[kriminalpolizei.de]
Die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus ist die größte
Herausforderung für alle Sicherheitsbehörden weltweit. Die
Nationalstaaten werden mit völlig neuartigen Bedrohungen
konfrontiert, die ihre Handlungsfähigkeit zunehmend auf den
Prüfstand stellen: Immer mehr wirken sich globale Entwicklungen auf
lokaler Ebene aus und umgekehrt. Krisen, deren Auswirkungen wir
spüren, können ihre Ursachen weitab von Deutschland haben –
irgendwo in der Welt. Auch die neuen Verwundbarkeiten moderner
Industriegesellschaften haben die Sicherheitsumgebung maßgeblich
verändert.
Bedrohungen für die Wirtschaft
Durch die rasante Verbreitung der Informations- und
Kommunikationstechnologien im Zuge der Globalisierung hat sich
Kriminalität verändert. Zwar sind die Unternehmen heute nach wie
vor durch klassische Kriminalitätsfelder der
Wirtschaftskriminalität, durch Eigentumsdelikte, Geldwäsche,
Korruption, Produkt- und Markenpiraterie sowie Wirtschafts- und
Industriespionage gefährdet. Hinzugekommen sind jedoch insbesondere
neue Bedrohungen durch Kriminalitätsformen, die unter Ausnutzung
moderner Informations- und Kommunikationstechnik oder gegen diese
begangen werden – kurz bezeichnet als IuK-Kriminalität. Im Jahr 2007
sind die Fallzahlen der IuK-Kriminalität im engeren Sinne mit rund
34.000 Fällen um rund 17 Prozent gegenüber dem Vorjahr (29.155)
gestiegen.
Bei Straftaten mit dem Merkmal "Tatmittel
Internet" registrierte die Polizei 2007 mit rund 180.000 Fällen
eine Steigerung von acht Prozent gegenüber 2006 (165.720).
Der
Anteil der Wirtschaftskriminalität daran lag bei ca. 10.000 Fällen,
also rund fünf Prozent. Die Zahlen verdeutlichen es: Wir verzeichnen
einen deutlichen Trend hin zur Nutzung des Internets bei der Begehung
von Wirtschaftsstraftaten. Diese Entwicklung hat sich in den letzen
Jahren kontinuierlich fortgesetzt.
Gerade die Entwicklungen der
Informationstechnik haben zu neuen Tatbegehungsweisen mit enormem
Schadens-potenzial geführt. Gelangte z. B. Schadsoftware noch vor
wenigen Jahren lediglich durch den Austausch infizierter Datenträger
in Umlauf, wird sie heute mit vielfacher Geschwindigkeit über das
Internet verbreitet. Durch die Vernetzung von IT-Systemen kommt es in
kürzester Zeit zu globalen Epidemien mit erheblichen – nicht nur
finanziellen – Auswirkungen. Diese Gefahren werden u. a. potenziert
durch die kriminelle Nutzung von über das Internet verbundenen,
fernsteuerbaren Netzwerken von Computern, so genannten Bot-Netzen. So
können beispielsweise durch DDoS-Angriffe (Distributed Denial of
Service) mittels unzähliger unsinniger Anfragen ganze
Internetportale lahmgelegt werden. Bot-Netze bilden die Infrastruktur
für "moderne Straftaten"; angedrohte DDoS-Attacken bilden
z. B. die Basis zukünftiger Erpressungsszenarien. Die Ausbreitung
von Bot-Netzen steigt stetig an. Der IT-Sicherheit kommt damit eine
herausragende Bedeutung zu. Das entsprechende Bewusstsein ist noch
nicht überall verbreitet. Die Möglichkeiten, die das Internet für
Kriminelle bietet, bringen Gefahren mit sich – für jeden Einzelnen,
aber auch für die Gesellschaft insgesamt.
Weite Teile unseres
Gemeinwesens sind nur noch dann arbeitsfähig, wenn die dahinter
stehende Informations- und Kommunikationstechnik zuverlässig und
sicher funktioniert. Der Schutz so genannter Kritischer
Infrastrukturen, die sich zu ca. 80 % in privatwirtschaftlicher Hand
befinden, gewinnt vor diesem Hintergrund, aber auch angesichts der
Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, zunehmend an
Bedeutung.
