[afp] Celle — Erstmals hat ein deutsches Gericht festgestellt, dass
bereits das Werben von Mitgliedern und Unterstützern für eine
terroristische Vereinigung im Internet strafbar ist. Das
Oberlandesgericht Celle verurteilte am Donnerstag einen 37-jährigen
Iraker zu drei Jahren Haft, weil er sich mit zahllosen Aktivitäten in
Chatrooms "als Multiplikator in den Dienst von El Kaida gestellt hat".
Der Vorsitzende Richter Wolfgang Siolek bezeichnete das Urteil "als
warnendes Signal" für mögliche Nachahmer. Während die
Bundesanwaltschaft den Richterspruch als "wegweisend" begrüßte,
kündigte die Verteidigung wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls
Revision an.
Laut Siolek ergab die Beweisaufnahme in 22 Fällen,
dass der Angeklagte Ibrahim R. vom niedersächsischen Georgsmarienhütte
aus Reden von El-Kaida-Chef Osama bin Laden mit Linkhinweisen ins Netz
stellte. Dabei habe er sich "die werbenden Reden zu eigen" gemacht und
durch eigene Anmerkungen ergänzt. Zudem habe er auch Videos über
Autobombenanschläge und Erschießungen aus dem Hinterhalt verbreitet.
Nach Einschätzung des Staatsschutzsenats hat Ibrahim R. eine
"vollendete extremistische Einstellung" und ist ein "fanatischer
Kämpfer für den Dschihad". Das Internet habe sich R. gezielt
ausgesucht, um dort "ein weltweites Klima der Angst vor
allgegenwärtigem Terror zu schaffen".
Vor diesem Hintergrund sah
das Gericht erstmals den 2002 eingeführten Terrorismusvorwurf des
Paragrafen 129a Absatz 5 erfüllt, der ausdrücklich nicht nur die eigene
Unterstützung sondern bereits die Werbung um neue Unterstützer und
Mitglieder terroristischer Organisationen unter Strafe stellt. Die
Bundesanwaltschaft begrüßte das Urteil. "Damit ist klar gestellt, dass
man sich so nicht im Internet tummeln darf", sagte Oberstaatsanwalt
Peter Ernst nach der Urteilsverkündung in Celle. Sie hatte drei Jahre
und zehn Monate Haft gefordert, die Verteidigung hatte auf Freispruch
plädiert.
Der Verteidiger Klaus Rüther hatte argumentiert,
Ibrahim R. habe lediglich auch an anderer Stelle bereits
veröffentlichte Schriften und Audiobotschaften ins Netz gestellt, damit
aber nicht um neue Unterstützer für Terrororganisationen geworben. Nach
dem Urteil sagte Rüther, der Spruch bleibe im "Rahmen des Erwarteten".
Der Staatsschutzsenat habe sich vollständig an dem Beschluss des
Bundesgerichtshofes (BGH) vom Mai 2007 orientiert, mit dem die
Fortdauer des Haftbefehls gegen Ibrahim R. angeordnet worden war.
Siolek
bezeichnete den Angeklagten, der seit Oktober 2006 in Untersuchungshaft
sitz, als "unbelehrbar". Nach der Verbüßung seiner Reststrafe müsse
damit gerechnet werden, dass er sofort "wieder für seine verbohrten
Ziel" kämpfen werde. "Es bleibt zu wünschen, dass er nach seiner Haft
sofort abgeschoben wird", sagte der Vorsitzende Richter. Ibrahim R. war
1996 nach Deutschland gekommen und lebt mit seiner Ehefrau und vier
kleinen Söhnen in Georgsmarienhütte. Vor der Festnahme des Irakers
hatten die Sicherheitsbehörden ein Jahr lang seine Aktivitäten auch im
Internet überwacht.
Source: http://afp.google.com/article/ALeqM5jFx3houDr5u6OWf23r77Jmj6bVAw