Innenministerium forciert Pläne für zentrales Melderegister

[heise] Die Bundesregierung konkretisiert ihre Pläne für ein zentrales
Bundesmelderegister. In dieser Datenbank sollen deutlich mehr
Informationen über die rund 82 Millionen Einwohner Deutschlands
gespeichert werden als heute in den Meldestellen. So sieht es ein
Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums zum Meldegesetz vor. Auch
bei den über 5000 kommunalen Meldestellen sollen mehr personenbezogene
Daten vorgehalten werden. Zudem würden Behörden Daten leichter abrufen
und austauschen können. Das Innenministerium argumentiert, durch
Schaffung zentraler Strukturen solle ein "effizienter und
wirtschaftlicher Vollzug" erreicht werden. Die "Qualität der Daten"
solle erhöht und damit den "zu Recht eingeforderten
datenschutzrechtlichen Anforderungen Rechnung getragen werden", heißt
es in der Antwort
(PDF-Datei) auf eine Kleine Anfrage der FDP-Fraktion. Das Gesetz könne
Anfang 2009 in Kraft treten. Datenschützer bezweifeln, dass ein
zentrales Bundesmelderegister notwendig ist und warnen seit langem vor einer "Superdatensammelbehörde" nach DDR-Vorbild.

 

Seit der Föderalismusreform I hat der Bund die alleinige Kompetenz,
das Melderecht zu regeln. Schon vor einem Jahr hatte das
Innenministerium ein zentrales Melderegister angekündigt. Der Referentenentwurf sieht jetzt vor, dass das Bundesmelderegister beim Bundesverwaltungsamt
angesiedelt wird. Von jeder in Deutschland gemeldeten Person würden
mindestens 27 persönliche Daten gespeichert, wesentlich mehr als heute
in den Meldebehörden erfasst sind. Darunter das Geschlecht, die
Religionszugehörigkeit, der Familienstand sowie die Steueridentifikationsnummer,
die jeder Steuerpflichtige sein Leben lang behält. Auch Pass- und
Ausweisdaten sollen gespeichert werden, nicht allerdings die biometrischen Merkmale.

Unter Umständen könnte der Datensatz jeder Person auf über 60
Einträge anwachsen. Neben der E-Mail-Adresse ("elektronische
Bürgeradresse") sowie Hochzeitstag- und Ort sollen auch die
gesetzlichen Vertreter samt Doktorgrad, Anschrift, Geburtstag,
Geschlecht und Todestag im Bundesmelderegister erfasst werden. Die
gleichen Daten werden von Ehegatten, Lebenspartnern und minderjährigen
Kindern gespeichert. Weitere Informationen sollen für bestimmte Zwecke
erfasst werden: Darf die Person wählen oder gewählt werden? Ist sie
bereits für den Wehrdienst erfasst worden? Wurde eine Waffenerlaubnis
erteilt; wenn ja, wann? Wurde eine sprengstoffrechtliche Erlaubnis
erteilt; wenn ja, wann?

In einem zentralen Melderegister dürften allenfalls die "Grundpersonalien" gespeichert werden, mahnt unterdessen der Bundesdatenschutzbeauftragte
Peter Schaar, "keinesfalls aber Waffenschein oder Steuernummer". Weil
das Bundesmelderegister gegen Entgelt Aufgaben der kommunalen
Meldebehörden übernehmen kann, würde das Bundesverwaltungsamt zu einer
"Superdatensammelbehörde", kritisiert die innenpolitische Sprecherin
der FDP-Bundestagsfraktion Gisela Pilz. Durch die vorgesehene
Speicherung der Steueridentifikationsnummer sei der Weg vorgezeichnet
zu einem zentralen Einwohnerregister mit Personenkennzeichen, ähnlich
dem in der ehemaligen DDR. Die "Datensammelwut" des Staates lasse das
Melderegister unnötig anschwellen, kritisiert Pilz. Überflüssige Daten,
die sich ständig ändern, wie die Email-Adresse, machten das
Bundesmelderegister ineffektiv und würden dazu führen, dass die
Datenbank mit einer "Vielzahl falscher Daten belastet wird".

Welche Daten im Bundesmelderegister erfasst werden, stehe noch nicht
fest, sagt hingegen Hans Bernhard Beus, Staatssekretär im
Bundesinnenministerium und Beauftragter der Bundesregierung für
Informationstechnik. Das werde "zu recht noch Gegenstand einer
öffentlichen Diskussion" sein. Gisela Pilz wirft der Bundesregierung
vor, das Parlament über die Planungen zum Bundesmeldegesetz "im
Unklaren" gelassen zu haben. Obwohl bereits im November 2007 einen
Referentenentwurf vorlag, heißt es in einer Antwort auf eine kleine
Anfrage der FDP am 3.12.07: "Konkrete Festlegungen zu Einzelfragen
eines zukünftigen Bundesmeldegesetzes gibt es derzeit noch nicht." Das
sei korrekt, versichert Bundes-CIO Hans Bernhard Beus, denn bisher handele es sich lediglich um "Überlegungen eines Referenten".

