[berliner zeitung] Wolfgang Wieland (Grüne) warnt vor Vermischung von Polizei, Militär und Geheimdiensten
Die
Bundesregierung strebt mit dem Umbau der deutschen
Sicherheitsarchitektur eine Vermischung von Polizei, Militär und
Geheimdiensten an. Diesen Vorwurf erhebt der innenpolitische Sprecher
der Grünen-Bundestagsfraktion, Wolfgang Wieland.
Der Bundestag
hat das neue Bundespolizeigesetz gegen die Stimmen der Opposition
beschlossen. Was haben die Grünen gegen eine Reform der Bundespolizei?
Gegen
eine sinnvolle Umstrukturierung wäre nichts einzuwenden gewesen. Man
hätte etwa die Bereitschaftspolizei den Ländern zuordnen können, was
vernünftig und effektiv wäre. Aber Bundesinnenminister Wolfgang
Schäuble belässt sie bei der Bundespolizei, weil er sich Kapazitäten
vorhalten will, um seine Idee einer Nationalgarde umzusetzen. Er hat ja
wiederholt gesagt, dass er paramilitärische Einheiten wie die
Carabinieri in Italien oder die spanische Guardia Civil auch in
Deutschland haben will.
Das Bundespolizeigesetz ist
verabschiedet, das neue Gesetz für das Bundeskriminalamt noch nicht.
Auch dort haben die Grünen erhebliche Bedenken. Aber wird das
BKA-Gesetz noch aufzuhalten sein?
Große Hoffnung habe ich da
nicht. Dabei wäre es fatal, wenn das BKA-Gesetz wie geplant umgesetzt
wird. Denn mit diesem Gesetz bekommen wir ein völlig neues BKA, oder
besser: ein deutsches FBI. Eine Polizei mit den vollen Kompetenzen
eines Nachrichtendienstes.
Ob die im BKA-Gesetz vorgesehene
Online-Durchsuchung kommen wird, hängt allerdings noch von dem
anstehenden Bundesverfassungsgerichtsurteil ab.
Es ist ärgerlich,
dass die Öffentlichkeit und auch wir Parlamentarier in den letzten
Monaten nur die Online-Durchsuchung diskutierten, wenn wir über das
BKA-Gesetz sprachen. Dabei sieht das Gesetz eine Vielzahl ähnlich weit
reichender Befugnisse für das BKA vor.
Zum Beispiel?
Es
gibt in dem Gesetzentwurf einen Paragrafen 20, der die künftigen
Befugnisse des BKA auflistet. Dieser Paragraf ist gegliedert nach den
Buchstaben a bis y – das heißt, man braucht fast das gesamte Alphabet,
um alle Ermittlungskompetenzen für das BKA zu definieren. Dazu gehören
etwa der Lauschangriff innerhalb und außerhalb der Wohnung plus
Videoangriff, die Raster- und Schleierfahndung sowie der Einsatz so
genannter IMSI-Catcher, mit denen innerhalb kürzester Zeit der Standort
von Handy-Benutzern ermittelt werden kann. Dazu gehören auch
weitgehende Abhörerlaubnisse, der Einsatz von V-Leuten und verdeckten
Ermittlern. Und das Recht, Wohnungen jederzeit betreten zu können.
Nach dem neuesten Entwurf soll das BKA zudem selbst Geistliche, Abgeordnete und Strafverteidiger abhören dürfen.
Mit
einem Trick. Im gerade erst verabschiedeten Gesetz über die
Telekommunikationsüberwachung sind diese Berufsgruppen bei
Abhörmaßnahmen im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens
tabu. Mit dem neuen Entwurf des BKA-Gesetzes soll nun aber
polizeirechtlich die Möglichkeit geschaffen werden, bei
Vorfeldermittlungen – also bevor überhaupt ein Verfahren eröffnet oder
auch nur eine Straftat begangen wurde – diese Berufsgruppen abzuhören.
Aber muss die Generalbundesanwältin dem nicht zustimmen?
Nein,
denn das BKA wird durch das neue Gesetz von der Bundesanwaltschaft bis
zu einem gewissen Grad abgekoppelt. Es kann selbstständig
Vorfeldermittlungen führen. Und erst, wenn das BKA meint, jetzt reichen
die Erkenntnisse, um ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, informiert
es die Bundesanwaltschaft. Bis dahin steht das BKA nicht mehr unter der
Sachleitungsbefugnis der Generalbundesanwältin, sondern es handelt in
eigener Regie. Damit wird sich das BKA, sollte das Gesetz in Kraft
treten, bis zu einem gewissen Grad jeglicher Kontrolle, der
justiziellen und erst recht der parlamentarischen, entziehen können.
Das Gespräch führte Andreas Förster.
Berliner Zeitung, 14.02.2008
Source: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/politik/725127.html