Gericht: Keine VoIP-Überwachung per Trojaner

[heise.de] Ermittler dürfen im Rahmen einer zulässigen
Telekommunikationsüberwachung nicht versuchen, am Rechner des
Betroffenen mittels Trojaner Nachrichten abzufangen. Eine solche
Quellen-Telekommunikationsüberwachung hielt das Landgericht (LG)
Hamburg in einem nun veröffentlichten, rechtskräftigen Beschluss für
unzulässig (Beschluss vom 01. 10. 2007, Az. 629 Qs 29/07).

Die Staatsanwaltschaft Hamburg führte Ermittlungen gegen den
Betroffenen wegen des Verdachts des Drogenhandels. Im Rahmen dieser
Ermittlungen gestattete das Amtsgericht (AG) Hamburg den
Strafverfolgern, die Telekommunikation des Verdächtigen nach § 100a der Strafprozessordnung (StPO)
zu überwachen. Doch wie sich dabei herausstellte, kommunizierte der
Betroffene mittels verschlüsselter Voice-over-IP-Telefonie; die
Gespräche während der Übertragung abzufangen, war damit für die
Ermittler sinnlos. Deshalb beantragte die Staatsanwaltschaft, im Rahmen
der Überwachungsanordnung "erforderliche Maßnahmen" treffen zu dürfen,
um die Telekommunikation unverschlüsselt überwachen zu können.
Insbesondere wollten die Hamburger Ermittler die Erlaubnis, den PC des
Verdächtigen mit einem fernsteuerbaren Trojaner auszustatten, damit die
Gespräche noch vor der Verschlüsselung aufgezeichnet werden konnten.

Der Ermittlungsrichter am AG Hamburg weigerte sich jedoch, einen
solchen Beschluss zu erlasen. Nachdem die Staatsanwaltschaft gegen
diese Entscheidung Beschwerde eingelegt hatte, musste das LG Hamburg
die Frage entscheiden. Doch auch die Richter am Landgericht hielten nun
das geplante Vorgehen der Staatsanwaltschaft für rechtswidrig.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte zwar schon im Februar 2007 entschieden,
dass die derzeit vorhandenen Befugnisse der Ermittler keine heimliche
Online-Durchsuchung erlauben. Auch hatte im Februar 2008 das
Bundesverfassungsgericht das politisch umstrittene Ansinnen durch die Schaffung eines neuen Grundrechts ausgebremst.
Doch während diese Entscheidungen ein allgemeines Durchsuchen der
vorhandenen Daten auf einem Rechner betrafen, ging es den Ermittlern im
vorliegenden Fall einzig darum, über den betroffenen Rechner laufende
Telekommunikation abzuhören. Eine solche Unterscheidung, wie sie auch
der Referentenentwurf für die Novelle des Gesetzes für das
Bundeskriminalamt (BKA) vorsieht, ist jedoch schon technisch umstritten.
Andererseits sind Juristen uneins darüber, ob ein solches Vorgehen
nicht schon heute im Rahmen der vorhandenen Befugnisse zulässig ist.

Dies verneinte das LG Hamburg jedoch. Auch wenn der staatliche
Trojaner sich auf das Mitschneiden von laufender Telekommunikation
beschränkte, sei ein solches Vorgehen rechtlich nicht gedeckt. Die
Richter zweifelten schon daran, ob § 100a StPO als Vorschrift zur
Telekommunikationsüberwachung überhaupt die Installation eines
Trojaners erlauben kann. Insbesondere aber sah das Landgericht in der
heimlichen Installation einen Eingriff in die Unverletzlichkeit der
Wohnung, gewährt durch Artikel 13 des Grundgesetzes (GG). Und
jedenfalls dazu ermächtige der § 100a StPO die Ermittler nicht. Ohnehin
ziele diese Vorschrift nur auf einen Eingriff in die Geheimsphäre beim
Provider ab und grundsätzlich nicht beim Kommunizierenden.

Juristisch dürfte die Diskussion damit jedoch nicht beendet sein.
Zwar ist der nun vorliegende Beschluss des LG Hamburg die erste
veröffentlichte Entscheidung zu dem Thema. Das Amtsgericht München
sowie der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof haben jedoch in
ähnlichen Fällen jüngst ein solches Vorgehen der Ermittler gestattet.
Aufgrund der laufenden Ermittlungen sind diese Beschlüsse jedoch bisher
nicht öffentlich. (Dr. Marc Störing) /
(jk/c’t)

Source: http://www.heise.de/newsticker/meldung/109704