Länder wünschen erweiterten Zugriff auf TK-Vorratsdaten

Dem Rechtsausschuss des Bundesrates geht der vom Bundestag vor zwei Wochen beschlossene Gesetzesentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung
nicht weit genug. Vor allem bei den Bestimmungen zum Zugriff auf die
demnach sechs Monate verdachtsunabhängig aufzubewahrenden
Verbindungsdaten, die das Parlament bereits deutlich gegenüber den EU-Vorgaben
zur Vorratsdatenspeicherung ausdehnte, sieht das federführende Gremium
der Länderkammer noch Korrekturbedarf. So sollen die Länderchefs bei
der Plenarsitzung am kommenden Freitag eine Entschließung (PDF-Datei)
fassen, wonach auch Rechteinhabern zur zivilrechtlichen Verfolgung etwa
von Urheberrechtsverletzungen Zugang zu den Datenbergen zu gewähren
ist.

Geht es nach den Rechtspolitikern, würde andernfalls der heftig
umstrittene zivilrechtliche Auskunftsanspruch gegenüber
Internetprovidern, wie er im Regierungsentwurf
eines Gesetzes zur besseren Durchsetzung von Rechten des geistigen
Eigentums vorgesehen ist, "leer laufen". Um das Gesetz zur
Vorratsdatenspeicherung nicht zu blockieren, soll der Bundesrat aber
nicht auf den Einbau einer solchen Befugnis etwa für die Musik- und
Filmindustrie in das bereits vom Bundestag abgesegnete
Überwachungsvorhaben drängen. Vielmehr rät der Rechtsausschuss, den Weg
über das laufende Verfahren zum Durchsetzungsgesetz selbst zu wählen
und darin Zugriffsrechte der Rechtehalter auf die Vorratsdaten
vorzusehen. Nur durch eine Regelung, die den geplanten
Auskunftsanspruch gegen die Provider "auch erfüllbar macht", sei der
"Widerspruch" zwischen beiden Gesetzen aufzulösen.

Zur Begründung führt der Rechtsausschuss unter anderem an, dass die
Rechteinhaber andernfalls bei der Recherche nach den hinter IP-Adressen
stehenden Namen und Bestandsdaten "weiterhin gezwungen wären, stets ein
Strafverfahren gegen potenzielle Verletzer einzuleiten". Dieses
Vorgehen würden die Vertreter von Urheberrechten nicht wünschen, da es
"eine große Zahl von potenziellen Rechtsverletzern in unnötiger Weise
kriminalisiert und die Staatsanwaltschaften enorm belastet".

Der Bundesrat hatte eine vergleichbare Forderung bereits bei seiner vorherigen Beratung des Regierungsentwurfs zur Vorratsdatenspeicherung
im Juni im Rahmen einer umfangreichen Stellungnahme aufgestellt. Viele
andere Eingaben der Länder von damals zur Verschärfung der neuen Regeln
zur TK-Überwachung hat der Bundestag aufgegriffen.
So wird etwa die im Regierungsentwurf enthaltene
Verwertungsbeschränkung abgehörter Informationen bei fehlerhaft
angenommener Gefahr im Verzuge gestrichen. Auch die Verkürzung der
Anordnungs- und Verlängerungsfristen beim Belauschen der
Telekommunikation von maximal drei auf zwei Monate erschien dem
Parlament nicht nötig. Gleiches gilt für die zunächst geplante
Zuständigkeit eines Gerichts zweiter Instanz über
Verlängerungsanordnungen.

Zudem beschränkten die Abgeordneten die vorgesehene Berichts- und
Statistikpflicht. Ferner schaffen die Änderungen eine ausdrückliche
gesetzliche Regelung, wonach Auskünfte etwa über den Namen und die
Anschrift eines Anschlussinhabers, der mit einer dynamischen IP-Adresse
und Uhrzeit quasi dingfest gemacht worden ist, im manuellen
Auskunftsverfahren nach Paragraph 113 Telekommunikationsgesetz (TKG) zu
erteilen sind. Nur den weitergehenden Forderungen des Bundesrates, die
gespeicherten Verbindungsinformationen auch für Bestandsdatenauskünfte
an die Inhaber von Rechten des geistigen Eigentums verwenden zu dürfen,
folgte die große Koalition im Bundestag nicht.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sprach sich im Vorfeld der Beratungen wiederholt strikt gegen diese Empfehlung der Länder
aus. Mit Zugriffsmöglichkeiten zur zivilrechtlichen Verfolgung von
Urheberrechtsverletzungen würden sich seiner Ansicht nach "die
schlimmsten Befürchtungen erfüllen", die einen weiteren Dammbruch bei
der Ausgestaltung der verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung mit
sich brächten.

Das tatsächliche Abstimmungsverhalten des Bundesrates zur
Neuregelung der TK-Überwachung ist derzeit noch schwer abschätzbar. So
hat das Land Berlin gerade einen Antrag verabschiedet, wonach der
Bundesrat entgegen dem Plädoyer des Rechtsausschusses der Länderkammer
doch den
Vermittlungsausschuss

anrufen soll. Berlin will mit dem Vorstoß vor allem versuchen, den als
nicht ausreichend kritisierten Schutz von Journalisten, Rechtsanwälten
und anderen Berufsgeheimnisträgern zu verbessern. Der Gesetzesentwurf
missachtet laut dem Land Berlin wesentliche Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes
zur Wahrung des Schutzes des Kernbereichs privater Lebensgestaltung,
des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und die Berufsfreiheit.
(Stefan Krempl)
(gr/c’t)

 

Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/99505/from/rss09