Peilsender verzweifelt gesucht

[taz] In
Schleswig-Holstein zieht das Innenminsterium vor Gericht. Ein Mann
solle ihm endlich die Wanze wiedergeben, mit der er überwacht wurde –
oder 2.500 Euro zu zahlen. VON MAGDA SCHNEIDER

Es
gibt Dinge, die will niemand haben. So geschehen in Bad Oldesloe, wo
Daniel Schenk* ein technisches Gerät an seinem Auto entdeckte. Es
diente seiner Ortung. Schenk demontierte den Peilsender und übergab ihn
der taz nord-Redaktion in Hamburg. Die taz recherchierte nach dem
Besitzer, doch niemand wollte etwas mit dem Peilsender zu tun haben.
Ein Jahr später klagt das Kieler Innenministerium nun gegen Daniel
Schenk auf Herausgabe des Ortungsgerätes oder ersatzweise 2.500 Euro
Schadensersatz.

 

Ein Zivilrichter vom Amtsgericht Bad Oldesloe muss im Mai über diese
bundesweite Staatsschutzaffäre richten – und entscheiden, ob nicht das
gesamte Vorgehen rechtswidrig war. Der Antifa-Aktivist Schenk hatte im
Frühjahr 2007 mit anderen das Interesse von Generalbundesanwältin
Monika Harms geweckt. Diese hatte die Ermittlungen wegen
Sachbeschädigungen an Bundeswehrfahrzeugen und bei Rüstungsfirmen in
Schleswig-Holstein an sich gezogen. Vorwurf: “Bildung einer
terroristischen Vereinigung” – Paragraf 129a Strafgesetzbuch (StGB).
Der einzige Ermittlungsansatz war, dass die Tatverdächtigen bei der
letzten der ihnen zur Last gelegten Taten per Handy telefoniert hatten
und sich ansonsten im Rahmen ihrer Antifa-Aktivitäten “konspirativ”
verhielten.

Obwohl es sich um einfache Brandstiftungen
handelte, konnte die Bundesanwaltschaft mit der 129a-Allzweckwaffe das
gesamte Repertoire nachrichtendienstlicher Mittel beim
Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof durchsetzen. So wurde nicht nur
an Schenks Auto ein GPS-Peilsender (“Global
Positioning System”) angebracht, sondern im Auto und in der Wohnung
Wanzen installiert. Schenk entdeckte den GPS-Sender
an seinem Opel Astra, den er zwei Wochen zuvor gekauft hatte, nur
zufällig. Der Sender und eine Batterie waren unter der hinteren
Stoßstange mit Magneten angebracht worden. Schenk informierte seine
Hamburger Anwältin Britta Eder, die alle in Frage kommenden
Institutionen anschrieb. Die örtliche Bezirkspolizei Lübeck, das
Landeskriminalamt Schleswig-Holstein in Kiel, den Verfassungsschutz und
das Innenministerium sowie den Datenschutzbeauftragten in
Schleswig-Holstein.

Auch die Hamburger Polizei und der
Hanseatische Verfassungsschutz bekamen Post, ebenso wie das
Bundeskriminalamt in Wiesbaden und das Bundesamt für Verfassungsschutz
in Köln. Niemand wollte etwas von der Existenz des Peilsenders wissen,
alle beteuerten nach einigen Wochen, dass von Schenk keine aktuellen
personenbezogenen Daten gespeichert worden seien. Inzwischen musste die
Bundesanwaltschaft das Verfahren an die für Staatsschutzsachen in
Schleswig Holstein zuständige Staatsanwaltschaft Flensburg abgeben, da
nach den Beschlüssen des Bundesgerichtshofes die Bundesanwaltschaft gar
nicht zuständig gewesen war. Denn nach Auffassung des Gerichts könnten
einfache Sachbeschädigungen und Brandstiftungen auf leere Gebäude die
Staats- und Wirtschaftsordnung der Bundesrepublik nicht erschüttern.
Sie fallen daher nicht unter den Paragrafen 129a StGB und damit auch
nicht in die Zuständigkeit der Generalbundesanwältin.

Es
könnte also sein, dass der große Lauschangriff und der
Peilsendereinsatz rechtswidrig waren. Der Staatsschutzsenat des
Landgerichts Flensburg wird darüber entscheiden. Bereits im vorigen
September hatte sich das schleswig-holsteinische Landeskriminalamt
(LKA) in Kiel überraschend erstmals als Eigentümer zu erkennen gegeben.
Das LKA forderte die Herausgabe von
“Überwachungstechnik des Landeskriminalamtes Schleswig Holstein”.
Schenk habe sich das “GPS Ortungsgerät Nr. 20” im März 2007
“bösgläubig” angeeignet. “Der Beklagte behandelt den Peilsender wie
eine Fundsache”, empört sich das Kieler LKA. Der Sender sei jedoch “nicht verloren gegangen”, sondern sei “unter der Stoßstange des Wagens der Beklagten versteckt” worden.

Schenk
habe erkennen müssen, dass das Gerät “nicht Bestandteil” seines neu
erworbenen Autos war. Erst durch den Ausbau in “verbotener Eigenmacht”
sei dem LKA der Peilsender aus dem Besitz
“entzogen” worden. Schenks Kieler Anwalt Axel Hoffmann bestreitet in
seiner Klageerwiderung an das Amtsgericht Bad Oldesloe, dass es sich
bei dem eingeforderten “GPS Ortungsgerät 20” zwangsläufig um das Gerät
handeln müsse, das Schenk damals ausgebaut hat. Selbst wenn Schenk das
Gerät wiederbeschaffen und dem LKA übergeben könnte, sei nicht gesagt, “dass nicht wenig später das Bundeskriminalamt oder oder das LKA Hamburg ebenfalls Ansprüche anmeldet oder dass das LKA Schleswig Holstein nur vorgeschoben wird, um eine rechtswidrige Maßnahme des Verfassungsschutzes zu kaschieren”.

Niemand,
in dessen Persönlichkeitsrechte rechtswidrig eingegriffen wurde, müsse
mehr tun, als bei allen staatlichen Stellen anfragen, ob sie Urheber
der Verletzungen seien. “Wird dies bestritten, kann keine Verpflichtung
bestehen, Wanzen, Ortungsgeräte oder Ähnliches auch noch aufzubewahren.”

*Namen geändert

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