BUKO 2008: Schwerpunkt zum „Sicherheitssektor EU“

[imi] Der Kongress der Bundeskoordination Internationalismus findet dieses
Jahr an Pfingsten, vom 9.-12.5.2008, an der Universität Dortmund statt.
Die IMI hat sich in die Vorbereitung eingebracht und gestaltet einen
Themenschwerpunkt "Sicherheitssektor EU".

Der Aufruf und die Unterstützer des BUKO 31 sind hier zu finden:
http://www.buko.info/kongress/buko31/buko31.html

Alle Workshops, die bislang angemeldet wurden, sind hier aufgelistet:
http://www.buko.info/kongress/buko31/deutsch/workshops.php Themenschwerpunkt: Sicherheitssektor EU?

Im April und Mai 2008 werden Bundestag und Bundesrat den
EU-Reformvertrag (Vertrag von Lissabon) verabschieden. Eine breite
gesellschaftliche Diskussion über dessen Inhalt und Bedeutung wird –
aller Voraussicht nach – nicht stattfinden. Dabei hat es der Vertrag in
sich: er schreibt eine schrittweise Aufrüstung aller Mitgliedsstaaten
vor, ermöglicht den Einsatz der Armeen im europäischen In- und Ausland
und sieht die Einrichtung eines gemeinsamen Rüstungshaushaltes vor.
Schon heute werden EU-Militärmissionen beschlossen, ohne dass dies
überhaupt in größerem Maßstab bekannt würde, jüngst in der
Zentralafrikanischen Republik Tschad und in Guinea-Bissau.

Im Kern ist die EU allerdings ein neoliberales Projekt, das sich der
gewaltsamen Öffnung externer Märkte, der militärischen Absicherung der
Rohstoffwege und der Unterstützung der eigenen Industrien
einschließlich ihrer „kritischen Infrastrukturen“ nicht zuletzt gegen
deren eigene Belegschaften verpflichtet hat.

Die EU hat Grenzen niedergerissen – für Waren und Kapital. Doch
Schengen und auch das europäische Recht können jederzeit außer Kraft
gesetzt werden, wenn sich ein Staat in seiner Sicherheit bedroht fühlt.
Auch andere Grenzen wurden aufgeweicht, nämlich diejenigen, welche die
Gewaltorgane der Mitgliedsstaaten an ein Territorium und eine
Rechtsordnung banden. Auch die nationalen Armeen und Rüstungsindustrien
haben sich aufeinander zu bewegt und damit vermutlich tatsächlich einen
innereuropäischen Staatenkrieg verunmöglicht. Der Preis hierfür
scheinen allerdings kontinuierliche militärische
„Stabilisierungsmaßnahmen“ jenseits zu sein. Die EU wird nicht in
Frieden existieren und analog zur Formel, dass Äußere und Innere
Sicherheit nicht mehr zu trennen seien, wird sie auch in ihrem Inneren
keinen Frieden mehr finden. Entsprechend ist auch keine Zeit für
demokratische Verfahren oder individuellen Rechtsschutz. Es muss
entschieden regiert werden mit effizienten Verfahren und effektiv
verwaltet werden mit „best practices“.

Grund genug, sich mit der neuen Herrschaftsstruktur vertraut zu machen
– freilich ohne mit ihr Frieden zu schließen. Wir glauben, dass ein
Leben und Widerstand im Sicherheitssektor EU möglich ist. Das
skeptische Desinteresse, das Teile der Linken der EU bislang
entgegengebracht haben, erweiterte nur den Spielraum ihrer
SicherheitsagentInnen und überließ die beschränkten Möglichkeiten der
Partizipation auf europäischer Ebene überwiegend unwidersprochen
mächtigen und finanzstarken LobbyistInnen. Eine europäische Opposition
von unten als Antwort auf eine supranationale Governance-Struktur von
oben entwickelt sich nur langsam und träge. Vielleicht auch, weil
dieser die Ideen fehlen, wie die EU zu kritisieren ist, ohne auf
nationalstaatliche Modelle der Partizipation, der Grundrechte und der
Sozialpolitik zurückzufallen. Wie kann auf die Entgrenzung von Oben mit
einer sozialen und emanzipatorischen Ent-Grenzung von Unten reagiert
werden? Diese Frage möchten wir auf diesem BUKO stellen. Und wir wollen
die EU in ihren einzelnen Politikbereichen darstellen, bloßstellen,
ein- und angreifbar machen.

Veranstaltungen mit IMI-Beteiligung auf dem BUKO:

Freitag, 09.05.2008, 17:00-18:30h
Crashkurs EU:
Wie funktioniert die EU in den verschiedenen Themenfeldern; wie kann
man die EU kritisieren? Vorstellung der Veranstaltungen mit EU-Bezug
auf dem BUKO. Mit möglichst vielen ReferentInnen der folgenden
Veranstaltungen mit EU-Bezug.
diverse

Samstag, 10.05.2008, 10:00-11:30
FRONTEX – vernetzte Sicherheit gegen Flüchtlinge
Als praktische Umsetzung der Doktrin der "vernetzten Sicherheit"
verstärkt Frontex nicht nur die Außengrenzen (der "Festung Europa"?)
sondern auch den Zugriff auf die Bevölkerung innerhalb der EU. Die
Agentur verkörpert ein neues Leitbild Innerer Sicherheit, welches ein
effizientes Regieren jenseits rechtlicher Beschränkungen und
demokratischer Partizipation der Regierten selbst ermöglichen soll.
Neben den Grundstrukturen der Frontex-Agentur sollen auch die
Konsequenzen sichtbar gemacht werden, die ihre Errichtung für
Flüchtlinge und MigrantInnen in den Transit- und auch schon in den
Herkunftsstaaten hat. Mittlerweile regt sich aber auch internationaler
Protest. Die Agentur ist angreifbar.
Conni Gunsser (Flüchtlingsrat Hamburg und euro-afrikanisches
Netzwerk) und Christoph Marischka (Informationsstelle Militarisierung)

