Zwar wurde die Teilnahme der rumänischen Regierung am Schengen-Zirkus vorerst verzögert. Jedoch sollen bald auch Rumänien und Bulgarien an der viel gepriesenen Freizügigkeit teilhaben, die für die privilegierten BürgerInnen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union vereinbart wurde. Diese scheinbare Bewegungsfreiheit durch den Abbau der Grenzen zwischen den Mitgliedsstaaten ging indes mit der Einrichtung einer neuen Datenbank einher: Dem Schengener Informationssystem SIS II, das größtenteils zum Aufspüren unerwünschter MigrantInnen genutzt wird.
Eine besondere Rolle in der Migrationsabwehr spielt die sogenannte „EU-Grenzschutzagentur“ Frontex. Unter Aufsicht der Frontex-Zentrale in Warschau patrouillieren die Polizeien der EU-Mitgliedsstaaten an den See- und Landgrenzen wie auch an Flughäfen in der Europäischen Union.
Aber nicht nur die Machenschaften von Frontex unterhöhlen den Schengener Grenzkodex hinsichtlich der behaupteten Aufhebung von Grenzkontrollen.
In den letzten Jahren sind sogenannte „Gemeinsame Polizeioperationen“ in Mode gekommen. Diese Großeinsätze, die jeweils mit bis zu 20.000 Bullen organisiert werden, setzen die Freizügigkeit auch innerhalb der Grenzen der EU-Mitgliedsstaaten für mehrere Tage außer Kraft.
Verantwortlich sind hierfür neu entstandene grenzüberschreitende Polizei-Vernetzungen, wie sie sowohl unter Verkehrspolizeien, Bahnpolizeien, Wasserpolizeien wie auch Flughafenpolizeien aufgebaut wurden. Mehrmals im Jahr verabreden sich diese Netzwerke überdies zu einer übergreifenden Operation, die einer so genannten „Bekämpfung illegaler Migration“ dienen soll.
Diese „Gemeinsamen Polizeioperationen“ oder treffender: die ständigen Generalangriffe auf die Bewegungsfreiheit sollen die Polizeibehörden der Mitgliedstaaten und EU-Agenturen untereinander synchronisieren. Die jeweils mehrtägigen Kontrollen setzen die seit 2006 offiziell geltende Freizügigkeit außer Funktion. Die Grenzen der EU-Mitgliedsstaaten können also nicht wie behauptet an jeder Stelle ohne Kontrolle überschritten werden.
Die EU-Grenzpolizei Frontex ist ebenfalls an den gemeinsame Polizeioperationen beteiligt, obwohl die Agentur offiziell nur an den Außengrenzen eingesetzt werden soll. Die grenzüberschreitenden Einsätze sammeln zudem statistisches Material für die Frontex-Macher in Warschau.
Letztes Jahr hatte der Europäische Gerichtshof geurteilt, dass der Schengener Grenzkodex ebenso ausschließt, in einem 20 km breiten Streifen entlang der Binnengrenzen ohne Anlass Personen zu kontrollieren – eine Praxis, die in Deutschland weiter munter betrieben wird. Letztes Jahr wurden an Flughäfen, Bahnanlagen und in der Nähe der deutschen Grenzen über 3 Millionen Identitätsfeststellungen vorgenommen; also die Betroffenen, vor allem MigrantInnen, mit rassistischen Kontrollen belästigt.
Hinzu kommt die Wiedereinführung von Grenzkontrollen etwa anlässlich von Gipfeltreffen, die vorrangig AktivstInnen treffen. Auch im Rahmen dieser Kontrollen zur polizeilichen Handhabung von Gipfelprotesten geraten regelmäßig MigrantInnen ins Netz der Grenzpolizeien.
Doch es gibt auch immer wieder Initiativen, die hochgerüstete Migrationsabwehr zu bekämpfen oder wenigstens auszuhöhlen. Mitte Oktober wollen in Italien „Schiffe der Solidarität“ in See stechen, um auf das tägliche Sterben von MigrantInnen auf dem Mittelmeer aufmerksam zu machen.
Diese sogenannte „Flottille, um das Blutbad im Mittelmeer zu beenden“ will die Politik der Europäischen Union anprangern: Nach den teils erfolgreichen Aufständen in Nordafrika steht die Wiedererrichtung der Grenzsicherung weit oben auf der Agenda der EU-Mitgliedsstaaten und ihrer Rüstungs- und Softwarekonzerne mit dem Ziel einer möglichst umfassenden, technikgestützten Kontrolle von Migrationsbewegungen in der EU.
Wir rufen dazu auf, anlässlich der für Oktober geplanten „Schiffe der Solidarität“ auch innerhalb der EU für Solidarität zu sorgen.
Schiffe zu den Boat-people!
Kein Krieg gegen Flüchtlinge!
Bewegungsfreiheit zu Wasser, in der Luft und an Land erkämpfen!
[…] […]