Die Militarisierung der deutschen Außenpolitik soll durch EU- und
NATO-Kriegseinsätze selbstverständlich werden. Der Rüstungshaushalt
sieht Umstellungskosten für die Angriffsfähigkeit der Bundeswehr in
Milliardenhöhe vor
Von Claudia Haydt
[junge welt] Die Bereitschaft der deutschen Regierung, ab Sommer 2008 mit
Kampftruppen im Norden Afghanistans (und darüber hinaus?) präsent zu
sein, ist ein klares Indiz für eine neue Qualität deutscher
militärischer Außenpolitik. Zusammen mit der Beteiligung der Bundeswehr
an multinationalen Gefechtsverbänden der NATO Response Force und der
EU-Battlegroups wird so, neben der forcierten »Normalität« von
Besatzungseinsätzen, Schritt für Schritt die »Normalität« von
internationalen Kampfeinsätzen etabliert. Es geht dabei erklärtermaßen
um die Sicherung des Zugangs zu Rohstoffen und von Transportwegen, um
damit sowohl die Energieversorgung als auch die Handelswege des
Exportweltmeisters Deutschland zu sichern. Noch wichtiger scheint
hiesigen Machtpolitikern die Etablierung des Landes als weltweit
auftretender Akteur zu sein. Hierbei kommt eine bemerkenswerte
Gleichsetzung von deutschem internationalen Gewicht mit deutschen
militärischen Fähigkeiten zum Tragen, die gern mit der Notwendigkeit,
global »Verantwortung übernehmen« zu wollen, in Verbindung gebracht
wird. Der Organisator der Münchner Sicherheitskonferenz, Horst
Teltschik (CDU), erklärte in den letzten Tagen ganz offen, daß
deutsches diplomatisches Gewicht auf der internationalen Bühne nur über
stärkere weltweite militärische Präsenz herstellbar sei. Nicht nur aus
seiner Sicht gehört dazu auch ein Kampfeinsatz im Süden Afghanistan.
Doch
egal, ob diese Kampfeinsätze nun vorerst »nur« im Norden oder auch im
Süden stattfinden: Aus diesen Erwägungen ergibt sich ein eindeutig
offensiver Charakter deutscher Militärpolitik, eine
»Einsatzorientierung« der Bundeswehr, die durch die sogenannte
Transformation Zug um Zug ausgebaut wird. Dies zieht auch eine
grundlegende Veränderung der Ausrüstung der Bundeswehr für diese neuen
Aufgaben nach sich (siehe jW vom 8.2.2008, S. 10/11). Neue offensive
Waffensysteme, weltweite Aufklärung und Kommunikation sowie eine
größere Mobilität von Truppen, all das sind Fähigkeiten, die aus
machtpolitischer Sicht hergestellt oder gesteigert werden müssen.
Entsprechend rollt zur Zeit eine massive Aufrüstungswelle an, die durch
eine Verpflichtung im Rahmen des Vertrags von Lissabon abgesichert
wird.
Aufrüstungsverpflichtung durch EU
Je selbstverständlicher es
wird, daß Bundeswehrsoldaten rund um den Globus im Einsatz sind, umso
mehr schlägt sich dieser Druck auch auf den Bundeshaushalt nieder.
Allein für 2008 stieg der Ansatz für den »Verteidigungshaushalt«
(Einzelplan 14) um etwa eine Milliarde Euro auf 29,3 Milliarden. Im
Jahr 2010 sollen dann 30 Milliarden in den Haushalt des
Verteidigungsministers fließen, wenn bis dahin nicht noch weitere
Erhöhungen beschlossen werden. Eine solche Entwicklung scheint sehr
wahrscheinlich, da sowohl die zunehmenden Auslandseinsätze im Rahmen
von NATO und EU als auch zahlreiche neue Rüstungsprojekte immer mehr
Gelder verschlingen, und zwar in einem Umfang, der absehbar den Rahmen
der mittelfristigen Finanzplanung sprengt.