Informationsangriffe mit erpresserischer Absicht auf
Versorgungseinrichtungen, auf Verkehrsleitzentralen und auch auf
Sicherheitsbehörden sind vorstellbar.
Deutsche Unternehmen sehen
sich zudem, auch durch ihr verstärktes Auslandsengagement, vermehrt
Risiken ausgesetzt – die Palette reicht von Entführungen bis hin
zu terroristischen Anschlägen. Aktuelles Beispiel: Die Entführung
eines Mitarbeiters einer deutschen Baufirma Anfang März 2008 in
Nigeria, der glücklicherweise nach kurzer Zeit freigelassen wurde
und unversehrt blieb.
Die Bedrohungsszenarien, denen wir uns als
Sicherheitsbehörden ebenso wie die Wirtschaft zu stellen haben, sind
vielfältig. Dabei haben klassische und neue Bedrohungen eins gemein:
die internationale Dimension der Tatbegehung.
Internationale
Zusammenarbeit
Innere Sicherheit kann schon lange nicht
mehr ausschließlich aus nationaler Perspektive betrachtet werden.
Sicherheit ist vielmehr das Ergebnis konsequenten international
abgestimmten Vorgehens. Nach unserer festen Überzeugung müssen wir
der erkannten Netzwerkbildung auf Straftäterseite eine Vernetzung
des sicherheitsbehördlichen Informationsaustausches und Handelns
entgegen setzen. Das gleiche gilt natürlich für die private
Organisation von Sicherheit, soweit sie einen internationalen
Bezugsrahmen hat.
Die internationale polizeiliche Kooperation
vollzieht sich regelmäßig auf den Ebenen bilateraler und
multilateraler Zusammenarbeit.
In der bilateralen Zusammenarbeit
spielen für Deutschland institutionalisierte Zusammenarbeitsformen,
insbesondere mit unseren unmittelbaren Nachbarstaaten, eine tragende
Rolle. Die unmittelbare polizeiliche Tätigkeit vor Ort steht dabei
im Zentrum. Weitreichende bilaterale Polizeiverträge erlauben uns
den wechselseitigen Einsatz von Polizeibeamten und den
unkomplizierten zügigen Informationsaustausch, beispielsweise in
gemeinsamen Grenzzentren.
In übergeordneterer Ebene genießt die
Zusammenarbeit innerhalb der Europäischen Union für Deutschland
Priorität. Eine sehr enge, institutionalisierte Kooperation in den
Bereichen Justiz und Inneres zwischen mehreren europäischen Staaten
sah erstmals das so genannte Schengener Durchführungsübereinkommen"
(SDÜ) vor. Es wurde von der Kerngruppe der "Schengener
Vertragspartner" unterzeichnet, die bereits am 14. Juni 1985
einen völkerrechtlichen Vertrag mit dem Ziel des schrittweisen
Abbaus der Grenzkontrollen an den gemeinsamen Grenzen geschlossen
hatten (Deutschland, Frankreich, Belgien, Niederlande, Luxemburg). Im
SDÜ wurde vereinbart, die Kontrollen an den Binnengrenzen aufzugeben
und im Gegenzug zur Aufrechterhaltung der Inneren Sicherheit eine
Reihe von Ausgleichsmaßnahmen zu schaffen, u. a. die Einrichtung
eines allgemeinen polizeilichen Informationsaustauschs und eines
polizeilichen Rechtshilfeverkehrs sowie die Einräumung des Rechts
auf grenzüberschreitende Observation und Nacheile. Das Herzstück
der Ausgleichsmaßnahmen stellt die Einrichtung eines gemeinsamen
elektronischen Fahndungssystems – des so genannten Schengener
Informationssystems (SIS) dar. Heute umfasst der so genannte
Schengen-Raum 24 Staaten. Der Kerngedanke des SDÜ "Freiheit im
Inneren durch rigide Kontrollen an den Außengrenzen" wird
weiterhin mit hohem Engagement konsequent umgesetzt.