Die Notwendigkeit eines Bundesmelderegisters sei nie schlüssig
dargelegt worden, kritisiert Wolfgang Wieland, rechtspolitischer
Sprecher der Grünen-Fraktion im Bundestag. Die Abfragen bei den
kommunalen Meldestellen seien "sehr umständlich", entgegnet
Staatssekretär Beus, ein zentrales Melderegister werde Erleichterungen
bringen. Dafür reiche es, die Meldestellen besser zu vernetzen,
entgegnet wiederum Grünen-Experte Wieland. Der Aufwand sei zu hoch,
hält Bundes-CIO Beus dagegen: "Ein zentrales Melderegister ist die
bessere Lösung."

Wieland befürchtet, dass mit dem Bundesmelderegister eine Struktur
geschaffen wird, die mit immer mehr Daten gefüttert werden könnte, etwa
den biometrischen Fingerabdrücken: "Das ist eine Melodie, die wir
kennen", sagt Wieland mit Blick auf die Maut-Daten,
die Sicherheitspolitiker gern aus ihrer Zweckbindung befreien würden.
Dem Referentenentwurf zufolge, sollen in den kommunalen Meldebehörden
noch mehr Daten gespeichert werden als im Bundesmelderegister. Für die
Ausstellung von Lohnsteuerkarten sollen unter anderem erfasst werden:
Steuerklasse, Freibeträge, rechtliche Stellung der Kinder, Namen und
Anschrift der Stiefeltern. Auch Name und Anschrift der
Wohnungseigentümer müssten erfasst werden.

Der Bielefelder Staatsrechtler Christoph Gusy spricht nach Lektüre
des Gesetzentwurfs von einem "erheblichen Maß an Zentralisierung". Es
fände eine "enorme Ausweitung der Datenbestände" statt. Neu sei, dass
die Daten der Meldebehörden zur Feststellung der Identität genutzt
werden könnten, so Gusy. "Das hatten wir bisher nicht." Derzeit seien
nur wenige Daten bei den Meldebehörden hinterlegt, etwa Name,
Geburtsdatum, Geburtsort, früher Wohnsitz, Tag des Zuzugs und das
Geschlecht. Mit der nach dem Referentenentwurf geplanten umfangreichen
Datenspeicherung sei eine Identifizierung von Personen wesentlich
leichter.

Der Gesetzentwurf, so Gusy, sehe zudem eine "erhebliche Ausweitung
der Zugriffsmöglichkeit für Geheimdienste und Verfassungsschutz" vor.
BND und Militärischer Abschirmdienst dürften auf alle beim
Bundesmelderegister und den Meldebehörden gespeicherten Daten
zugreifen. Das gleiche Recht hätten auch Polizei, Staatsanwaltschaften,
Justizvollzugsbehörden, Zollfahndung und zur Strafverfolgung auch
Finanzbehörden.

Auch alle anderen "öffentlichen Stellen" könnten auf sämtliche Daten
der Meldebehörden und des Bundesmelderegisters zugreifen, wenn zwei
Bedingungen erfüllt sind: Ohne die Meldedaten könnte die Stelle ihre
rechtmäßige Aufgabe nicht wahrnehmen. Außerdem müssen die Daten bei den
Betroffenen entweder nur mit unverhältnismäßigen Aufwand gesammelt
werden können oder aber der Zweck, für den die Daten gebraucht werden,
muss der Datensammlung beim Betroffenen entgegenstehen.

Auch private Stellen bekämen besseren Zugriff auf den Datenschatz
der Meldebehörden und des Bundesmelderegisters. Die geplanten
Auskunftsregelungen, gingen "zum Teil ziemlich weit", so Staatsrechtler
Gusy. Wer "berechtige Forderungen" geltend machen könne – etwa die GEZ
oder Inkassounternehmen – könnte "mehr Daten abfragen als bisher". Die
erhebliche Ausweitung der Datenbestände bei den Meldebehörden, so Gusy,
geschähe "ohne besonderen Zweck". Während das Bauamt beispielsweise
Daten für eine Baugenehmigung speichere, solle die Meldebehörde die
Daten nur verwalten und weitergeben: "Die Daten sind weitgehend
zweckfrei gespeichert." Das widerspreche dem Datenschutz.

Das Originaldokument zum Referentenentwurf des BMI kann hier eingesehen werden.

(Philip Banse) /
(pmz/c’t)

Source: http://www.heise.de/newsticker/meldung/103157/from/atom10