Das
Bundesministerium der Verteidigung erklärte am 17. April 2007 in seinem
jährlichen Bericht über die Kosten internationaler Einsätze: »Der
Einzelplan 14 hat sich zum ›Einsatzhaushalt‹ entwickelt.« Hier wird mit
großer Selbstverständlichkeit ausgesprochen, daß mit den Geldern aus
dem »Verteidigungs«haushalt faktisch Krieg und Besatzung finanziert
werden.
Etwa eine Milliarde Euro verschlingen die
»Einsatzbedingten Zusatzkosten« jährlich. Damit werden die
Auslandsverwendungszuschläge der Soldaten, der Erhalt von im Einsatz
ramponiertem Militärgerät oder auch im Einsatzland benötigte
militärische Anlagen bezahlt. Ausrüstungsgegenstände und Bewaffnung,
deren Bedarf vor dem Einsatz nicht absehbar war, kosten die Bundeswehr
jährlich gut 100 Millionen Euro. Dieser Finanzposten wird von Jahr zu
Jahr geringer, da sich bereits die reguläre Rüstungsbeschaffungsplanung
an dem Einsatzbedarf der Bundeswehr ausrichtet.
Statt dessen
wird diese immer stärker an Kriegführung orientierte militärische
Beschaffung zunehmend teurer. Die Einsatzorientierung der Bundeswehr
führt auch zu Mehraufwendungen für den Übungsbetrieb, in dem die
Soldaten auf ihren Einsatz vorbereitet werden. So wird etwa im
Gefechtsübungszentrum (GÜZ) bei Magdeburg nach Angaben der Bundeswehr
»das gesamte Spektrum der wahrscheinlicheren bodengebundenen Einsätze
realitätsnah, nachvollziehbar, objektiv, bedarfsgerecht und
zukunftsorientiert mit Hilfe modernster Systemtechnik«1 geübt.
Übungsbetrieb und hochmoderne Infrastruktur, nicht nur an diesem
Standort, werden immer teurer.
Im Artikel 28 des Vertrags von
Lissabon wird wiederholt, was bereits im gescheiterten
Verfassungsvertrag stand: »Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre
militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.« Auf die Frage,
was dies zukünftig für die deutsche Haushaltspolitik bedeute,
antwortete der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages im Januar 2008:
»Demnach dürften die Mitgliedsstaaten hinsichtlich einer (…)
Verbesserung ihrer militärischen Fähigkeiten nicht untätig bleiben.«
Auch wenn dies eine recht vage Formulierung ist, wird eines klar:
Abrüstung, besonders dann, wenn diese ernstgemeint ist, stößt auf
juristische Probleme. Noch wesentlich rigider werden die Vorgaben, wenn
es eine Beteiligung an der »Ständigen Strukturierten Zusammenarbeit«
(SSZ) gibt – und die deutsche Regierung hat nie Zweifel daran aufkommen
lassen, daß sie diese Form der Etablierung eines militärischen
Kerneuropas unterstützen wird.
Im Artikel 28a Absatz 6 des
Lissabon-Vertrags sowie im zugehörigen Protokoll werden die
entsprechenden Regelungen getroffen. Voraussetzung zur Teilnahme an der
SSZ sind unter anderem ein Mitmachen in den EU-Battlegroups und
Unterstützen gemeinsamer Aufrüstungsprogramme. Für die SSZ gilt laut
Gutachten: »Übernommen werden echte Rechtspflichten. (…) Die
verbindlichen Formulierungen (…) zeigen, daß es sich hierbei nicht
bloß um politische Willenserklärungen handelt.« Die Mitgliedsstaaten
der SSZ unterwerfen sich »verbindlichen Zielen für die Höhe der
Investitionsausgaben für Verteidigungsgüter«. Damit erhalten die
Lobbyisten der deutschen und europäischen Rüstungsindustrie Auftrieb.
Sie drängen schon seit Jahren darauf, daß ein größerer Anteil des
Militärhaushaltes für »rüstungsinvestive Ausgaben« bereitgestellt
werden sollen.
