Vom Terrorismus-Vorwurf ist kaum noch was übrig

Während morgen der G8-Gipfel in Japan beginnt, beschäftigen die Proteste gegen das Treffen in Heiligendamm 2007 noch immer deutsche Gerichte. Wegen der angeblichen Bildung einer terroristischen Vereinigung hatte es Razzien gegeben. Ein Jahr später befasst sich nicht mehr die Bundesanwaltschaft mit den Verfahren, sondern unter anderem das Landgericht Flensburg.

[tagesschau.de] Der Beschluss des Landgerichts Flensburg vom Juni 2008 ist deutlich. Dort heißt es zu einem Ermittlungsverfahren gegen mehrere linke Aktivisten: "Ein Anfangsverdacht nach §129a StGB war von vornherein nicht gegeben." Konkret ging es um mehrere Fälle von Brandstiftungen im Zusammenhang mit dem G8-Gipfel in Heiligendamm, die die Bundesanwaltschaft als Terrorismus eingestuft hatte. Dazu schreiben die Flensburger Richter, dass "die aufgeführten Straftaten dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen" seien. "Eine erhebliche Schädigung eines Staates oder einer internationalen Organisation bestand von vornherein nicht." Dies ist aber Voraussetzung dafür, dass der sogenannte Terrorismus-Paragraf 129a – mit weitreichenden Überwachungsmaßnahmen – zur Anwendung kommen darf.

Das Flensburger Gericht geht detailliert auf die angeblich terroristischen Taten ein, zunächst auf einen Anschlag auf einen Bundeswehrbus: "Die drei Brandstiftungen sind in einem großen zeitlichen Abstand verübt worden. Dabei kam es im ersten Fall ohnehin nur zu einem Versuch. Der Sachschaden betrug ca. 1000 Euro. Die Einwirkung auf die beiden Reifen des Bundeswehrbusses waren so minimal", dass der Busfahrer "keine Bedenken hatte, mit dem unreparierten Fahrzeug nach Lüneburg zurückzufahren."

Auch eine Brandstiftung im Jahr 2004 habe "keine Auswirkungen" gehabt. Ziel des Brandanschlags in Berlin seien 14 beziehungsweise 17 Jahre alte Sanitäts-Unimogs der Bundeswehr gewesen, so das Gericht. "Auch der zeitgleich ausgeführte Anschlag in Bad Oldesloe auf den Schulungsraum der Firma Hako" habe zu keinen größeren Schäden geführt. "Nach dem Brandbericht verbrannten dort lediglich Teile der Deckenverkleidung und ein Innenrollo", heißt es in dem Flensburger Bericht.

Generalbundesanwalt nicht zuständig

Daraus schließen die Flensburger Richter, dass auch ein Tatverdacht nach Paragraf 129a StGB nicht vorgelegen habe – und damit die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts nicht gegeben sei. Die Voraussetzung "der besonderen Bedeutung des Falles" lag nicht vor, "weder wurden Menschen gefährdet, noch ist es zu einer merklichen Beeinträchtigung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung durch diese Taten gekommen".

Bereits im Januar 2008 hatte der Bundesgerichtshof mehrere Razzien als rechtswidrig eingestuft. Im Vorfeld des G8-Gipfels waren im Mai 2007 in mehreren Bundesländern mehr als 40 Wohnungen und linke Kultureinrichtungen durchsucht worden. Dabei wurde in mindestens einem Fall eine Wohnung verwanzt. Im Rahmen der "Wohnraumüberwachung" sei nicht nur lückenlos überwacht, sondern "auch alles dokumentiert" worden, berichtet einer der Anwälte der Beschuldigten: "Bedienen von technischen Geräten in der Wohnung, Toilettengänge, Geräusche beim Packen eines Rucksacks, bis hin dazu, dass Geräusche während des Schlafens ausgewertet wurden." Zusätzlich seien die Telefongespräche an dem Arbeitsplatz des Beschuldigten, einem Altenpflegebetrieb, abgehört und aufgezeichnet worden. "Das war kein Großer Lauschangriff, das war ein Riesenlauschangriff", so der Hamburger Anwalt Manfred Getzmann.

Obwohl die Überwachungsmaßnahmen längst als rechtswidrig eingestuft wurden, liegen die Abhörprotokolle offenbar noch immer bei den Ermittlungsakten. Darunter befinden sich auch Abschriften von Telefonaten, die Beschuldigte mit Rechtsanwälten und Journalisten geführt hatten – darunter auch ein Telefonat mit einem Mitarbeiter von tagesschau.de.
"Richterliche Kontrolle funktioniert"

Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte nach dem BGH-Beschluss, Generalbundesanwältin Monika Harms sei "in einer Rechtsfrage korrigiert worden. Das muss sie tapfer ertragen". Harms habe damals "nach bestem Wissen und Gewissen" entschieden. Die Bundesanwaltschaft ließ mitteilen, man "respektiere" die Entscheidung.

Der Grünen-Politiker Christian Ströbele sagte hingegen, die Versuche seien "endgültig gescheitert, den Widerstand gegen den G8-Gipfel als terroristisch zu disqualifizieren". Der Rechtsexperte der FDP-Bundestagsfraktion, Max Stadler, kritisierte, es gebe bei den Strafermittlungen offenbar die Tendenz, den relativ offen formulierten Terrorismusparagrafen 129a weit auszulegen. Deshalb sei es gut, dass die richterliche Kontrolle funktioniere und einer zu weiten Auflage Grenzen gesetzt würden.

"Eher Geheimdiensttätigkeit"

Das sehen die Beschuldigten und deren Anwälte allerdings anders. Sie hatten bereits kurz nach den Razzien kritisiert, "das ganze hoch angesetzte Verfahren" habe dazu gedient, "Strukturen, Personen, Gespräche auszuforschen. Die Ermittlungen liefen demnach präventiv – und widersprachen damit den Grundlagen der Strafprozessordnung. Es handelte sich eher um Geheimdiensttätigkeit – unter dem Mantel eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens."

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