Schäuble: Online-Razzien sind die Polizeiautos der digitalen Welt

Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat bei der hitzigen Bundestagsdebatte über den Haushalt des von ihm geführten Ressorts am heutigen Donnerstag erneut für heimliche Online-Durchsuchungen geworben. Die Notwendigkeit der geplanten neuen Ermittlungsmaßnahme suchte der CDU-Politiker mit einem Vergleich zu illustrieren: "Seit das Auto erfunden ist, braucht auch die Polizei Kraftfahrzeuge." Dass den Fahndern niemand den Einsatz von Computern und das Fahren auf der Datenautobahn verwehren will, thematisierte Schäuble im Anschluss nicht weiter. Das Bundeskriminalamt (BKA) müsse mit den technischen Möglichkeiten Schritt halten können, forderte er vielmehr pauschal. Nur ein Staat, der das Recht auch durchsetzen könne, sei ein Rechtsstaat.

In einer Abkehr von früheren düsteren Bedrohungsszenarien, welche die Opposition bereits vielfach als Panikmache kritisiert hatte, beurteilte der Innenminister die Sicherheitslage hierzulande als insgesamt gut. Dies habe "mit der bewährten Sicherheitsarchitektur des Grundgesetzes" und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern zu tun. In den zwei Jahren der großen Koalition seien zahlreiche Vorhaben im Bereich innere Sicherheit vorangebracht worden, die zuvor jahrelang nicht lösbar schienen. Schäuble nannte als Beispiele die Einführung des Digitalfunks für Behörden mit Sicherheitsfunktionen, die Anti-Terrordatei und das gemeinsame Anti-Terrorzentrum von Polizeien und Geheimdiensten.

"Ihre Sicherheitsarchitektur gleicht einer Bruchbude", hielt Hartfrid Wolff von der FDP dem Minister dagegen vor. BKA und Bundespolizei müssten zusammenarbeiten, statt einander Konkurrenz zu machen. Zugleich warf der Liberale Schäuble vor, Ängste vor Anschlägen zu schüren und die Bevölkerung so für Gesetze geneigt zu machen, die eigentlich nicht notwendig sind". Sein Parteikollege Max Stadler sprach in diesem Zusammenhang konkret die Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten "von Millionen unverdächtiger Bürger" an, die eine neue Überwachungsqualität einführe.

Der Grünen-Politiker Wolfgang Wieland wagte wie Schäuble einen historischen Vergleich, mit dem er sich vor allem bei der Union unbeliebt machte. Es stimme nicht, dass "in den Metropolen Krieg herrsche", wies der Innenexperte der Oppositionspartei eine Einschätzung des CDU-Politikers im Bezug auf das Treiben krimineller Banden in Großstadtvierteln zurück. Einen "solchen Müll" habe er zuletzt von Andreas Baader gehört. Aber das sei ein RAF-Terrorist gewesen und nicht der Verfassungsminister. Wieland bezeichnete ferner das von Schäuble empfohlene Buch "Selbstbehauptung des Rechtsstaates" von Otto Depenheuer als eine "grauenhafte Kampfschrift des Konservatismus", die viele Zitate des umstrittenen Staatsrechtlers Carl Schmitt und von Ernst Jünger aufweise. Den Haushaltsplan selbst tat der Grüne als "in Zahlen gegossenen Überwachungsstaat" ab.

Der Bundestag billigte schließlich den umkämpften Etatentwurf für das Innenministerium mit Änderungen (PDF-Datei) aus dem Haushaltsausschuss mit den Stimmen der großen Koalition. Schäuble will 2008 rund 3,3 Milliarden Euro für innere Sicherheit ausgeben. Der Löwenanteil von 2,2 Milliarden Euro soll an die Bundespolizei gehen. Der Haushaltsmittelansatz für das BKA liegt bei etwa 362 Millionen Euro. Daran haben die Ausgaben für Informationstechnik in Höhe von zirka 48,6 Millionen Euro einen Anteil von rund 13 Prozent. Für das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das etwa im Bereich biometrischer Verfahren und Kryptoprodukte sowie beim Schutz kritischer Infrastrukturen aktiv ist, sind etwa 60,2 Millionen Euro vorgesehen. Insgesamt beläuft sich der beschlossene Etat für das Innenressort auf fast 5 Milliarden Euro.

Zum aktuellen Stand und der Entwicklung der Debatte um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe:

(Stefan Krempl) /
(pmz/c’t)

Quelle: http://www.heise.de/newsticker/meldung/99773