Milliarden für Angriffskriege
Wie fast jedes neoliberale Unternehmen arbeitet auch die Bundeswehr
daran, einerseits ihre Personalkosten zu senken und andererseits ihre
Investitionsausgaben zu erhöhen. Im Jahr 2008 fließen etwa sechs
Milliarden Euro in den rüstungsinvestiven Bereich. Dieser Anteil soll
bis 2012 kontinuierlich auf acht Milliarden gesteigert werden. Dadurch
erhöht sich die Investitionsquote im »Einzelplan 14« von 25 auf 30
Prozent. Die Personalkosten sollen gleichzeitig um eine halbe Milliarde
sinken. Dies wird unter anderem dadurch erreicht, daß immer größere
Teile des »zivilen« Bundeswehrpersonals in einen der zahlreichen
Private-Public-Partnership-Betriebe ausgelagert werden. Beispiele dafür
sind die Heeresinstandsetzungslogistik, das Informationstechnikprojekt
»Herkules« oder der Bundeswehrfuhrpark. Insgesamt hat die Bundeswehr
Betreiberverträge im beachtlichen Umfang von 1,5 Milliarden Euro
jährlich abgeschlossen. Profiteure dieser Kooperation sind bekannte
Größen wie die Diehl Stiftung, Rheinmetall Landsysteme, Krauss-Maffei
Wegmann oder IBM.
Solche
Sparmaßnahmen beim Personal ermöglichen es außerdem, Gelder für
Rüstungsmaßnahmen freizusetzen, die lediglich den Charakter einer
Förderung der Rüstungsindustrie haben und nicht einmal militärisch
funktional sind. Dies soll nicht als Plädoyer für militärisch
effiziente Rüstung mißverstanden werden, sondern lediglich erläutern,
daß die Verbindung von politischen Entscheidungsträgern mit dem
militärisch-industriellem Komplex so eng ist, daß gelegentlich die
Rüstungsförderung Priorität vor allen anderen Erwägungen erhält. So
werden in den nächsten Jahren weitere Milliarden in das
Luftabwehrprojekt Medium Extended Air Defense System (MEADS,
Mittelstrecken-Luftverteidigungssystem) gesteckt, obwohl dieses Projekt
aus Zeiten des Kalten Krieges für »moderne« Interventionskriege
weitgehend nutzlos ist. Vergleichbares gilt für die Investitionen in
die Kampfwertanpassung der Patriot-Flugzeuge mit PAC3-Lenkflugkörpern.
Beim bisherigen Kostenspitzenreiter Eurofighter war die Kritik, dieser
werde als Abfangjäger nicht benötigt, so unüberhörbar, daß er nun für
teures Geld für »Mehrrollenfähigkeit« nachgerüstet wird. Dadurch wird
der Eurofighter von einem militärisch weitgehend sinnlosen zu einem
äußerst gefährlichen Objekt, das auch Flächenbombardements ermöglicht.
Insgesamt
spiegeln die Entscheidungen über die laufenden und anstehenden
Rüstungsprojekte aber durchaus Strategien wider, mit denen die
Bundeswehr in bestimmten Bereichen »handlungsfähig« gemacht werden
soll. Im »Bundeswehrplan 2008« werden die aktuellen und die in den
nächsten zehn Jahren geplanten Aufrüstungsmaßnahmen erläutert. Die
Planung orientiert sich weitgehend an den Fähigkeiten, die in den
»Verteidigungspolitischen Richtlinien« und dem »Weißbuch der
Bundeswehr« festgelegt wurden. Der Übergang von einer Armee, deren
Ausrüstung hauptsächlich an Landes- (und Bündnis-)Verteidigung
ausgerichtet ist, zu einer »Armee im Einsatz« vollzieht sich im Bereich
der Beschaffungsplanung etwas langsamer, als die jetzt schon
durchgeführten Bundeswehreinsätze es erfordern. Die rüstungspolitische
Orientierung zu einer offensiven, vernetzten und mobilen Bundeswehr ist
inzwischen deutlich sichtbar. Die Bundeswehr soll durch die neuen
Aufrüstungsprogramme ihren »Bedarf für die wahrscheinlicheren Einsätze«
decken können. Welche gigantischen Summen dafür in den nächsten Jahren
bereits fest eingeplant werden, soll an einigen ausgewählten Projekten
dargestellt werden.