Eine der
wichtigsten zukunftsweisenden europäischen Initiativen ist der
Vertrag von Prüm. Er wurde am 27. Mai 2005 von Belgien, Frankreich,
Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Spanien und Deutschland mit
dem Ziel unterzeichnet, den grenzüberschreitenden Fahndungsdruck zu
erhöhen. Kernelement dieses Vertrags ist die Vernetzung von
nationalen DNA-, Fingerabdruck- und Kraftfahrzeugregistern. Darüber
hinaus wurden auch Regelungen zum Datenaustausch zur Bekämpfung des
Terrorismus und des Phänomens reisender Gewalttäter (z. B.
Hooligans) getroffen. Seit November 2006 ist der Vertrag in
Österreich, Spanien und Deutschland in Kraft, seit Mai 2007 in
Luxemburg.
Deutschland, Österreich, Spanien und Luxemburg
tauschen auf der Basis des Prümer Vertrags elektronisch DNA-Daten
aus. Die Vorteile liegen auf der Hand, wie ein Blick auf erste
Ergebnisse zeigt: Ein elektronischer Abgleich von rund 120.000
deutschen DNA-Spuren mit österreichischen, spanischen und
luxemburgischen DNA-Spuren aus ungelösten Fällen führte allein auf
der deutschen Seite zu über 3.600 Treffern, darunter 24 Fälle von
Mord und Totschlag, 16 Sexualstraftaten und 151 Fälle von Raub und
Erpressung.
Straftaten, die teils schon Jahre zurückliegen und
bislang als unaufgeklärt galten, können so aufgeklärt werden. Der
Beschluss der Innen- und Justizminister der EU vom 15. Februar 2007,
die wesentlichen Bestimmungen des Vertrags von Prüm in den EU-Rahmen
zu überführen, zeigt, in welche Richtung die grenzüberschreitende
Zusammenarbeit bei der Kriminalitätsbekämpfung in Europa geht.
Je
mehr Europa als einheitlicher kriminalgeografischer Raum an Bedeutung
gewinnt, desto stärker müssen wir unsere Kräfte bündeln. So ist
das europäische Polizeiamt Europol längst zu einer unverzichtbaren
Institution geworden.
Der durch Europol erstellte Terrorism
Situation and Trend Report (TE-SAT) ist ein Beispiel dafür, wie
Europol die Mitgliedstaaten im Bereich Terrorismus mittlerweile auch
mit zukunftsorientierten prognostischen Gefährdungsanalysen
unterstützt. Der TE-SAT soll die Mitgliedsstaaten dabei
unterstützen, strategischen Handlungsbedarf beim Kampf gegen den
internationalen Terrorismus zu erkennen und darauf aufbauende,
gemeinsame operative Ziele zu definieren.
In der Bekämpfung der
Organisierten Kriminalität leistet Europol als wichtiger
Kooperationspartner des BKA einen wesentlichen Beitrag zur
Früherkennung im europäischen Kontext. Seit 2006 wird mit dem
Organised Crime
Threat Assessment (OCTA) jährlich ein Instrument
der strategischen Lageanalyse erstellt, das viel stärker als die
bisherigen Lageberichte der Mitgliedstaaten zur Organisierten
Kriminalität prognostisch orientiert ist. Bei der Datenerhebung und
Lageanalyse werden nicht nur Zulieferungen aus den Mitgliedstaaten
berücksichtigt, sondern auch externe Experten aus Wissenschaft und
Wirtschaft befragt sowie Recherchen in externen Quellen durchgeführt
und international agierende Unternehmen
einbezogen.
IKPO-Interpol
Von herausragender
Bedeutung für die erfolgreiche Kriminalitätsbekämpfung ist jedoch
zudem eine internationale Zusammenarbeit, die weit über den
europäischen Raum hinaus geht. Hier hat für uns die IKPO-Interpol
die entscheidende Funktion.
Interpol ist nicht nur der älteste,
sondern auch der größte multilaterale Kooperationsrahmen für die
grenzüberschreitende polizeiliche Zusammenarbeit. Mit seinen 186
Mitgliedstaaten ist Interpol der Global Player der internationalen
Verbrechensbekämpfung.