Samstag, 10.05.2008, 12:00-13:30
Konzernmacht EUropa
Auf welche Weise trägt die EU zu wachsender Armut, zur Ausbreitung
prekärer Beschäftigung, zu Lohndumping und zum Ausverkauf öffentlichen
Eigentums bei? Inwiefern profitieren die europäischen Konzerne von der
Wirtschafts- und Finanzpolitik der EU und warum geht dies auf Kosten
der Bevölkerung? Lydia Krüger (wissenschaftlicher Beirat von Attac
& Mitarbeiterin der Europaabgeordneten Sahra Wagenknecht) wird
einige Gründe benennen und die wirtschaftliche Dynamik der Union
beschreiben. Jürgen Wagner von der Informationsstelle Militarisierung
beschreibt, wie sich Wirtschaftsinteressen in einer aggressiven
Außenpolitik der EU niederschlagen.
Lydia Krüger, Jürgen Wagner (Informationsstelle Militarisierung)

Samstag, 10.05.2008, 15:00-17:00
No Border, No Nation, No War?
Podium zur Bewertung der Europäischen Union aus internationalistischer Perspektive

Die EU hat Grenzen niedergerissen und dafür neue errichtet. Sie
beschränkt die Handlungsfreiheit der Nationalstaaten aber gibt ihnen
auch neue Machtmittel an die Hand. Sie könnte als Katalysator für eine
Internationalisierung auch von Unten dienen, erzeugt aber zugleich
nationale Ressentiments. Sie hat neue Formen der Beteiligung eröffnet,
die v.a. von professionellen Wirtschaftslobbyisten genutzt werden. Sie
hat Kriege verunmöglicht, führt aber permanent Interventionen. Wie ist
diese EU aus internationalistischer Sicht zu bewerten?
Mit: Bernd Drücke (Graswurzelrevolution), Kamil Majchrzak (Krise und Kritik), Karl Kopp (Pro Asyl), weitere angefragt.

Sonntag, 11.05.2008, 10:00-11:30
Das EUropa der Polizeien – Zur EUropäischen Sicherheitsarchitektur
"Europas Sicherheit" wird nicht nur militärisch ‚am Hindukusch‘
verteidigt. Zur "europäischen Sicherheitsarchitektur" gehören weit
reichende Veränderungen europäischer Polizeizusammenarbeit.
Als Folge von 9/11 wird behauptet, die "innere und äußere Sicherheit"
müssten zukünftig als gemeinsame Angelegenheit verhandelt werden
(Merkel, Schäuble, Ziercke). Diese Doktrin wird umgesetzt mit mehr
Armeeeinsätzen im Innern, mehr Polizei im Ausland, elektronischem
Datenaustausch aller Polizeibehörden der EU, mehr Kontrolle im
Internet, "Harmonisierung" nationaler Gesetze gemäß EU-Vorgaben,
nachhaltigem "Border Management" etc. Neue Institutionen und Technik
wollen delinquentes Verhalten mittels "Risiko-Analyse" sogar im Vorfeld
identifizieren und unterbinden.
Der deutsche EU- und G8-Vorsitz 2007 mit Innenminister Schäuble und
EU-Kommissar Frattini als Protagonisten haben bei der Planung und
Umsetzung neuer Maßnahmen zur "Intra-EU-Security" eine wichtige Rolle
gespielt.
Der Workshop gibt einen Überblick über neue Einrichtungen, Tendenzen, Methoden,
Verabredungen und Verträge europäischer Polizeizusammenarbeit.
IMI/Gipfelsoli

Sonntag, 11.05.2008, 15:00-16:30
Die EUropäische Kriegspolitik nach dem Reformvertrag
Der EU-Reformvertrag, der bis zum BUKO auch in Deutschland bereits
ratifiziert sein wird, verpflichtet die Mitgliedsstaaten zur
Aufrüstung, ermöglicht einen eigenen Militäretat der Union und fordert
ein militarisiertes Kerneuropa (Ständige Strukturierte Zusammenarbeit).
Welche Entwicklungen sind zu erwarten und welche Gegenstrategien sind
denkbar?
Tobias Pflüger (Informationsstelle Militarisierung), Jürgen Wagner
(Informationsstelle Militarisierung) und Adolf Riekenberg
(Koordinierungskreis Attac)

Sonntag, 11.05.2008, 17:00-18:30
"Gescheiterte Staaten" und der neue Kolonialismus
Die Interventionen der EU betreffen vorwiegend sog. scheiternde und
gescheiterte Staaten, nichts geringeres als der Aufbau neuer
Gesellschaften und Staatlichkeit wird als Aufgabe der Soldaten und
ihrer Verbündeten definiert. Ismail Küpeli wird kritisch das Konzept
der "Gescheiterten Staaten" und die darin implizierten Vorstellungen
von Souveränität und Legitimität darstellen. Im Anschluss soll es um
die konkreten Bedingungen einiger Einsätze und mögliche Gegenstrategien
gehen.
Ismail Küpeli, Christoph Marischka (Informationsstelle Militarisierung)

N.N.
Gegen den NATO-Gipfel 2009 in Kehl und Strassburg
Offenes Vernetzungstreffen zur Gegenmobilisierung

Informationsstelle Militarisierung

 

Source: http://imi-online.de/2008.php3?id=1743