»Wirksamkeit im Einsatz«
Um Interventionskriege in aller
Welt führen zu können, rüstet die Bundeswehr in den Bereichen
Führungsfähigkeit und weltweite Aufklärung kräftig auf. Dazu gehören
das Führungsinformationssystem des Heeres (FüInfoSysH) und die zweite
Stufe des Satellitenkommunikationssystems der Bundeswehr »SATCOM«.
Dadurch sollen Bundeswehreinheiten bei ihren weltweiten Einsätzen
zuverlässig an die »Vernetzte Operationsführung« angebunden werden.
Weltweite Nachrichtengewinnung und Aufklärung galten noch bis vor
kurzem als defizitäre Bereiche der Militärmacht Deutschland, doch mit
dem Projekt »Satellitenaufklärungssystem Lupe«, für das 2007 der erste
Satellit ins All geschossen wurde, hat die Bundeswehr künftig weltweit
Zugriff auf Informationen, die durch hochauflösende Radarsensoren
gewonnen werden. Unbemannte Flugzeuge wie die Drohnen »Euro Hawk«, »UAV
HALE« oder »Luna« sollen die flexible, luftgestützten und weiträumige
Aufklärung verbessern.
Mit
unbemannten Flugzeugen soll perspektivisch auch das möglich sein, was
heute schon mit dem neuen Aufklärungssystem der Marineflieger (P3C
Orion) funktioniert: die Verknüpfung von Aufklärung mit präzisem
Beschuß von Zielen, »Waffenwirkung gegen Ziele«. Für die Eingreifkräfte
des Heeres wird in den nächsten Jahren deren Aufklärungsbedürfnis durch
den Erwerb weiterer Spähpanzer des Typs »Fennek« gedeckt. Insgesamt
sollen in die Bereiche Führung und Aufklärung in den nächsten Jahren
mindestens neun Milliarden Euro investiert werden.
Um Soldaten
und Rüstungsgüter schnell und in größerer Zahl in die Einsatzgebiete zu
bringen, fehlen der Bundeswehr bisher noch die entsprechenden
Kapazitäten. Besonders dann, wenn es um größere Entfernungen oder um
schnellen Transport innerhalb der Einsatzgebiete geht. Das
Transportflugzeug Airbus 400 M wird teuer werden (zirka zehn Milliarden
Euro), und vor dem Jahr 2011 ist mit einer Auslieferung der ersten
Exemplare nicht zu rechnen. Ob diese dann wirklich die gewünschte
Nutzlast zuverlässig transportieren können, scheint ungewiß. Da jedoch
weder Bundeswehr noch Regierung sich deswegen von Kriegsbeteiligungen
wie in Afghanistan abbringen lassen, werden für teures Geld gewerbliche
»Zwischenlösungen« gechartert: Der strategische Lufttransport wird über
die Ruslan SALIS GmbH abgewickelt und der strategische Seetransport
über eine dänische Reederei. Für die »taktische Mobilität«, also den
Transport von Soldaten und Gerät im Einsatzgebiet, werden der
Transporthubschrauber NH-90 und das gepanzerte Transportkraftfahrzeug
»Boxer« beschafft. Ingesamt läßt sich die Bundeswehr die Verbesserung
ihrer Transportkapazitäten in den nächsten Jahren etwa 15 Milliarden
Euro kosten.
