»Festung Europa – Polizei
und Kontrolle«
Filme und Veranstaltung im Kellerkino in der Kastanienallee 85 (Prenzlauer Berg) und K9 (Kinzigstraße 9)
Donnerstag, 10.1.08 20.30 Uhr, Kellerkino in der
Kastanienallee 85 (Prenzlauer Berg)
KONTROLLE TOTAL
Doku,
Frankreich 2006, 53min, Regie: Etienne Labroué
Heute
lässt sich genau nachvollziehen, was ein Internetnutzer im Web
macht, zum Beispiel welche Bilder er wann und auf welchem Server
herunter lädt. Fachleute für neue Technologien ziehen eine
beunruhigende Bilanz über die Maßnahmen zur Überwachung
des Individuums. Verfolgungs- und Identifizierungstools sind in Mode
– von Peking bis Paris und von Tunis bis Berlin. Sehr beliebt sind
Viren und Hackerprogramme, die die Kontrolle über PCs, Webcams
und Mikrophone übernehmen und zu Hause oder am Arbeitsplatz in
die Privatsphäre der Menschen eindringen. Die totale Überwachung
ist in der Computerwelt bereits Wirklichkeit.
Begegnung
mit Pierre Gattaz, dem Vorsitzenden des Verbands der französischen
Elektronikindustrie: "In unserer demokratischen Gesellschaft
wird Sicherheit oft als Einschränkung der persönlichen
Freiheit empfunden. Es muss erreicht werden, dass die Bevölkerung
die verwendeten Technologien wie Biometrie, Videoüberwachung und
Kontrollen akzeptiert." Biometrische Verfahren kommen in immer
mehr Unternehmen und Institutionen zur Anwendung, mitunter ohne
Genehmigung der Datenschutzbehörde. Der Film zeigt Beispiele in
einem Krankenhaus, einer Schule und einer Stadtverwaltung. Die
Gewerkschaften sprechen von "Bespitzelung" und weisen auf
neue Krankheiten durch Stress und ständige Überwachung hin.
Auch die Fehlbarkeit biometrischer Technologien und die Risiken des
Datendiebstahls sind Thema.
In den
Vereinigten Staaten engagiert sich Katherine Albrecht gegen die
Identifizierung über Radiowellen (Radio Frequency
Identification, RFID). Sie warnt vor einer Beschränkung der
individuellen Freiheit unter dem Druck der Industrie. Die
RFID-Revolution ist in vollem Gange, und Mikrochips sind in unserem
Alltag, in Forschungszentren und Krankenhäusern bereits
allgegenwärtig. In Europa und Amerika wurde sogar bereits damit
begonnen, Mikrochips in den menschlichen Körper einzupflanzen.
In Mexico City haben rund 1.000 Personen ein Implantat, zumeist aus
medizinischen Gründen. Ein Fachmann für Geolokalisierung
spricht über zukünftige Anwendungen, bei denen durch
Kombination des RFID-Chips mit einem GPS-Sender der gechipte
Gegenstand oder Mensch in Echtzeit geortet werden kann.
Morgen
schon werden alle registriert, erfasst, gechipt und überwacht…
Der Film stellt die Frage, welchen Preis wir für eine
möglicherweise trügerische Sicherheit zu zahlen bereit
sind.
Wer hat meine Daten? –
Wie wir
täglich ausgespäht werden
Doku,
D 2006, 45 min, R:Erich Schütz und Detlev Koßmann
Erfasst,
kategorisiert und gespeichert: Jeder Bürger besteht in
unzähligen Datenbanken längst nur noch aus Zahlenreihen.
Von jedem von uns sind Hunderte von Daten im Umlauf. Jeder Kauf mit
Kundenkarte, jeder Besuch auf Internetseiten hinterlässt Spuren,
die von Datenhändlern begierig gesammelt, ausgewertet und
verkauft werden. Vorlieben, Leidenschaften, selbst geheime Wünsche
von jedem von uns werden gespeichert und in Umlauf gebracht, zu
Nutzerprofilen zusammengefasst und transparent gemacht.
Der
Journalist Erich Schütz hat zusammen mit Detlev Koßmann
seine eigenen Datenspuren verfolgt und war verblüfft, was mit
seinen Daten so alles passiert.
Donnerstag, 17.1.08 20.30 Uhr, Kellerkino in der Kastanienallee 85 (Prenzlauer Berg)
TOD IN DER
ZELLE – WARUM STARB
OURY JALLOH?
