[heise.de] Die Europäische Union steht kurz vor dem Abschluss eines Abkommens mit
den USA, das dem FBI künftig Einblick in die Internet- und
Kreditkartennutzung und das Reiseverhalten von EU-Bürgern gewähren
würde. Einer aktuellen Meldung
des Guardian zufolge, dem Details aus einem entsprechenden Bericht von
EU- und US-Unterhändlern bekannt sind, sollen die Verhandlungen über
den Datenaustausch weit fortgeschritten sein – trotz jahrelangem
Widerstand seitens europäischer Länder "mit strengeren Gesetzen zum
Schutz der Privatsphäre".
Laut dem Bericht harrt ein strittiger Punkt noch der Lösung: die
Frage, inwiefern EU-Bürger die amerikanische Regierung im Falle eines
Missbrauchs persönlicher Daten gerichtlich belangen können. Auch über
eine andere heikle Angelegenheit hat man sich offenbar noch nicht
geeinigt: Welche "angemessenen Grenzen" die amerikanischen Behörden
daran hindern sollen, weitere Informationen über Religion, politische
Meinung und das intime Leben eines EU-Bürgers einzuholen.
Anfang des Jahres war bekannt geworden,
dass das FBI zusammen mit verbündeten Staaten der USA, wie
Großbritannien, Australien und Kanada, eine internationale biometrische
Datenbank einrichten will. Das Projekt konzentriert sich jedoch auf
"international bekannte Terroristen und Kriminelle", "Schwerkriminelle
und verdächtige Terroristen" sowie Kriminelle mit internationalen
Verbindungen und Personen, die in Terrorermittlungen verwickelt sind.
Update:
Laut Informationen
der New York Times, die an einen internen Bericht mit den grundlegenden
Inhalten des USA-EU-Abkommens gelangt ist, drängt die amerikanische
Regierung darauf, das Abkommen noch vor Ende der Amtszeit von Präsident
Bush im Januar nächsten Jahres zu unterzeichnen. Man spekuliert demnach
mit Möglichkeiten, die parlamentarischen Kammern zu umgehen, so dass
die Unterschrift des Präsidenten genügen würde.
Was die europäische Seite angeht, so wäre der Zeitpunkt für eine
Unterzeichnung jetzt günstig, schreibt die Zeitung, solange noch die
Mitgliedsländer und nicht
auch das EU-Parlament beteiligt werden müsste. Vom EU-Parlament hieße
es, dass es der amerikanischen Anti-Terror-Politik skeptischer
gegenüberstehe. Laut Reformplänen der EU soll das europäische Parlament
im nächsten Jahr neue Befugnisse erhalten, ob sie allerdings dazu
reichen, solche Datenaustausch-Abkommen zu stürzen, ist fraglich. Klar
dürfte aber sein, dass das irische Nein zum Vertrag von Lissabon die
angesprochenen Zeitpläne durcheinander gebracht hat.
Als weiterer Faktor, der das Zustandekommen der Vereinbarung
verlangsamen könnte, werden Interessen von transatlantisch operierenden
Unternehmen erwähnt, die im Konflikt keinen wirtschaftlichen Schaden
erleiden wollen.
Sowohl die amerikanische Regierung wie die EU-Kommission hätten die
Verhandlungen und deren Inhalte nicht veröffentlicht, so die New York
Times. Der gegenwärtig erzielte Fortschritt bei den Verhandlungen zum
Datenaustausch-Abkommen sei in einem wenig beachteten Absatz des
gemeinsamen Statements anlässlich des EU-US-Gipfeltreffens in Slowenien
am 10.Juni vermerkt.
Man darf gespannt sein, wie Datenschützer auf diese Vereinbarung
reagieren. So sollen die europäischen Vertreter darin u.a. konzediert
haben, dass das amerikanische System der Überwachung von Datentransfers
gut genug sein soll, um für Verlässlichkeit bei der Verwendung von
europäischen Daten zu sorgen. (tpa/Telepolis)