Mobilität, Aufklärung und Führung sind Fähigkeiten,
die vor allem eines ermöglichen sollen: einen erfolgreichen und
wirksamen Einsatz der Bundeswehreinheiten in ihren jeweiligen
Missionen. Das effektive Demonstrieren militärischer Stärke, das
Schießen und Treffen nennt die Bundeswehr »Wirksamkeit im Einsatz«. Zu
diesem Bereich gehören laufende Rüstungsprojekte wie der
Kampfhubschrauber »Tiger« oder der Schützenpanzer »Puma« inklusive des
dazugehörigen »MELLS« (mehrrollenfähiges leichtes
Lenkflugkörpersystem). Neben der Befähigung des Eurofighters zu
Flächenbombardements gehören in diese Kategorie auch die Umrüstung von
längst eingeführten Systemen wie den Kampfpanzer »Leopard«, der durch
verkürzte Bordkanonen und neue Munition für »Peace Support Operations«
fit gemacht werden soll, d. h. für den Kampf im urbanen Umfeld und
gegen nichtgepanzerte Ziele.
Ein ambitioniertes (und teures)
Zukunftsprojekt ist die Verknüpfung von drohnengestützter Aufklärung
mit ebenfalls drohnengestützter Angriffsfähigkeit. Das
deutsch-israelische Projekt wird unter dem Namen WABEP (Wirkmittel zur
abstandsfähigen Bekämpfung von Einzel- und Punktzielen) entwickelt. Das
bekämpfte »Punktziel« kann ein Gebäude, ein Fahrzeug oder auch eine
Gruppe von Menschen sein.
»Wirksamkeit im Einsatz« ist auch für
die Marine ein wichtiges Ziel. So sollen in den nächsten Jahren vier
Fregatten, Kriegsschiffe im klassischen Sinn, besorgt werden. Die
letzte der fünf neuen Korvetten wird noch im Jahr 2008 geliefert, und
auch die Feuerkraft der Marine wird deutlich verbessert. Korvetten,
Fregatten und deren Bordhubschrauber erhalten die nötige Ausstattung,
um auf Land- oder Seeziele schießen zu können. Demnächst wird die
Beschaffung der insgesamt sechs U-Boote der Klasse 221 A abgeschlossen.
Diese sind wegen des neuartigen Brennstoffzellenantriebs weitgehend
außenluftunabhängig, stärken »die maritimen Fähigkeiten der
Eingreifkräfte«, haben einen großen Radius und helfen mit den anderen
Kampfgeräten der hier beschriebenen Rüstungsprojekte, aus der Marine
eine funktionierende Kriegsflotte zu machen. Den gesamten Bereich der
»Wirksamkeit im Einsatz« läßt sich die Bundeswehr in den nächsten
Jahren etwa 50 Milliarden Euro kosten. In diesen Kernbereich der
Kriegsführungsfähigkeit werden also bei weitem die größten Summen
investiert.
Wenn Soldaten in Einsätze überall auf der Welt
geschickt werden, dann braucht die Bundeswehr, um militärisch
handlungsfähig zu bleiben, die Möglichkeit, kämpfende und stationierte
Soldaten kontinuierlich zu unterstützen um deren »Durchhaltefähigkeit«
zu gewährleisten. Für die Marine kann der Einsatzgruppenversorger Kl702
diese Fähigkeit übernehmen. Er kann so ausgestattet werden, daß er bis
zu 45 Tage autarke Einsätze ermöglicht. Zwei der vier
Einsatzgruppenversorger sind bereits ausgeliefert. Das Heer wird durch
luftverladbare und bewegliche Feldlager flexibler einsetzbar, und
geschützte Transportfahrzeuge ermöglichen die Versorgung im
Einsatzgebiet. Für diese Fähigkeiten zur »Unterstützung und
Durchhaltefähigkeit« werden Kosten in Höhe von drei Milliarden Euro
erwartet.