Die IKPO-Interpol gewährleistet, dass
allgemeinpolizeiliche und fallbezogene Erkenntnisse schnell und
sicher ausgetauscht werden können. Kurz gesagt – Interpol stellt
den Geschäftsweg für den weltweiten Austausch polizeilicher
Informationen dar. Eine weitere wichtige Aufgabe von Interpol ist die
internationale Fahndung nach Personen und Sachen. Über das
Interpol-Fahndungssystem werden Fahndungsnotierungen der
Mitgliedstaaten weltweit gesteuert. Am 8. Oktober 2007 wendete sich
das Generalsekretaritat der IKPO-Interpol zum ersten Mal in seiner
Geschichte mit einem weltweiten Fahndungsaufruf nach einem
mutmaßlichen Kinderschänder an die Öffentlichkeit. Experten des
Bundeskriminalamts hatten Ende 2004 eine Serie von insgesamt etwa 200
Bilddateien im Internet festgestellt, die den sexuellen Missbrauch
mehrerer asiatischer Jungen zeigten. Möglich wurde die Fahndung
erst, nachdem es dem Bundeskriminalamt gelungen war, ein Foto des
Täters, auf dem dieser sein Gesicht technisch unkenntlich gemacht
hatte, zu rekonstruieren. Mehr als 350 Hinweise aus der ganzen Welt
führten elf Tage später in Thailand zur Festnahme eines 32jährigen
Kanadiers. Der Mann hat sich nunmehr vor einem thailändischen
Gericht zu verantworten.
Strategische Früherkennung
Die Polizei hat sich in
den letzten Jahren stark gewandelt, von einer noch primär
reagierenden zu einer immer stärker proaktiv agierenden Institution
der Verbrechensbekämpfung. "Früherkennung" lautet das
Stichwort – gemeint ist das Erkennen künftiger Entwicklungen von
Kriminalität.
Effiziente Bekämpfungsstrategien setzen voraus,
dass die Polizei frühzeitig im Hinblick auf sich abzeichnende
Entwicklungen und deren Auswirkungen planen kann; sie muss "vor
die Lage" kommen.
Die 2005 eingerichtete Abteilung
Internationale Koordinierung (IK) des Bundeskriminalamtes hat u. a.
die Aufgabe der Informationsanalyse unter prognostischen
Gesichtspunkten zur Früherkennung potenzieller Kriminalitäts- und
Gefährdungsentwicklungen. So wurde 2007 erstmals eine Umfeldanalyse
erstellt, in der in den sechs Themenfeldern Politik, Wirtschaft,
Gesellschaft, Technik, Umwelt und Recht mit wissenschaftlicher
Methodik Trends herausgearbeitet wurden, die sich auf die
Sicherheitslage in Deutschland auswirken können und somit zukünftige
Aufgabenstellungen für das BKA erkennen lassen. Daraus können
detailliertere Analysen mit entweder kriminologischer oder regionaler
Schwerpunktsetzung abgeleitet werden. Die Lagebilder und
Strukturanalysen der Gruppe "Strategie und Früherkennung"
der Abteilung IK ermöglichen es uns zunehmend, durch das Erkennen so
genannter "schwacher Signale" Trends auszumachen und
Entwicklungen in bestimmten Phänomenbereichen vorherzusagen. Diese
Elemente der so genannten strategischen Früherkennung werden durch
weitere vorausschauende Analysen der deliktisch-phänomenologischen
Früherkennung unserer Fachabteilungen sowie unsere
kriminalistisch-kriminologische Forschung ergänzt und machen als
Ganzes das Früherkennungssystem BKA
aus.
Vorverlagerungsstrategie
Einen weiteren
zentralen Ansatz des Bundeskriminalamtes bildet die so genannte
Vorverlagerungsstrategie, die bereits zu Beginn der 1980er Jahre
insbesondere zur Bekämpfung der international organisierten
Rauschgiftkriminalität entwickelt wurde:
Der Gedanke ist,
Straftaten nicht erst im Inland oder in Westeuropa, sondern bereits
in den Herkunfts- und Transitländern zu bekämpfen.
Die
Vorverlagerungsstrategie beruht heute auf vier Säulen:
-
Ausbildungs-, Austausch- und
besondere Kooperationsprogramme für Polizeibeamte anderer Staaten.
