Hightech im Kampfanzug

35.000 Soldaten bildet die Bundeswehr bis 2010 für den
Auslandseinsatz aus. Durch das Ausrüstungssystem "Infanterist der
Zukunft" kämpfen immer mehr von ihnen GPS-gesteuert, nachtkampffähig
und in ständigem Kontakt mit ihrer Truppe

Von Lühr Henken *

[junge welt] Bis zu ihrem Gipfel im April in Bukarest will die NATO auf Betreiben
der US-Regierung eine umfassende Strategie zur Aufstandsbekämpfung
erarbeiten. Die Vereinigten Staaten und die jeweilige Koalition der
Willigen, die sich nach dem Überfall auf fremde Länder mit dem
bewaffneten Widerstand herumschlagen müssen, um die Besatzung
abzusichern, wollen diese Aufgabe zu einer koordinierten NATO-Aufgabe
machen. Das deckt sich mit deutschen Absichten, denn die
Bundesregierung hat für Afghanistan seit langem eine umfassende
Strategie gefordert. Für weitergehende deutsche Ambitionen soll eine
Bundeswehrkompanie (Quick Reaction Force) in Afghanistan den Türöffner
markieren, wenngleich noch lautstark ein Ausweiten des Einsatzes der
Bundeswehr auf den afghanischen Süden abgelehnt wird. Für die
Infanteristen ist Häuser-, Straßen- und Stadtkampf seit langem in der
Ausbildung auf der Ortskampfanlage im unterfränkischen Hammelburg und
auf der Stadtkampfanlage im brandenburgischen Lehnin Alltag. Dort wird
jeweils in Kompaniestärke das Vorgehen gegen Aufständische trainiert.

Der Kommandeur der Infanterieschule, Brigadegeneral Johann
Berger, macht sich den Begriff »Three Block War« des Generals Charles
Krulak (US-Marineinfanterie) zu eigen. Der besagt, daß die moderne
Infanterie im Prinzip drei Einsätze gleichzeitig durchführe: in einem
Häuserblock im Kampfeinsatz sein, humanitäre Hilfe leisten und gegen
Aufständische kämpfen. Dies erfordere eine flexible, schnelle,
vielseitige Reaktionsfähigkeit in einem multinationalen Ansatz mit
einer »vernetzten Operationsführung«. Die Bundeswehr habe es dabei mit
»irregulären Kräften« zu tun. Damit sind Partisanen, Guerillas und
Milizen gemeint, die »asymmetrisch« kämpften. Berger: »Der abgesessene
infanteristische (Nah-)Kampf ist oft die einzige Möglichkeit, einen
asymmetrisch kämpfenden Gegner zu finden, zu stellen und zu schlagen.«
Darum geht es. Dem Ausrüstungssystem »Infanterist der Zukunft« ist in
Kampfeinsätzen der Bundeswehr künftig eine Schlüsselfunktion zugedacht.


Infanteriestruktur 2010

Seit Jahrhunderten kämpften Infanteristen als »Fußvolk« ausgerüstet mit
Handwaffe und Rucksack, bereit zum Nahkampf in der Duellsituation mit
hohen Opferzahlen unter den eigenen Leuten. Im Ersten Weltkrieg wurden
sie in Grabenkämpfen verheizt, im Zweiten Weltkrieg folgten sie bei den
deutschen Überfällen auf die Nachbarvölker den Panzern in der Regel zu
Fuß. Im Kalten Krieg waren sie ein wesentlicher Eckpfeiler der
»Heimatverteidigung«. In den Auslandseinsätzen in Somalia, Bosnien,
Kosovo, Kongo, Afghanistan etc. steht die Infanterie an vorderster
Front. Sie gilt als Truppengattung »der ersten Stunde«.

Aktuelle Aufgaben der Infanterie sind, neben dem urbanen
Kampf, feindliche Infanterie und deren gepanzerte Fahrzeuge zu
bekämpfen, schnelle Anfangsoperationen der »Eingreifkräfte« zu
ermöglichen, und – in Zusammenarbeit mit dem Kommando Spezialkräfte
(KSK) – Evakuierungen vorzunehmen und Objekte zu schützen.
»Eingreifkräfte« werden jene 35000 High-Tech-Soldaten der Bundeswehr
genannt, von denen 18000 nach Abschluß der Umstrukturierung im Jahr
2010 der Schnellen Eingreiftruppe der EU, inklusive der Battlegroups,
und 15000 der NATO Response Force (NRF) zugeordnet werden. »Nur durch
infanteristischen Einsatz können Wälder, Ortschaften, Gebirge gehalten
oder genommen, kontrolliert und überwacht werden«, schreibt
Brigadegeneral Wolf-Dieter Löser, damaliger Kommandeur der
Infanterieschule, in der Monatszeitschrift für Wehrtechnik Soldat und
Technik im Heft 1/2000 (S. 11).