Eng damit verknüpft sind »Überlebensfähigkeit und
Schutz«. Diesen »Maßnahmen zur Abwendung von Gefahr für Leben und
Gesundheit aller Angehörigen der Bundeswehr« wird in der öffentlichen
Diskussion viel Aufmerksamkeit geschenkt. Immer wieder werden
Forderungen nach Aufstockung des Wehretats damit begründet, daß zu
wenig Geld für den technischen Schutz der Soldaten da sei. Doch ist
auffällig, daß es hier auch um eine Frage der militärpolitischen
Prioritäten geht, wenn für die Angriffsfähigkeit der Truppe 50
Milliarden eingeplant sind und für den Schutz der Soldaten »lediglich«
vier Milliarden. Dann ist nicht einleuchtend, warum ein besserer
technischer Schutz von Soldaten nur bei einem höheren Wehretat möglich
sein soll. Argumentationen mit dem Schutzbedürfnis von Soldaten sind
also vor allem als moralischer Hebel zu verstehen, mit dem Stimmung für
höhere Militärausgaben gemacht werden soll.
Grundsätzlich gilt,
daß es keinen effektiven technischen Schutz für Soldaten in
Einsatzgebieten gibt. Im Kontext »asymmetrischer Kriegführung« stellen
mögliche Gegner sich immer wieder und meist sehr schnell auf das
geänderte Schutzniveau der Besatzer ein. Es gibt nur einen wirklichen
Schutz: Abzug der Truppen.
Finanzierung durch Rüstungsexport
Die Einsätze der
Bundeswehr schaffen Sachzwänge, die durch die Aufrüstungsverpflichtung
im Vertrag von Lissabon zu rechtsverbindlichen Vorgaben werden. Jeder
neue Einsatz offenbart neue Ausrüstungsdefizite, die dann nach
Evaluation durch die Europäische Rüstungsagentur wieder mit neuen
teuren Aufrüstungsprojekten behoben werden sollen, nur um
festzustellen, daß diese ebenfalls nicht ausreichen. Bereits die heute
geplanten Projekte verschlingen sämtliche für die nächsten Jahre
bereitgestellten Finanzmittel. Schon der jetzt absehbare »zusätzliche«
Rüstungsbedarf wird wie eine Bugwelle in die nächsten Jahre vor sich
her geschoben und zu weiteren Erhöhungen des Rüstungsetats führen.
Bedenkt man, daß allein die genannten und weitgehend durch Verträge
abgesicherten Projekte zusammen etwa 80 Milliarden Euro kosten werden,
dann wird klar, mit welchen finanziellen Dimensionen hier zu rechnen
ist.
Um
Rüstungsprogramme finanzieren zu können, wird darüber hinaus durch
Exporte der Stückpreis von Rüstungsgütern gesenkt. Ein Verkauf in
andere Länder wird bei den meisten neuen Projekten eingeplant, wie etwa
beim Schützenpanzer »Puma«, der wie der »Leopard« ein Exportschlager
werden soll. Rüstungsexporte – besonders in Krisengebiete – erhöhen
jedoch das Kriegsrisiko weltweit und schaffen wiederum neue
Absatzmärkte für die Rüstungsindustrie. Durch Kriege und Besatzung
werden Probleme dieser Welt nicht gelöst, sie sind selbst Teil des
Problems und verschlingen die Ressourcen, die dringend benötigt werden,
um Menschen in Krisengebieten faire Entwicklungschancen zu eröffnen. Da
die politisch Verantwortlichen zur Zeit offensichtlich weder Willens
noch in der Lage sind, aus der Kriegs- und Rüstungsspirale
auszusteigen, muß der Druck für Abrüstung und Abzug aus den
Auslandseinsätzen von unten kommen: national und international
vernetzt, hörbar und entschieden.
1 Dieses und folgende nicht anders gekennzeichnete Zitate sind dem »Bundeswehrplan 2008« entnommen: geopowers.com/Machte/Deutschland/Rustung/Rustung_2007/BwPlan_2008_dok.pdf
*
Claudia Haydt ist Soziologin und Religionswissenschaftlerin. Sie ist
Mitglied im Vorstand der Informationsstelle Militarisierung e.V. in
Tübingen (imi-online.de)