerichts: Es verurteilte die beiden Angeklagten zu 6- bzw. 7-monatigen Bewährungsstrafen und die Zahlung eines Schmerzensgeldes an den Betroffenen. In der Urteilsbegründung fand der Richter klare Worte: die polizeiliche Maßnahme sei strafbar gewesen. Sie hatte außerhalb jeder Ermächtigungsgrundlage gelegen und war völlig unverhältnismäßig. (http://kop-berlin.de/beitrag/falsche-zeit-falscher-ort-falsches-verhalten-falsche-hautfarbe)
Das Berufungsverfahren am 18. September 2012
Bereits 2011 hatten die verurteilten Angeklagten angekündigt, in Berufung zu gehen. Tatsächlich zwingen sie Amare B. am 19. September 2012 abermals vor Gericht. Die Beamten fechten die Verurteilung wegen „gefährlicher Körperverletzung“ an. Für Amare B. bedeutet dies ein weiteres Mal eine hohe Belastung. KOP wird seinen Weg weiter begleiten. Wir rufen alle Unterstützer_innen und Aktivist_innen auf, am 19. September 2012 ein Zeichen zu setzen gegen Rassismus bei der Polizei, Justiz und Überall. Die Einschüchterung muss ein Ende haben!
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