So ist das Bundeskriminalamt derzeit unter anderem beim Aufbau der
Polizei in Afghanistan beteiligt. Im Rahmen der ersten Säule der
Vorverlagerungsstrategie wurden auch Ausbildungsmaßnahmen für
irakische Polizeibeamte durchgeführt. -
Ausstattungshilfe im Rahmen des
Unterstützungsprogramms der Bundesregierung zur Steigerung der
Leistungsfähigkeit ausländischer Polizeien, die u. a. mit
Führungs- und Einsatzmitteln unterstützt werden. So wurde mit
diesen Mitteln z. B. eine Polizeischule in Kabul aufgebaut. -
Das weltweite Netz von
Verbindungsbeamten des BKA, das eine strategische und zugleich
taktische Beobachtung der Kriminalitätslage in der jeweiligen
Region sowie eine umfassende Unterstützung im Rahmen von
Ermittlungsverfahren ermöglicht. Derzeit sind 63 Verbindungsbeamte
an 53 Standorte in 51 Staaten entsandt. -
Die gezielte personelle praktische Betreuung und
Unterstützung polizeilicher Kräfte vor Ort. Dies geschieht unter
anderem durch die Entsendung besonders erfahrener und qualifizierter
Mitarbeiter des BKA zu ausgewählten Dienststellen in Gaststaaten.
Hierdurch werden die Verbindungen zu unseren Kooperationspartnern in
anderen Staaten gestärkt und zusätzliche Erkenntnisse gewonnen.
Derzeit führen wir Projekte im Bereich Rauschgiftkriminalität in
Tadschikistan und Venezuela durch.
Zusammenarbeit mit der Wirtschaft
Zum Ausbau seiner
Früherkennungskompetenz bindet das Bundeskriminalamt auch immer
stärker private Akteure ein. Zusätzlich zu den bewährten Formen
der Zusammenarbeit mit Vereinen und Verbänden der Wirtschaft – an
erster Stelle ist hier die Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der
Wirtschaft (ASW) als strategischer Partner zu nennen – sowie der
Informationsübermittlung durch die SECURICON GmbH, befinden wir uns
seit 2006 in einem intensiven direkten Dialog mit weltweit tätigen
großen deutschen Unternehmen, so genannten Global
Playern.
Mittlerweile haben sich 40 Global Player-Unternehmen für
die Zusammenarbeit entschieden. Neben zahlreichen gegenseitigen
Informationsbesuchen bestehen bilaterale Kooperationen einzelner
Fachbereiche (z. B. Finanzermittlungen, Kriminaltechnik,
Wirtschaftskriminalität) mit Einzelunternehmen.
Ferner kommt es
vermehrt zu Kontakten zwischen Firmenvertretern und
BKA-Verbindungsbeamten im Ausland. Die Unternehmen verfügen oftmals
über wichtige Informationen, die unsere Erkenntnisse ergänzen und
in unsere Früherkennungsstrategien einfließen können. Im Gegenzug
können wir Unternehmen für Gefährdungslagen sensibilisieren –
diese können dann entsprechende Schutzvorkehrungen ergreifen.
Informationen über Gefährdungslagen oder neue Modi Operandi stellen
wir regelmäßig Global Playern, ASW und SECURICON zur Verfügung,
zuletzt eine Gefährdungsbewertung im Februar 2008 hinsichtlich
möglicher Bedrohungen durch eine kurdische Gruppierung im
Zusammenhang mit der türkischen Militäroffensive im Nordirak. Ein
weiteres Beispiel: Das BKA wurde 2006 durch ein deutsches Unternehmen
über Unruhen in Sao Paulo/ Brasilien informiert, in deren Verlauf 94
Menschen getötet wurden. Die Sicherheit des Personals und der
Anlagen deutscher Unternehmen war zeitweise akut gefährdet. Durch
das BKA wurde – unter Beteiligung des BKA-Verbindungsbeamten in
Brasilien – eine aktuelle Gefährdungsbewertung erstellt und
wiederum Global Playern, ASW und SECURICON zur Verfügung
gestellt.
Sicherheitsforschung
Sicherheitsforschung
leistet ebenfalls einen Beitrag im Rahmen der Früherkennungsstrategie
und Gefahrenvorsorge. Dem Bundeskriminalamt kommt in diesem
Zusammenhang eine doppelte Rolle zu, denn es ist sowohl Nutzer von
Sicherheitsforschung als auch Forschungsinstitution.
