Vom 14. bis zum 22. Mai 2012 wird es in Paris zum ersten Anti-Terrorismus-Prozess gegen Personen kommen, die der „anarcho-autonomen Bewegung“ zugerechnet werden.
Kurze Zusammenfassung: Was bisher geschah
Ivan, Bruno und Damien werden im Januar 2008 auf dem Weg zu einer Demonstration vor dem Abschiebegefängnis in Vincennes im Besitz von Rauchpulver und Krähenfüßen [verbogene Nägel, die, auf die Straße gestreut, Autos die Luft aus den Reifen lassen] verhaftet, die für Justiz und Medien zu einer „Nagelbombe“ werden. Ivan und Bruno werden in Untersuchungshaft genommen, Damien wird unter richterliche Aufsicht gestellt.
Einige Tage später werden Ines (* Isa) und Franck (Farid *) in einer Zollkontrolle in Vierzon im Besitz von Anleitungen zur Sabotage, Bauplänen von einem Jugendgefängnis und Chlorat festgenommen. Die Anti-Terrorismus-Abteilung greift den Fall auf. Die Polizei behauptet, dass Isas DNA mit einer von fünf DNA-Spuren auf einer Tüte mit Benzin gefüllten Flaschen übereinstimmt, die in der Zeit zwischen den beiden Wahlgängen der Präsidentschaftswahl 2007 unter einem Abschleppwagen der Bullen aufgefunden wurde.
Schon bald werden beide Fälle zu einer Ermittlung unter der Zuständigkeit des gleichen Anti-Terror-Richters zusammengefasst. Die Polizei durchkämmt das Umfeld der Festgenommenen und andere als „anarcho-autonom“ erfasste Personen, um herauszufinden, wer sich hinter den fehlenden DNA verbirgt. Javier (* Juan), der Bruder von Ines (* Isa) und Damien (der mit Ivan und Bruno verhaftet wurde) verbringen mehrere Monate im Gefängnis, weil auch ihre DNA mit den unter dem Abschleppwagen gefundenen angeblich übereinstimmen. Außerdem wird seit Juni 2010 gegen Javier (*Juan) wegen einer Serie von Brandanschlägen auf Bahn-Signalanlagen ermittelt, die während der Mobilisierung gegen den Ersteinstellungsvertrag (CPE) im Jahr 2006 Teile des Zugverkehrs lahmlegte. Seine DNA soll am Tatort einer versuchten Sabotage gefunden worden sein.
Ines (* Isa), Javier (* Juan), Damien, Ivan, Frank (* Farid) und Bruno haben im Zusammenhang mit diesem Verfahren jeweils zwischen fünf und 13 Monate in Haft verbracht. Und sie bleiben bis zum Gerichtsverfahren unter richterlicher Aufsicht.
Der anstehende Prozess
Vom 14. bis zum 22. Mai 2012 wird es nun in Paris zum ersten Anti-Terrorismus-Prozess gegen Personen kommen, die der „anarcho-autonomen Bewegung“ zugerechnet werden. Die sechs Angeklagten haben sich wie Hunderttausende von anderen an den verschiedenen sozialen Kämpfen der letzten Jahre beteiligt: der „CPE“-Bewegung, den Revolten während der Präsidentschaftswahlen von 2007, den Kämpfen gegen die Inhaftierung von Migrant_innen ohne Papiere und für Bewegungsfreiheit… Von unangemeldeten Demonstrationen bis zu Sabotageaktionen verließ der Konflikt, der in diesen Kämpfen zum Ausdruck gebracht wurde, oft den legalen Rahmen und die gewohnten gewerkschaftlichen und politischen Vermittlungsbemühungen. Und wenn etwas in Bewegung kommt, ist der Staat darauf aus, einige zu bestrafen, um allen Angst zu machen: durch Polizei und Justiz versucht er, zwischen „guten Demonstranten“ und „bösen Chaoten“ zu unterscheiden und die Aktionen vom Kontext zu lösen, in den sie sich einschreiben, um zu spalten und so seine Macht besser ausüben zu können. Was angegriffen wird, ist auch die „falsche Gesinnung“ und der Versuch, diese selbsttätig umzusetzen.
Trennen. Es reicht, sich ein Schnellverfahren anzuschauen, um festzustellen, dass die Armen und Ausgegrenzten immer für schuldig gehalten und oft auch verurteilt werden: Schuld und Unschuld sind die beiden wichtigsten Konzepte, die täglich in den Büros der Staatsanwaltschaft und in den Gerichtssälen zum Einsatz kommen, um die soziale Ordnung aufrecht zu erhalten. Diese Kategorien können nicht unsere sein. Der Versuch, vor Gericht seine Haut zu retten, bedeutet nicht seine Ideen und sein Handeln zu verleugnen.
Isolieren. Die Justiz zwingt uns den ihr eigenen Rhythmus auf: den der polizeilichen Untersuchung, des Gefängnisses, der richterlichen Auflagen, des Prozesses. Diese gerichtlich verfügte Zeit isoliert nicht nur die Angeklagten, indem sie weggesperrt werden, sondern setzt sie unter dauerhaftem Druck – zum Beispiel durch Auflagen, die es verbieten, einander zu sehen. In den Nachforschungen geht es außerdem darum, Profile zu erstellen, um die zu verhängenden Strafen voneinander zu unterscheiden und auch um exemplarisch zu strafen.
Spalten. Angefangen bei denen, die gemeinsam in Treppenhäusern rumhängen bis hin zu den Demonstrant_innen: sie alle stellen dadurch, dass sie sich treffen und gemeinsam organisieren, eine potentielle Bedrohung für die Macht dar. Die Anklage der „kriminellen oder terroristischen Vereinigung“, der „Bande“ und des „gemeinsamen Plans“ werden zunehmend als „erschwerende Umstände“ eingesetzt: Damit können Strafen erhöht und Menschen in ihrer Vereinzelung gehalten werden. Nach derselben Logik funktioniert die Anti-Terror-Gesetzgebung, um je nach den politischen Interessen des Augenblicks Unruhestifer_innen vom „Gesellschaftskörper“ abzusondern und jene Gedanken und Praktiken unschädlich zu machen, die außerhalb des institutionellen Rahmens liegen.
Allerdings sind die Mechanismen der Justiz nicht die einzigen Werkzeuge der Macht, die kritisiert und bekämpft werden müssen. Vielfältige Maßnahmen und Einrichtungen sind täglich an der Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung und Ausbeutung beteiligt: Kredite und Antidepressiva, Lohnarbeit und Kontrolle durch Ämter, Schule und Armee… Aber nicht nur in Griechenland verweigern Tausende von Menschen den Rahmen, der ihnen durch Kapitalismus und Staat gesteckt wird. Was im Gerichtssaal passieren wird, ist keine zwischenmenschliche Beziehung zwischen den Angeklagten und Richter_innen, sondern eine Konfrontation zwischen den besitzenden Klassen und den Ausgebeuteten, eine Konfrontation zwischen der Behörde und den Widerständigen. Solidarität auszudrücken heißt, an diesem Kampf teilzunehmen. Solidarität mit den Angeklagten!
Für mehr Informationen: http://infokiosques.net/mauvaises_intentions