VON CHRISTIAN RATH, 24.01.08, 17:52h, AKTUALISIERT 24.01.08, 21:49h
Leipzig – Der Bundesnachrichtendienst (BND) durfte nach den Anschlägen von New York den deutschen Auslandstelefonverkehr "strategisch", das heißt ohne konkreten Verdacht, überwachen. Dies entschied gestern das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig. Zum ersten Mal hatte sich ein konkret Betroffener gegen eine solche Maßnahme gewehrt.
Bei der strategischen Telekomüberwachung kontrolliert der Auslandsgeheimdient BND stichprobenweise den Telefon-, Fax- und Emailverkehr mit bestimmten Ländern. Die BND-Computer reagieren und zeichnen die Kommunikation auf, wenn in einer Email bestimmte Suchworte verwendet oder per Telefon bestimmte Rufnummern angerufen werden.
Früher sollte damit ein Angriffskrieg gegen Deutschland entdeckt werden. Seit 1994 wird das Instrument aber auch gegen internationale Terroristen und die organisierte Kriminalität eingesetzt. Ein Gremium des Bundestags genehmigt die Maßnahmen und berichtet der Öffentlichkeit über deren Umfang.
So wurden zum Beispiel im Jahr 2005 auf der Suche nach Terroristen 24 427 Nachrichten aufgezeichnet, 83 davon wurden von BND-Experten näher geprüft und 21 als relevant eingestuft. Nur in einem Fall waren die Informationen für die Sicherheit in Deutschland so wichtig, dass sie an Polizei oder Verfassungsschutz weitergegeben wurden.
Obwohl es sich hier um Eingriffe handelt, die jeden treffen können, hat das Bundesverfassungsgericht die strategische Kontrolle des BND 1999 abgesegnet. Geklagt hatte unter anderem die "taz", die den Informantenschutz bedroht sah. Karlsruhe forderte allerdings, dass die Betroffenen sobald wie möglich von der Aufzeichnung ihrer Kommunikation unterrichtet werden müssen.
Der Jordanier Abu D. war Ende 2006 informiert worden, dass der BND Ende 2001 fünf Nachrichten von ihm gespeichert und an das BKA weitergegeben hat. Bei einem Gespräch am 18. Oktober 2001 soll er dem später im Irak getöteten Al Qaida-Vorkämpfer Abu Mussab al Zarkawi die Treue versprochen haben. Polizei und Verfassungsschutz überwachten ihn deshalb weiter. Mit seiner Al Tawhid-Zelle soll er anschließend Anschläge in Deutschland geplant haben. Aufgrund der Aussagen eines umstrittenen Kronzeugen wurde er 2005 wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu acht Jahren Haft verurteilt.
Er und sein Anwalt Jens Dieckmann beanstandeten nun, dass die ursprüngliche BND-Überwachung unzulässig gewesen sei. Wegen der zahlreichen anderen Beweise hätte das aber an der Verurteilung nichts geändert. "Uns geht es nur um den Schutz der Grundrechte", so der Anwalt. Er bemängelte, dass Ende 2001 die im Gesetz geforderte Gefahr von Anschlägen mit "unmittelbarem Bezug" zu Deutschland nicht gegeben war. "Es genügt nicht, dass der BND Informationen sammelt, die für andere Nachrichtendienste interessant sein könnten", so Dieckmann.
Die Richter hielten die BND-Kontrolle aber für rechtmäßig, schließlich habe man damals befürchtet, dass in Deutschland so genannte "Schläfer", also unentdeckte Terroristen, weitere Anschläge planen. Die Richter billigten auch, dass der BND den Jordanier erst nach fünf Jahren informierte, als das Strafurteil rechtskräftig wurde.