Doku,
D 2006, 45 min, R: Marcel Kolvenbach und Pagonis Pagonakis
Dessau,
ein kalter Morgen im Januar. Ein Mensch, offensichtlich unter
Alkohol, wird von der Polizei aufgegriffen, in eine Zelle gesperrt
und mit Handschellen an Händen und Füßen gefesselt,
"fixiert", wie es im Polizeijargon heißt. Er wird
durchsucht, ihm wird Blut entnommen. Gegen Mittag schlägt der
Rauchmelder in der Zelle zweimal Alarm. Hilferufe durch eine
Gegensprechanlage werden ignoriert.
Oury
Jalloh, ein Asylbewerber aus Westafrika, stirbt im Polizeigewahrsam.
Offizielle Todesursache: Tod durch Hitzeschock, keine
Fremdeinwirkung. Das Opfer habe die Matratze in der Zelle mit einem
Feuerzeug angezündet, dann selbst Feuer gefangen und sei
verbrannt. Schon bald kommen Zweifel an der offiziellen Version des
Tathergangs auf.
Der Film
rekonstruiert den Fall, prüft die offizielle Version der
Selbsttötung. Ein Jahr lang haben die Autoren Kolvenbach und
Pagonakis Fakten, Obduktionsberichte und Ermittlungsunterlagen
recherchiert, mit Zeugen gesprochen und beobachtet, wie man in Dessau
mit dem Tod Oury Jallohs umgeht. Sie haben die Familie in Westafrika
aufgesucht: Dort ist Oury Jalloh nur knapp dem grausamen Bürgerkrieg
in Sierra Leone entkommen. Dass er ausgerechnet in einer Polizeizelle
in Deutschland verbrannt ist, kann die Familie nicht fassen.
Mehr als
zwei Jahre nach dem mysteriösen Verbrennungstod hat jetzt ein
Prozess gegen zwei Polizeibeamte begonnen, denen Körperverletzung
mit Todesfolge und fahrlässige Tötung vorgeworfen wird.
Aber wird das Landgericht Dessau das Rätsel um einen der
spektakulärsten Tode der deutschen Polizeigeschichte lösen
können?
Aus
Guinea, Westafrika, ist die Mutter Oury Jallohs nach Dessau gereist:
Sie hofft auf umfassende Aufklärung. "Oury ist dreimal
gestorben", sagt ein Freund: "Im Bürgerkrieg in Sierra
Leone starb seine Vergangenheit, im Asylbewerberheim in Rosslau bei
Dessau starb seine Zukunft und in der Zelle kam er ums Leben."
Veranstaltung:
Donnerstag, 24.1.08 19.30 Uhr Café
Größenwahn, Kinzigstr. 9
(Friedrichshain)
Genua 2001: Polizeiterror und juristisches
Nachspiel eines Gipfelsturms
Mit
Filmvorführung: "OP – Öffentliche Sicherheit und
Ordnung" (40 min, Italien 2007)
Im Juli
2001 kamen rund 300.000 Menschen nach Genua um gegen die Machtshow
der Regierungschefs der G8-Staaten auf die Straße zu gehen.
Tausende von Menschen wurden von den brutal wütenden
"Ordnungskräften" der Polizei und Carabinieri
geschlagen und erniedrigt, der Demonstrant Carlo Giuliani umgebracht
und mehrere andere lebensgefährlich verletzt. Zahlreiche
militante GipfelgegnerInnen zeigten, dass sie die gegebenen
Verhältnisse nicht akzeptieren wollen und trieben den
politischen und ökonomischen Preis für die Abschottung der
Regierungschefs in der sogenannten "roten Zone" der
Genueser Altstadt in die Höhe. 25 von ihnen wurde in Genua der
Prozess gemacht. Mitte Januar wurden sie zu insgesamt 108 Jahre Haft
verurteilt.
Der neue
Film "OP — Öffentliche Sicherheit und Ordnung" des
Rechtshilfebüros in Genua, "Segreteria Legale", ist
eine Erweiterung des Films "Recht auf Notwehr" von 2005,
der vor allem den Angriff der Carabinieri auf die Demonstration der
Tute Bianche am Freitag, den 20. Juli 2001 dokumentiert. Die
Ereignisse wurden im Rahmen der Verteidigung von 25 italienischen
AktivistInnen rekonstruiert.