In
Zusammenarbeit mit Verbänden oder gemeinnützigen Vereinen werden
durch das Bundeskriminalamt kriminalpräventive Zielsetzungen
thematisiert und Strategien entwickelt, um potenziellen Straftätern
den Einsatz neuer Technologien für ihre Zwecke zu erschweren und
präventive Konzepte zu entwickeln.
Seit 1998 ist das BKA
beispielsweise Mitglied im gemeinnützigen Verein TeleTrusT (TTT),
dem international tätige Firmen, Behörden und Forschungsinstitute
angehören. TeleTrusT treibt richtungsweisende Entwicklungen für die
Sicherheitsarchitektur von IuK-Technologien voran und bewertet
mögliche Schwachpunkte. Die Polizei kann hier Technologietrends
nicht nur beobachten, sondern auch Einfluss auf praktische
Problemfelder im Hinblick auf kriminalpräventive Aspekte nehmen. Ein
weiteres Beispiel ist das Competence Center for Applied Security
Technology (CAST), das die IT-Sicherheit in allen Wirtschaftszweigen
und Bereichen der öffentlichen Verwaltung voranbringen will. Der
Verein stellt hierfür als nicht-kommerzielle Institution Kompetenz
bereit und fördert innovative Sicherheitslösungen mit Wirkung auf
den europäischen Wirtschaftsraum. Er wird getragen von zwei
Fraunhofer Instituten und dem Darmstädter Zentrum für
IT-Sicherheit. Im Bereich der Sicherheitsforschung gehen inzwischen
auch wesentliche Impulse von der Europäischen Kommission aus. Diese
stellt bis 2013 im Rahmen des 7. EU-Forschungsrahmenprogramms rund
1,4 Milliarden Euro für entsprechende Projekte zur Verfügung, wobei
folgende Ziele verfolgt werden:
-
Bestmöglicher Einsatz bestehender
und die Entwicklung neuer Technologien zum Schutz der Sicherheit der
Bürger vor Bedrohungen wie Terrorismus, Naturkatastrophen und
Verbrechen. -
Die verbesserte Kooperation zwischen Anbietern und Nutzern
ziviler Sicherheitslösungen soll die Wettbewerbsfähigkeit der
europäischen Sicherheitsindustrie – und damit die EU als
Wirtschaftsstandort – stärken.
Bei der inhaltlichen Schwerpunktsetzung wird die Kommission
beraten durch das "European Security Research and Innovation
Forum" (ESRIF), ein rund 70köpfiges Expertengremium mit
Vertretern von Industrie, Wissenschaft und den Nutzern von
Sicherheitssystemen. Derzeit arbeiten 11 Arbeitsgruppen u. a. an den
Themen Sicherheit der Bürger (nicht zuletzt vor Terrorismus und
Organisierter Kriminalität), Sicherheit kritischer Infrastrukturen,
Grenzsicherheit, Prognosen und Szenarios, CBRNE-Stoffe (chemische,
biologische, radiologische, nukleare, explosive Stoffe),
Identitätsmanagement von Personen und Sachen. Die Bundesregierung
hat 2007 ein korrespondierendes nationales
Sicherheitsforschungsprogramm beschlossen und ein eigenes
Forschungsprogramm aufgelegt ("Forschung für die zivile
Sicherheit"). Das deutsche Programm betont als Teil der so
genannten Hightech-Strategie für Deutschland ebenso wie das
europäische die Notwendigkeit einer multidisziplinär angelegten
Sicherheitsforschung, die technische und sozialwissenschaftliche
Fragestellungen miteinander verknüpft.
Zusätzlich zu den
bereits genanten Zusammenarbeitsformen findet auch eine
phänomenbezogene internationale Kooperation statt.
