Deutsche Polizisten im Schweizer Nahkampf

[tagesanzeiger] Sollte an der Fussball-EM die Lage eskalieren, wären Polizisten aus
Deutschland an vorderster Front im Einsatz. Deutsche
Polizeigewerkschafter melden «grosse Vorbehalte» an.

Die Deutschen in der Schweiz haben es nicht immer leicht. Sie werden
angepöbelt, sie werden beschimpft, sie werden schikaniert. Ob das
verkrampfte Nachbarschaftsverhältnis dank der
Fussball-Europameisterschaft in knapp anderthalb Monaten freundlicher
wird, bleibt abzuwarten. Das Sicherheitsdispositiv für den Grossanlass
allerdings wird kaum zur Entspannung beitragen. Dieses sieht nämlich
vor: Falls die Lage eskaliert, gehen deutsche Polizisten an vorderster
Front gegen Krawallmacher vor – auch gegen Schweizer Krawallmacher.

«Ein psychologisches Problem»

«Die deutschen Ordnungskräfte sind vor allem für das Durchgreifen
bei Ausschreitungen zuständig», hält dazu Anita Panzer fest,
Medienverantwortliche des EM-Projekts Sicherheit der öffentlichen Hand.
«Sie sind dafür auch speziell geschult.» Vorgesehen ist, dass mehrere
Hundert so genannte Bereitschaftspolizisten vor allem aus
Baden-Württemberg und Hessen rund um die Spiele in Zürich und Basel
eingesetzt werden. Sie tragen ihre eigenen Uniformen und stehen unter
dem Kommando der Basler beziehungsweise Zürcher Polizei.

Am geplanten Einsatz deutscher Polizisten im
Schweizer EM-Ernstfall wird jetzt aber Kritik laut – von Seiten der
deutschen Polizei. «Wir haben grosse Vorbehalte gegen den Plan», sagt
Josef Schneider, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft
Baden-Württemberg, die rund 15 000 von 25 000 Polizisten des Landes
vertritt. «Das könnte ein psychologisches Problem werden.»

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Ein «psychologisches Problem»
könnte es vor allem deshalb werden, weil die Polizisten der beiden
Länder bei Eskalationen sehr unterschiedlich vorgehen: Schweizer Beamte
dürfen im Ernstfall Distanzwaffen einsetzen, vor allem
Gummischrotgewehre, und können so Krawallmacher auf Distanz halten. Das
ist den deutschen Polizisten verboten. Sie müssen bei Eskalationen
ihren Schlagstock einsetzen und unter Umständen in den Nahkampf gehen.
Oder wie es Schneider ausdrückt: «Sie müssen, wenns drauf ankommt, hart
zupacken.» Er hoffe aus diesem Grund nur, «dass an der Euro nichts
Ernsthaftes passiert».

Gegen den Einsatz deutscher Polizisten in der
Schweiz hat sich auch grundsätzlicher Widerstand geregt: Die
SPD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag wies Anfang Jahr darauf
hin, dass die deutschen EM-Polizisten unter Umständen im eigenen Land
gebraucht würden  dann nämlich, wenn es da in der fraglichen Zeit zu
ernsthaften Gewaltandrohungen und Gewalteskalationen komme.
Mittlerweile beschwichtigt das deutsche Bundesinnenministerium. «Bei
Bedarf können sich die Bundesländer Deutschlands untereinander
unterstützen», hält der Pressesprecher fest.

Nichtsdestotrotz ist in den Verträgen, welche die
Einsätze der deutschen Polizisten in Zürich und Basel regeln, eine Art
Vorbehaltsklausel eingebaut: Die Polizisten kommen in die Schweiz,
sofern sie nicht für Ernstfälle in Deutschland gebraucht werden. Die
Sicherheitsverantwortlichen in der Schweiz sehen darin kein Problem:
«Es besteht für uns zurzeit kein Anlass, an der Verfügbarkeit der
deutschen Kräfte zu zweifeln», sagt Anita Panzer.

Das EM-Sicherheitsdispositiv der Schweiz geht von
einer so genannten 3-D-Taktik der Polizei aus: zuerst den Dialog
suchen, dann deeskalierend wirken und schliesslich – falls alles nichts
nützt – durchgreifen. Fürs Durchgreifen, also für den Ernstfall, sind
neben deutschen auch Schweizer Polizisten vorgesehen. Wie viele genau,
steht noch nicht fest. Grundsätzlich kommen dafür rund 11 000 von total
16 000 Beamten in Frage.

Kosten: 6,5 Millionen Franken

Dazu kommen rund 850 Polizisten aus Deutschland: 500 aus
Baden-Württemberg, 250 aus Hessen und 100 aus der Bundespolizei. Die
meisten von ihnen sind Bereitschaftspolizisten, daneben werden vor
allem Fan-Szenen-Kenner abgeordnet. Und schliesslich werden in Genf
auch rund 150 französische Polizisten eingesetzt. Diese dürfen aus
rechtlichen Gründen aber nur Aufgaben im Hintergrund wahrnehmen.

Die Kosten für die deutschen und französischen
Polizisten übernimmt der Bund. Er rechnet mit Ausgaben von 6,5
Millionen Franken, die er aus seinem EM-ReserveBudget zahlt. Für dieses
hatte das eidgenössische Parlament vor anderthalb Jahren zehn Millionen
Franken bewilligt. In grösserem Ausmass standen deutsche Polizisten in
der Schweiz erstmals im Jahr 2003 im Einsatz, und zwar beim G-8-Gipfel
am Genfersee. Damals wurden sie allerdings nicht an der Front
eingesetzt.

Source: http://www.tagesanzeiger.ch/dyn/news/schweiz/864472.html