BKA-Gesetz gefährdet anwaltliche Berufsausübung


Benjamin Laufer

Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein hat Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingelegt
Onlinedurchsuchungen, Ermittlungen ohne Tatverdacht,
Videoüberwachung innerhalb der Wohnung: Kritik gibt es an der
Neufassung des BKA-Gesetzes
vom Dezember 2008 und den der Behörde darin neu erteilten Befugnisse
genug. Jetzt gehen auch die Anwälte auf die Barrikaden: Der
Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV) sieht die freie Advokatur in Gefahr und hat heute Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht eingelegt.

Beschwert hat sich die RAV-Vorsitzende Anwältin Andrea Würdinger
zusammen mit ihren Vorstandskollegen Martin Lemke und Wolf-Dieter
Reinhard. "Mit dem BKA-Gesetz steht nicht weniger auf dem Spiel als die
freie Advokatur, also die Ausübung der anwaltlichen Tätigkeit frei von
staatlicher Kontrolle, Einschüchterung oder Bevormundung", warnt
Würdinger.

Überwachte Anwälte

Die Anwälte sind nach der Gesetzesnovelle selbst nicht mehr davor
geschützt, vom Bundeskriminalamt überwacht zu werden. "Das BKA-Gesetz
eröffnet den Raum für eine vielfältige geheime Ausforschung und
Instrumentalisierung von Rechtsanwälten", sagt Sönke Hilbrans, der die
Beschwerdeführer vertritt. Verdeckte Ermittlung, Telefonüberwachung und
der große Lauschangriff – die Advokaten sind hiervor nicht mehr gefeit.
Die im BKA-Gesetz verankerten Einschränkungen für die Verwertung so
erlangter Informationen seien "gänzlich ungenügend", heißt es in einer Mitteilung des RAV.

Die freie Advokatur zähle zu den Wesensmerkmalen eines demokratischen Rechtsstaats, so der RAV in der Zusammenfassung seiner Beschwerde.
Der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen den ratsuchenden, in
ihren Rechten bedrohten Mandanten und dem Rechtsanwalt sei zentraler
Bestandteil hiervon. Weiter heißt es in der Zusammenfassung:

Diese elementaren Grundsätze müssen sich gerade auch dann
bewähren, wenn die Mandantschaft besonders verletzlich ist, weil sie
gesellschaftlich etikettiert oder durch staatliche Maßnahmen in
zentralen Freiheitsrechten bedroht wird. Dies gilt etwa für
Mandantinnen und Mandanten im Asyl- und Asylwiderrufsverfahren, aber
auch für politische Aktivistinnen und Aktivisten oppositioneller
Bewegungen. Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV)
tritt dafür ein, dass Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sich
uneingeschränkt an der Seite der Betroffenen für die Achtung von Grund-
und Menschenrechten einsetzen können. Vor diesem Hintergrund wendet
sich der RAV entschieden gegen die durch das BKA-Gesetz (BKA-G)
eröffneten Eingriffsmöglichkeiten in die anwaltliche Berufsausübung.

RAV-Beschwerde

Gestörtes Vertrauensverhältnis

Die Rechtsanwälte können nach der Gesetzesnovelle auf unterschiedliche
Weise in das Visier des BKA geraten. Sie können als "Dritte" von
Maßnahmen betroffen sein, wenn ihr Mandant Zielperson des
Bundeskriminalamts ist. Aber auch die Möglichkeit, selber Zielperson zu
werden, ist durch das Gesetz nicht ausgeschlossen. Außerdem passen
Rechtsbeistände unter die Definition einer Kontakt- und Begleitperson –
und von denen dürfen nach Paragraph23 des Gesetzes "personenbezogene Daten mit den besonderen Mitteln" durch das BKA erhoben werden.

"Bereits die Möglichkeit, dass verdeckte Maßnahmen getroffen werden
können, stört das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und
Mandant", beklagen die Juristen. Die anwaltliche Beratung und
Rechtsvertretung werde hierdurch gravierend erschwert. Gespräche
zwischen Mandant und Anwalt müssten künftig in dem Wissen geführt
werden, dass Informationen womöglich an die Behörde gelangen. Besonders
heikel kann dies werden, wenn eine Klage gegen Maßnahmen des BKA
Gegenstand des Gesprächs ist: Informationen würden so an die
prozessuale Gegenseite gelangen. "Ein faires und auf prozessualer
Waffengleichheit aufbauendes Verfahren wird dadurch ad absurdum
geführt", monieren die RAV-Anwälte.

Die Terroristen von attac

Die Anwälte sehen in dem Gesetz jedoch nicht nur
ihren eigenen Berufsstand in Gefahr. "Auch wenn wir uns durch das
BKA-Gesetz besonders in unserer grundgesetzlich geschützten Freiheit
der Berufsaushebung verletzt sehen", so Beschwerdeführer Lemke, "darf
nicht übersehen werden, dass von den Auswirkungen des BKA-Gesetztes
nicht nur Anwälte betroffen sind, sondern alle Bürger." Das Gesetz
setze die seit Jahren zu beobachtende Aushöhlung von Grundrechten "in
dramatischer Weise" fort.

So kritisieren die Anwälte in ihrer Beschwerde ferner, dass die
Einsatzvoraussetzungen des BKA ungenau geregelt seien. Wann ist das Amt
überhaupt befugt, aktiv zu werden? Paragraph4 des Gesetzes soll dies regeln, Paragraph 4a
erlaubt dem BKA die "Abwehr von Gefahren des internationalen
Terrorismus". Was der "internationale Terrorismus" indes genau ist,
bleibt offen – und genau das sieht der RAV als Problem. Denn die
Reichweite der Kompetenzen hängt maßgeblich davon ab, wie dieser
Begriff definiert ist. Die "Einbindung in international propagierte
ideologische Strömungen" soll nach der Gesetzesentwurfsbegründung
ausreichen, um auch in Deutschland tätige Akteure zu Zielpersonen des
BKA zu machen. Damit können islamistische Terroristen gemeint sein –
oder aber "die international gut vernetzte Anti-AKW-Bewegung oder
globalisierungskritische Strömungen", befürchtet der RAV in seiner
Beschwerdezusammenfassung.

Beschwerdewelle gegen das BKA-Gesetz

Die RAV-Anwälte sind unterdessen nicht die einzigen,
die gegen die Gesetzesnovelle vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.
Die Bürgerrechtsorganisation HumanistischeUnion und verschiedene FDP-Politiker haben bereits Beschwerde eingelegt, ebenso wie die Telepolis-Autorin Bettina Winsemann (Verfassungsbeschwerde gegen das BKA-Gesetz).

Heute früh um 10 Uhr wird auch die grüne Bundestagsfraktion ihre
Verfassungsbeschwerde in Berlin vorstellen: Neun Abgeordnete, darunter
Renate Künast und Jürgen Trittin, sind daran beteiligt. Mit einem
Ergebnis ist jedoch erst in vielen Monaten zu rechnen: "Ich rechne
nicht mit einer kurzfristigen Entscheidung des Gerichts", sagt Anwalt
Hilbrans. Die Beschwerdefrist läuft ohnehin noch bis zum Jahresende,
sodass sich das Verfassungsgericht ernsthafte Gedanken erst im nächsten
Jahr machen wird. Und bis dahin gilt das Gesetz in seiner neuen, viel
kritisierten Form.

Source: http://www.heise.de/tp/r4/artikel/30/30301/1.html