IUK-Kriminalität
So wurden beispielsweise in
der Bekämpfung der IuK-Kriminalität international neue Wege
beschritten: Die IKPO-Interpol hat ein Netzwerk von so genannten
National Central Reference Points (NCRPs) installiert, dem derzeit
110 Staaten angehören. Dieses Netzwerk wird für den wichtigen
fachspezifischen Nachrichten- und Informationsaustausch genutzt. Im
Rahmen der G8-Kooperation wurde ein 24/7-Netzwerk eingerichtet, das
für zeitkritische Anfragen auf dem Gebiet der IuK-Kriminalität
genutzt wird und an jedem Tag rund um die Uhr erreichbar ist. Das
Netzwerk besteht derzeit aus 50 Staaten, die Ansprechstelle für
Deutschland ist beim BKA angesiedelt. Zur Verbesserung der nationalen
und internationalen Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden mit
Internet-Service-Providern hat der Europarat 2007 eine Studie in
Auftrag gegeben ("Cooperation between service providers and law
enforcement against cybercrime: towards common guidelines?"). An
der Studie wirken neben dem BKA u. a. Vertreter weiterer europäischer
Sicherheitsbehörden, der deutsche Dachverband der Internetwirtschaft
(eco), ausländische Provider und Dachverbände sowie Vertreter von
Wirtschaftsunternehmen mit. Die Studie beinhaltet neben einer
Bestandsaufnahme der Zusammenarbeitspraxis insbesondere die
Erarbeitung von Empfehlungen bzw. eines allgemeinen Leitfadens zur
Zusammenarbeit zwischen Service-Providern und
Strafverfolgungsbehörden in der Europäischen Union.
Produkt-
und Markenpiraterie
Die IKPO-Interpol betreibt in den
letzten Jahren verstärkt Initiativen zur Bekämpfung des Phänomens
der Produkt- und Markenpiraterie. Dabei ist eine verstärkte
Zusammenarbeit internationaler Behörden unter der Einbeziehung des
privaten Sektors eine notwendige Vorraussetzung, um eine effektive
Bekämpfung des Phänomens erreichen zu können. Der zuständige
Fachbereich im Interpol-Generalsekretariat hat hierzu eine Interpol
Intellectual Property Crime Action Group (IIPCAG) eingerichtet. Die
Mitglieder setzen sich aus verschiedenen Strafverfolgungsbehörden
(u. a. Zoll und Polizei), internationalen Organisationen – wie der
Welt Zoll Organisation (WCO) und der World Intellectual Property
Organization (WIPO), sowie Wirtschaftsverbänden und –unternehmen
zusammen. Die Gruppe arbeitet u. a. an der Einrichtung einer
Interpol-Datenbank "Interpol Database on International
Intellectual Property Crime" (DIIP).
In diese Datenbank
sollen sowohl Fälle von Strafverfolgungsbehörden über aktuelle und
bereits abgeschlossene Ermittlungsverfahren als auch Informationen,
die seitens der Privatwirtschaft an Interpol gemeldet werden,
einfließen. Hierbei ist angedacht, dass die mitteilende
Strafverfolgungsbehörde im möglichen Trefferfall Zugriff auf die
Informationen erhält, die durch die Privatwirtschaft mitgeteilt
wurden. Die Herkunft der Daten soll dabei klar gekennzeichnet werden.
Für Strafverfolgungsbehörden bestünde somit die Möglichkeit, die
Informationen zu prüfen, zu verifizieren und gegebenenfalls in den
polizeilichen Datenbestand zu überführen. Die Informationen aus der
Privatwirtschaft sollen damit zur Unterstützung der
Ermittlungsbehörden in deren Ermittlungsverfahren dienen.
Auf
europäischer Ebene wurde im Januar 2008 die Analysearbeitsdatei
(Analysis Work File – AWF) "Copy" bei Europol
eingerichtet. Zweck dieser Datei ist es, die zuständigen Behörden
der Mitgliedstaaten bei der Verhütung und Bekämpfung der
Aktivitäten organisierter krimineller Netze bei der Herstellung von
bzw. dem Handel mit Nachahmungen und bei der Produktpiraterie zu
unterstützen. An der Analysedatei sind gegenwärtig acht
EU-Mitgliedstaaten beteiligt.