Veranstaltung:
Dienstag,
29.1.2008, 19.30 Uhr, Clash im Mehringhof, Gneisenaustrasse 2a
(Kreuzberg)
"Fiese Tricks von Polizei und Justiz" –
Präsentation und Diskussion
Ihr macht
eine Gedichtelesung … und landet im Polizeiknast mit dem Vorwurf,
einen Brandanschlag versucht zu haben. Einen Brandsatz haben sich die
Bullen selbst gebastelt. Das glaubt niemand? Die Polizeiakten selbst
belegen es. Aber das ist nur ein Fall: Verfolgung wegen Graffitis,
die es nie gab. Gipsabdrücke von Schuhen des Täters, die
aber nicht am Tatort, sondern von der Polizei später selbst
hergestellt wurden. Videofilme der Polizei verschwinden,
Falschaussagen werden gedeckt: Das Leben ist ein Bond-Film.
Jörg
Bergstdt hat in einer Ton-Bilder-Schau fünf aktuelle Fälle
zum Machtmissbrauch in Robe und Uniform zusammengestellt. Die Schau
ist ein erschreckender, zuweilen witziger und immer spannender
Vortrag mit konkreten Fällen, Auszügen aus
nichtöffentlichen Polizei- und Gerichtsakten – ein tiefer Blick
hinter das Grauen von Polizei- und Justizalltag!
Donnerstag, 31.1.08 20.30 Uhr, Kellerkino in der Kastanienallee 85 (Prenzlauer Berg)
Hinter diesen Mauern – Mumia Abu-Jamal UND
DER
LANGE KAMPF UM FREIHEIT
Doku,
D 1996, 67 min, R: Heike Kleffner und Jule Buerjes
Anschließend
aktuelle Infos und Diskussion mit dem Berliner Bündnis Freiheit
für Mumia Abu-Jamal
Am 17.
August 1995 sollte im US-Bundesstaat Pennsylvania der
afroamerikanische Journalist Mumia Abu-Jamal hingerichtet werden.
Sein Fall – einer von fast 3000 Todeskandidaten in den USA – erregte
internationale Aufmerksamkeit. Der Hinrichtungsbefehl wurde zehn Tage
vor dem Termin ausgesetzt.
Mumia
Abu-Jamal, der schon als 15jähriger in der Black Panther Party
aktiv und seit Anfang der 70er Jahre für seine engagierte
Radioberichterstattung bekannt war, wurde 1982 in einem skandalös
unfairen Prozeß zum Tode verurteilt, weil er angeblich einen
Polizisten ermordet hatte.
Der Film
dokumentiert durch ein Interview mit Abu-Jamal, durch Gespräche
mit Weggefährten, Familienangehörigen, Prozeßbeteiligten
und durch Archivmaterial wesentliche Teile seiner Biografie, den
Prozessverlauf und den langen Kampf um ein Wiederaufnahmeverfahren –
die einzige Möglichkeit, dem Tod durch die Giftspritze zu
entgehen.
Staatsanwalt
Joseph Mc Gill bleibt im Film bei seiner wahrheitswidrigen Version
des Tathergangs, mit der er 14 Jahre zuvor im Prozess eine
überwiegend weiße Jury zum Schuldspruch bewegt hatte.
Rechtsanwalt Len Weinglass nennt die Fakten und Zeugenaussagen, die
schon 1982 Mumias Unschuld bewiesen hätten, wären sie
damals Prozessgegenstand gewesen.
Zu Wort
kommen u.a. auch der Präsident der rechtsradikalen
Polizeigewerkschaft "Fraternal Order of Police", die eine
"elektrische Couch für Abu-Jamal und seine Unterstützer"
gefordert hatte, und der Vorsitzende der "Gewerkschaft Schwarzer
Polizisten", der von Abu-Jamals Unschuld überzeugt ist, der
Schauspieler Ossie Davis, das MOVE-Mitglied Pam Africa aus der
Solidaritätsbewegung, Lydia Wallace, Abu-Jamals Schwester und
sein Sohn Jamal Ibu-Mumia.
Bis zum
Jahr 2000 gab es im deutschen Fernsehen keinen Sendeplatz für
den Film. Die deutsche Fassung, dazu je eine englische, französische
und spanische liefen auf internationalen Festivals und
Veranstaltungen und im Stadtfernsehen von New York.