Die Wünsche der EU-Innenminister

In einem vertraulichen Bericht legte eine von Schäuble während der
deutschen EU-Präsidentschaft geschaffene Gruppe Empfehlungen für die
Sicherheitspolitik der nächsten Jahre vor

[telepolis.de] Die unter der deutschen EU-Präsidentschaft von Bundesinnenminister
Wolfgang Schäuble und dem damaligen EU-Kommissar für Recht, Frieden und
Sicherheit, Franco Frattini, im Januar 2007 gegründete Informal High
Level Advisory Group on the Future of European Home Affairs Policy
(„The Future Group“) hat im Juni den Regierungen einen vertraulichen
Bericht mit Empfehlungen für die Sicherheits- und Rechtspolitik von
2010 bis 2014 vorgelegt. Der Gruppe gehörten die Innenminister von
Deutschland, Portugal, Slowenien, Frankreich, der Tschechischen
Republik, Schweden, Spanien, Belgien und Ungarn, ein Vertreter des
EU-Parlaments und des Rats sowie der britischen Generalstaatsanwältin
Baroness Scotland an, da Großbritannien gerne eigene Wege beschreitet
und ein anderes Rechtssystem besitzt.

Der Bericht
mit dem Titel „Freedom, Security, Privacy – European Home Affairs in an
open world“, der mittlerweile Statewatch zugespielt und dort
veröffentlicht wurde, plädiert für einer enge Verzahnung Europas mit
den USA. So soll vor allem der Datenaustausch mit der Einrichtung eines
„euro-atlantischen Gebiets der Kooperation“ erleichtert werden, um den
Terrorismus zu bekämpfen. Eingerichtet werden sollte ein solches
Abkommen bis 2014, so dass dann die USA, wie schon lange gewünscht,
Zugriff auf weit mehr Daten von europäischen Bürgern hat, als dies
bislang der Fall ist.

The European Union will inevitably need strong partners
to succeed in the fight against terrorism on a global scale. In the
same way as Europe, the United States is especially confronted with
these threats. Therefore the Group considers close and continuous
cooperation with the United States to be indispensable. First of all,
this requires a greater understanding of the de lege lata situation on
both sides. In the medium term, this cooperation should lead to greater
convergence, including in the different legal frameworks of data
protection. By 2014 the European Union should also make up its mind
with regard to the political objective of achieving a Euro-Atlantic
area of cooperation with the United States in the field of Freedom,
Security and Justice.

Überdies sollten Themen der Innenpolitik stärker mit der Außenpolitik
verzahnt werden. Äußere und innere Sicherheit seien eng miteinander
verbunden. Die Zusammenarbeit der Innen-, Verteidigungs-, Außen- und
Entwicklungshilfeminister müsse im Ausland die Rolle des Rechts stärken
und gleichzeitig Bedrohungen verhindern. Dafür sei ein „differenzierter
Zugang zu einzelnen dritten Staaten und Regionen erforderlich“. Die
Maßnahmen müssten einer „geografischen Priorität und politischen
Differenzierung“ folgen.

Der Kampf gegen den Terrorismus erfordere allgemein
ein intensivere Kooperation der EU-Mitgliedsstaaten, einen erweiterten
Datenfluss zwischen den Staaten sowie zwischen Polizei und
Geheimdiensten mitsamt einem Netzwerk an Antiterrorzentren und die
Konzentration auf Präventivmaßnahmen, um „Rekrutierung und
Radikalisierung“ zu verhindern. Dabei geht es offenbar vor allem um das
Internet, das besser überwacht werden müsste. Man sollte auch Maßnahmen
entwickeln, schlägt der Bericht nebulös vor, um „die terroristische
Nutzung des Internet“ zu unterbinden. Irgendwie müsse man dazu aber
auch besonders die Internetkultur und die Eigenschaften der
„Cyber-Sprache“ einsetzen. Mit einer „kulturellen Intelligenz“ müsse
man über das Internet und die anderen Medien die Radikalisierung
bekämpfen.

Wichtig sei neben der Koordinierung des
Antiterrorkamps auch die Entwicklung eines gemeinsamen
Zivilschutzprogramms, das auch für terroristische Anschläge zuständig
sein sollte. Neben der Entwicklung von internationalen Standards des
Strafrechts müsse man „neue und flexible Mittel der Abschiebung und der
Überwachung“ entwickeln. So soll die Videoüberwachung in der EU eine
größere Rolle spielen, ebenso die Kontrolle von Explosivstoffen und
deren Ausgangsmaterialien und die Überwaschung der Finanzströme.
Natürlich sollen die EU-Sicherheitsbehörden wie Europol, Eurojust,
Frontex, und Sitcen (Joint Situation Centre) weiter ausgebaut und die
Migrationspolitik vereinheitlicht werden.

Interessant ist auch, dass die Autoren des Berichts
von weiteren Auslandseinsätzen ausgehen. „Die zunehmende Vielfalt an
Bedrohungen“, so heißt es, „lässt es für die EU und andere notwendig
werden, mit sich überschneidenden Polizei- und Militärproblemen in
Krisenregionen zurecht zu kommen.“ Dazu sei es gut, wenn nicht nur
europäische schnelle Eingereiftruppen vorhanden sind, sondern die
Mitgliedsstaaten gemeinsame „robuste“ Polizeikontingente für „Missionen
in Drittländer“ aufbauen, die schnell eingesetzt werden können.

In allen Sicherheitsfragen sei die Bedeutung der
Information und des Informationsflusses primär. Technisch müsse man
zwar auch den Datenschutz fördern, wichtiger aber ist den Autoren, dass
die EU-Mitgliedsstaaten Gelder in die Forschung und Entwicklung von
Daten-Analyse-Systemen und in den Echtzeit-Austausch von Daten
investieren, wobei eine gemeinsame technische Plattform und gemeinsame
Netzwerke im Blick stehen sollen.

We are living in a global information society covering
all areas of social life. Home Affairs policies have to keep pace with
this development in which the rapid exchange of information is a key
aspect for efficiency and success.

Technisch „modernisiert“ werden sollen auch die Kontrollen der
EU-Außengrenzen nach US-Vorbild. So wird ein „elektronisches System für
Reisegenehmigungen“ gefordert, ein System zur Verfolgung der Ein- und
Ausreise von Ausländern oder automatische Grenzkontrollsysteme für
EU-Bürger, um die Abfertigung zu beschleunigen. Das European Border
Surveillance System (Eurosur) müsse ausgebaut, gemeinsame Visa-Zentren
sollten im Ausland eingerichtet werden.

Florian Rötzer 08.08.2008

Source: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/28/28493/1.html