[heise.de] Das neue Polizeigesetz in Baden-Württemberg ist in trockenen Tüchern, aber das Thema Online-Durchsuchung bleibt in der CDU/FDP-Regierung umstritten. Zur CDU-Forderung nach mehr heimlichen Überwachungsmöglichkeiten privat genutzter Computer via Internet sagte Justizminister Ulrich Goll (FDP) gegenüber dpa: "Ein Gesetz zur Online-Durchsuchung wird es mit uns nicht geben." Landespolizeipräsident
Erwin Hetger erklärte hingegen, das Thema sei noch nicht vom Tisch: "In
einem gewissen Abstand wird sich die Frage nach der Online-Durchsuchung
neu stellen." Nach Ansicht der Grünen marschiert das Land mit der Gesetzesnovelle "mit 7-Meilen-Stiefeln in den Überwachungsstaat".
Unstimmigkeiten über andere neue Regelungen im Polizeigesetz hatten
die Koalitionspartnern zuvor ausgeräumt. Dazu zählen die
Videoüberwachung sowie die Möglichkeit, Verbindungsdaten von Handys,
SMS oder E-Mails von Verdächtigen zu erheben. Goll betonte: "Wir haben
durchgesetzt, dass in Baden-Württemberg auch in Zukunft zu präventiven
Zwecken keine Gesprächsinhalte abgehört werden können." Hetger zeigte
sich aus Sicht des CDU-geführten Innenministeriums allerdings über
diesen Kompromiss unzufrieden: "Ich kann nicht verhehlen, das ich bei
der präventiv-polizeilichen Überwachung der Telekommunikation auch
gerne Inhalte aufgenommen hätte." Jetzt darf nur festgehalten werden,
wer mit wem, wann und wie lange in Kontakt stand.
"Für diesen ausgewogenen Kompromiss zwischen Freiheit und Sicherheit
haben wir lange und erfolgreich verhandelt", sagte Goll. Das Kabinett
wird die Novelle des Polizeigesetzes voraussichtlich am 19. August
beschließen. Anschließend muss der Landtag das Gesetz nach zweimaliger
Lesung verabschieden, bevor es voraussichtlich im Herbst in Kraft
tritt. Hetger erwartet in Folge der Neuregelungen einen deutlichen
Gewinn an Sicherheit. Er sagte: "Es ist ein sehr ausgewogenes
Polizeigesetz mit einer moderaten Anpassung an die Sicherheitslage in
Bezug auf islamistischen Terrorismus und Schwerkriminalität. Dabei
steht aber auch der verbesserte Schutz der Bevölkerung im Vordergrund."
Die Videoüberwachung ist im Südwesten künftig auch bei größeren
Menschenansammlungen möglich, wenn besondere Gefahren bestehen. "Die
abstrakte Gefährdung wird dabei von den Sicherheitsbehörden aufgrund
einer Gefährdungsanalyse geprüft", sagte Hetger. Im Vordergrund stünden
terroristische Gefahren. Zeitlich begrenzt dürfen die Kameras auch an
bestimmten Orten filmen, bei denen mehr Verbrechen geschehen als auf
dem übrigen Gebiet der Gemeinde. Die Aufzeichnungen dürfen generell
höchstens vier Wochen gespeichert werden.
Die Reform des zuletzt vor acht Jahre novellierten Gesetzes war auch wegen diverser höchstrichterlicher Entscheidungen in Karlsruhe
notwendig. Nach Einwänden der Kirchen sowie der Rechtsanwaltskammer
wurde im Polizeigesetz nun auch der besondere Schutz sogenannter
Berufsgeheimnisträger neu geregelt. Geistliche, Strafverteidiger und
Parlamentsabgeordnete unterliegen nicht der Auskunftspflicht. Die
Rasterfahndung ist nun prinzipiell nur bei konkreter Gefahr zulässig;
bei der Wohnraumüberwachung müssen sich die Ermittler ausklinken, wenn
der "Kernbereich der privaten Lebensgestaltung" wie etwa ein Gespräch
zwischen Ehegatten beginnt.
Die automatisierte Überprüfung von Autonummern ist künftig möglich,
wenn ein konkreter Anlass besteht. Die Kennzeichen werden mit einer
Datei abgeglichen, in der gestohlene Fahrzeuge und Fahrzeuge Vermisster
registriert sind. Bei einem Treffer wird kontrolliert.
Siehe dazu auch:
Zu den Auseinandersetzungen um die Terrorismus-Bekämpfung, die
erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die
Online-Durchsuchung siehe auch:
(Tatjana Bojic, dpa) /
(jk/c’t)
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