Presseinformation
Das Komitee für Grundrechte und Demokratie ruft mit anderen Gruppen
anlässlich des 11. Europäischen Polizeikongresses zu einer Demonstration
am 29. Januar 2008 in Berlin auf (vgl. auch
http://www.grundrechtekomitee.de/ub_showarticle.php?articleID=263) In
einem offenen Brief an den Innensenator Dr. Ehrhart Körting wenden wir
uns heute (25.1.2008) gegen die grundrechtswidrigen Auflagen, die am 24.
Januar 2008 vom Polizeipräsidenten erlassen wurden. Das
Versammlungsrecht ist in einer "liberalen Demokratie ein geradezu
notwendiges Grundrecht", ein "Stück ursprünglich-ungebändigeter
unmittelbarer Demokratie" (Konrad Hesse). Die erlasssenen
"Einschränkungen dieses Grundrechts auf Versammlungsfreiheit entbehren
jeder konkreten Begründung und sind unverhältnismäßig. Unspezifische
Gefahrenprognosen werden aus willkürlich zusammengestellten Vermutungen
und unzusammenhängenden Ereignissen abgeleitet – selbst zwei tragische
Unfälle im Jahr 2002 in Köln beim Christopher Street Day und beim
Rosenmontagszug werden zur Begründung herangezogen. Der "störungsfreie
Ablauf des in der Kongresshalle stattfindenden Kongresses" scheint die
Grundrechte aller anderen BürgerInnen auszuhebeln."
Gez. Elke Steven
Komitee für Grundrechte und Demokratie
Köln, 25. Januar 2008
Senator für Inneres und Sport
Dr. Ehrhart Körting – per Fax –
Offener Brief
Sehr geehrter Herr Innensenator Dr. Körting,
Unter dem Titel «Sicherheit kostet Freiheit» wird am 29. Januar 2008 in
Berlin eine Demonstration stattfinden, zu der auch das Komitee für
Grundrechte und Demokratie aufruft. Anlass dafür ist der 11. Europäische
Polizeikongress – eine formell private Veranstaltung, organisiert durch
einen Zeitungsverlag und gesponsort durch Firmen der
Sicherheitsindustrie –, der zu diesem Zeitpunkt in Berlin stattfindet
und an dem Sie auch selbst teilnehmen werden. Gegenstand des Protests
ist insbesondere die Ausbreitung staatlicher Überwachungsmethoden, die
sowohl im nationalen Rahmen der EU-Mitgliedstaaten als auch auf der
europäischen Ebene rechtlich, politisch und polizeilich-organisatorisch
verankert wurden und werden. Bürgerrechtsorganisationen quer durch
Europa haben diese Entwicklungen in den letzten Jahren kritisiert.
Mit Befremden nehmen wir nun zur Kenntnis, dass dieser Demonstration
einmal mehr grundrechtswidrige Auflagen gemacht werden. Diese bestehen
insbesondere darin, dass die TeilnehmerInnen nicht in die Nähe jener
Institutionen und Orte gelassen werden sollen, gegen die sich der
Protest richtet bzw. an denen er sich entzündet. Ein solches Vorgehen
ist in der Regel ein Vorzeichen dafür, dass auch beim Ablauf der
Demonstration selbst die fast schon üblichen Einschränkungen zu erwarten
sind: massive Vorkontrollen, ständige Videoüberwachung, Begleitung durch
ein hohes Polizeiaufgebot, gegebenenfalls ein Spalier von
PolizeibeamtInnen u.ä.m. – Vorkehrungen also, die den Demonstrationszug
für die Bürgerinnen und Bürger am Straßenrand und auch für die Medien
als ein gefährliches Ereignis erscheinen lassen. Die geradezu
automatisch entstehenden, Gefahr und Bedrohung signalisierenden Presse-
und Fernsehbilder kann man sich bereits jetzt ausmalen.
Vor diesem Hintergrund möchten wir Sie noch einmal an den Sinn der
Versammlungsfreiheit des Artikels 8 Grundgesetz erinnern: Sie ist in
einer liberalen Demokratie ein geradezu not-wendiges Grundrecht: ein
«Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie», wie der
frühere Verfassungsrichter Konrad Hesse sagte, und damit ein Korrektiv
gegen die in Parteien und politischen Institutionen vorgeformte
Meinungsbildung. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit und ihre
Unmittelbarkeit implizieren, dass es möglich sein muss, einen
Zusammenhang zwischen den Ereignissen und dem Gegenstand des Protests
einerseits und der Demonstration andererseits herstellen zu können –
sowohl zeitlich als auch räumlich.
Es gibt keinen Grund, es den
TeilnehmerInnen des Polizeikongresses und den ihn mitfinanzierenden
Firmen der Sicherheitsbranche im weiteren Sinne die durchaus unangenehme
Situation zu ersparen, sich politische Proteste anhören und den
Protestierenden in die Augen sehen zu müssen.
Die vom Polizeipräsidenten am 24. Januar 2008 erlassenen Einschränkungen
des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit entbehren jeder konkreten
Begründung und sind unverhältnismäßig. Unspezifischen Gefahrenprognosen
werden aus willkürlich zusammengestellten Vermutungen und
unzusammenhängenden Ereignissen abgeleitet – selbst zwei tragische
Unfälle im Jahr 2002 in Köln beim Christopher Street Day und beim
Rosenmontagszug werden zur Begründung herangezogen.
Der «störungsfreie
Ablauf des in der Kongresshalle stattfindenden Kongresses» scheint die
Grundrechte aller anderen BürgerInnen auszuhebeln.
Das Komitee für Grundrechte und Demokratie fordert Sie deshalb auf,
darauf hinzuwirken, dass die Entscheidung Ihrer Behörde zurückgenommen
und die Demonstration gemäß den Planungen der Anmelder zugelassen wird.
Zweitens fordern wir sie auf, mit dazu beizutragen, dass die
Demonstration in einem angstfreien Klima stattfinden und zu einer
dringend nötigen öffentlichen Diskussion über die «innere Sicherheit»
beitragen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Heiner Busch
(Geschäftsführender Vorstand)