Bundeskriminalamt hat Polizisten aus Belarus, China, Aserbaidschan und der Türkei Werkzeuge zur automatisierten Strafverfolgung vorgeführt
Von Matthias Monroy
Das Bundeskriminalamt (BKA) hat Vertreter belarussischer Behörden auch in der digitalen Kriminalitätsbekämpfung fortgebildet. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage des Linke-Abgeordneten Andrej Hunko hervor, die er am vergangenen Dienstag erhielt. Pikant daran: Belarus wird in deutschen Medien und von Politikern der BRD bei jeder Gelegenheit als »letzte Diktatur Europas« angeprangert. Das Bundesinnenministerium skizziert in seiner Mitteilung, über die Hunko am Dienstag in einer Presseerklärung informierte, den Inhalt des in Belarus – und in anderen Ländern – abgehaltenen Workshops »Operative Analyse«. In der Fortbildungsveranstaltung ging es demnach um »Grundlagen und Methoden der polizeilichen Informationsverarbeitung«. Die Schulungen wurden unter anderem auch in Aserbaidschan, Georgien, China und der Türkei organisiert. Angehörige verschiedener Polizeieinheiten bekamen laut Ministerium die Software »Analyst’s Notebook« vorgeführt, die Beziehungen zwischen Personen, Sachen und Orten ermitteln soll. Das Programm sucht in verschiedenen polizeilichen Datensätzen nach Übereinstimmungen oder Auffälligkeiten.
»Analyst’s Notebook« wird von der Firma »i2« vertrieben. Auf dem Europäischen Polizeikongreß in Berlin hatte i2 dieses Jahr »Werkzeuge zur Detailanalyse und Visualisierung von Beziehungen zwischen physischen Merkmalen und allen dazu verfügbaren Informationen« vorgestellt. Die inzwischen vom US-Konzern IBM aufgekaufte Firma wird jetzt in die Marke »Smarter Cities« eingegliedert, deren Produkte auch an sogenannte Sicherheitskräfte verkauft werden. Dadurch will sich IBM im Bereich der »vorhersagenden Polizeiarbeit« (»Predictive Policing«) als Marktführer profilieren: Durch die Auswertung statistischer Informationen zu früheren Vorfällen hofft die Polizei, vermutete Kriminalitätsschwerpunkte vorzeitig aufzuspüren. Vor drei Jahren übernahm IBM hierfür bereits die Firma SPSS. Die »vorhersagende« Überwachungsplattform von IBM ist längst in verschiedenen US-Städten im Einsatz.
In Antworten auf frühere Anfragen von Hunko hatte das Innenministerium stets dementiert, daß deutsche Behörden »prädiktive« Software nutzen. Nun wird eingeräumt, daß deren Vertreter sogar Kollegen im Ausland in deren Gebrauch einweisen. Dies, obwohl es im Inland noch nicht einmal eine öffentliche Debatte darüber gegeben habe, »inwiefern derartige Werkzeuge zur Rasterfahndung überhaupt im Polizeialltag zur Normalität werden dürfen«, monierte Hunko. Und obwohl fraglich ist, ob eine Automatisierung der Strafverfolgung mit Software wie »Analyst’s Notebook« einer datenschutzrechtlichen Überprüfung standhalten würde. Letztlich unterscheiden sich auf diese Weise erstellte »Hypothesen« nur wenig von der in den USA bereits praktizierten »vorhersagenden Polizeiarbeit«. »Meiner Meinung nach hält hier eine Rasterfahndung Einzug, deren Anwendung tief in das Persönlichkeitsrecht der Ausgeforschten eingreift«, erklärte Hunko. Die Bundesregierung müsse sich deshalb auch zur sogenannten Inhaltlichen Datenträgerauswertung (IDA) erklären, »die vom BKA angeblich selbst entwickelt wurde«. IDA soll den Bundeskriminalisten helfen, den Überblick über die wachsenden Datenmengen zu behalten. Die IDA-Software erkennt Sprachen, sucht doppelte Einträge, filtert relevante Daten heraus und erstellt die für andere Programme notwendigen Statistiken.
Unterdessen ist die Europäische Union bemüht, die Standards digitaler Strafverfolgung zu vereinheitlichen. Hierfür hat die EU-Kommission das Forschungsprogramm »Composite« ins Leben gerufen, mit dem die technologische Entwicklung in zehn Ländern analysiert werden soll. In dessen Rahmen beobachtete Trends sind etwa die zunehmende Nutzung von sozialen Medien oder Biometrie zur Strafverfolgung. Seminare dazu führt das BKA beispielsweise mit Polizisten der Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabiens durch.