Geldwäsche
Auch
in der Bekämpfung der Geldwäsche stehen den Sicherheitsbehörden
besondere Zusammenarbeitsformen zur Verfügung. Mit der Novellierung
des Geldwäschegesetzes (GWG) im Jahr 2002 hat die im BKA
eingerichtete Financial Intelligence Unit (FIU), die deutsche
Zentralstelle für Geldwäsche-Verdachtsanzeigen, ihre Arbeit
aufgenommen. Hier werden alle gemäß § 11 GWG erstatteten
Verdachtsanzeigen nach strategischen Gesichtspunkten ausgewertet. Die
nach dem GWG Meldeverpflichteten (Banken, Versicherungen etc.) werden
regelmäßig über aktuelle Typologien und Methoden der Geldwäsche
informiert. Für die internationale Zusammenarbeit in diesem
Phänomenbereich sind – neben Interpol – zwei weitere Gremien
hervorzuheben: Die Financial Action Task Force (FATF) entwickelt seit
1989 die internationalen Standards der Geldwäschebekämpfung und der
Finanzierung des Terrorismus. Sie hat dazu Empfehlungen an die
Regierungen und Finanzinstitute der Teilnehmerstaaten gerichtet,
deren Umsetzung regelmäßig per Fragebogen und durch Prüfungen vor
Ort kontrolliert wird. Ihr gehören aktuell 32 Mitgliedstaaten sowie
die Europäische Kommission und der Kooperationsrat der Golfstaaten
an. Ein weiteres wichtiges Forum für die internationale Kooperation
ist die so genannte Egmont Group, in der sich (derzeit) 107 FIU
zusammengeschlossen haben.
Als technische Plattform steht den FIU
der Egmont Group für den internationalen Informationsaustausch das
Egmont-Secure-Web (ESW) zur Verfügung. Hier werden über gesicherte
und verschlüsselte Leitungen im Hinblick auf Geldwäsche
Verdachtsanzeigen ausgetauscht. Der Mehrwert gegenüber dem
Informationsaustausch über den Interpol-Weg liegt darin, dass auch
Informationen von nicht polizeilichen FIU erlangt werden können.
Entführungen und Geiselnahmen im Ausland
Im Rahmen
der G8–Kooperation finden seit 2005 regelmäßig Konferenzen zum
Thema Entführungen und Geiselnahmen im Ausland statt. An der letzten
"International Conference on Kidnapping" (ICOK) im Dezember
2007 in Washington nahmen 43 Experten aller G8-Staaten von Polizei,
Nachrichtendiensten und den Außenministerien, in deren
Zuständigkeitsbereich Entführungen und Geisellagen fallen, teil.
Deutschland wurde durch das Auswärtige Amt, das Bundesministerium
des Innern und das BKA vertreten. Thematische Schwerpunkte der
Konferenz waren die Darstellung von Fallstudien, der Stand des
Kidnapping-Meldedienstes, der Umgang mit Entführern und
Geiselnehmern sowie der Dialog mit Medien zur Verhinderung von
Fehlinformationen. Im Rahmen der Konferenz wurde der Termin für den
Testlauf zur Einführung eines G8-Meldedienstes mit anschließender
Realisierung des Wirkbetriebes festgelegt. Der Testlauf hat im März
2008 begonnen. Ein entsprechender Meldedienst auf EU-Ebene wurde im
September 2007 in Betrieb genommen.
Die weltweiten Entwicklungen
und die daraus folgenden veränderten Bedrohungslagen werfen neue
Fragen auf, die von den Sicherheitsbehörden neue Antworten
erfordern. Das Bundeskriminalamt sieht in der Bildung von neuen
Allianzen auf allen Ebenen, vor allem aber im Ausbau der
internationalen Zusammenarbeit, einen zentralen Ansatz zur
Bewältigung dieser Herausforderungen. Sicherheitsbehörden und
Privatwirtschaft haben in der Vergangenheit vielfältig auf die
veränderten Rahmenbedingungen in der Kriminalitätsbekämpfung
reagiert. Sie haben die in Jahrzehnten gewachsene Zusammenarbeit
innerhalb der bestehenden Strukturen weiter intensiviert sowie in
Teilen neue Kooperationsrahmen und Reaktionsmuster entwickelt. Trotz
aller Fortschritte müssen wir jedoch die gemeinsamen Anstrengungen
weiterhin ausbauen, um mit dem rasanten Tempo der
Kriminalitätsentwicklung Schritt halten zu können.
Source: http://www.kriminalpolizei.de