Im Zuge der Umstrukturierung des bundesdeutschen Heeres sind für die Infanterie ab 2010 folgende Verbände vorgesehen:

  • vier Fallschirmjägerbataillone mit jeweils 570 Soldaten, zwei
    in Seedorf (Niedersachen), zwei in Lebach und Zweibrücken, die zusammen
    die »Saarland­brigade« bilden, die im ersten Halbjahr 2008 die NRF
    führt; aus ihr kommen Soldaten, die an der »Totenschädelaffäre« in
    Afghanistan beteiligt waren;
  • drei Gebirgsjägerbataillone mit jeweils 880 Soldaten in Bad
    Reichenhall, Bischofswiesen und Mittenwald, die jährlich zu Pfingsten
    die Tradition der hitlerfaschistischen Gebirgsjäger pflegen, deren
    sämtliche 58 Massaker im europäischen Ausland nach wie vor ungesühnt
    sind;
  • ein Jägerbataillon mit 670 Soldaten in Donaueschingen (Baden-Württemberg) als Teil der deutsch-französischen Brigade;
  • ein luftbewegliches Infanterieregiment mit Teilen in
    Schwarzenborn (Hessen) und drei Kompanien in Hammelburg (Bayern) mit
    insgesamt 1600 Soldaten als Element der »Luftbeweglichen Brigade 1«;
  • sieben Panzergrenadierbataillone, die nur im abgesessenen
    Zustand (außerhalb gepanzerter Fahrzeuge im Freien) der Infanterie
    zugerechnet werden, jeweils mit zwischen 480 und 625 Soldaten;
  • dazu kommen noch Marineschutzkräfte und spezialisierte
    Einsatzkräfte der Marine in Eckernförde und ein infanteristischer
    Objektschutz der Luftwaffe.

Die drei Gebirgsjägerbataillone werden auf Einsätze in
schwierigstem und gebirgigem Gelände, aber auch in Wüsten und
Dschungelgebieten unter härtesten Wetter- und Klimabedingungen
ausgebildet. Das Jägerbataillon soll luftgestützt den Stadt- und
Waldkampf führen. Das Jägerregiment ist als Teil der Division
Luftbewegliche Operationen (DLO) ein Kampfunterstützungsverband mit
ABC-Kampfabwehrmitteln, Flugabwehr und Pionierfähigkeiten, der
luftgestützt eingesetzt wird, also im Verbund mit Transport- und
Kampfhubschraubern operiert. Dieses Jägerregiment ist organischer
Bestandteil der neuen »Luftbeweglichen Brigade 1«, deren zentrale
Ausrüstung 64 Kampfhubschrauber »Tiger« und 32 Transporthubschrauber
NH-90 sein werden. Der »Tiger« ist »das modernste Waffensystem seiner
Art«. Er ist mit seiner Agilität und der Ausstattung in den Bereichen
Sensorik, Schutz und Bewaffnung das herausragende Mittel für alle
Einsätze, insbesondere im »Three-Block-Operation-Szenario«
(Brigadegeneral Reinhard Wolski, Strategie und Technik, August 2006, S.
14). Ab 2009 soll die erste Staffel (je 18 »Tiger« und NH-90), ab 2012
die komplette Brigade einsatzfähig sein. Diese Kampftruppe kann aus dem
Stand in Aktion treten und steht nach Bundeswehrselbstzeugnis »damit
qualitativ auch international an der Spitze« (Oberstleutnant Hans-Jörg
Voll, Strategie und Technik, März 2005, S. 22). Insgesamt sollen 80
»Tiger« angeschafft werden, die inklusive Bewaffnung 5,3 Milliarden
Euro verschlingen.

Eine Infanteriegruppe besteht aus zehn Soldaten, denen
verschiedene Gruppenfahrzeuge zur Verfügung stehen. Das Luftbewegliche
Infanterieregiment ist mit 77 »Wiesel« und 188 »Mungos« ausgerüstet.
Hier und im Jägerbataillon sowie einem der drei Gebirgsjägerbataillone
wird der »GTK Boxer« zum »Mutterschiff« der Infanteriegruppe. Vom 32
Tonnen schweren achträdrigen und mehr als 100 Stundenkilometer
schnellen »Gepanzerten Transportkraftfahrzeug Boxer« sollen ab 2009 600
Stück beschafft werden. Die sieben Panzergrenadierbataillone erhalten
jeweils 44 Schützenpanzer »Puma«, zusammen also 308. Insgesamt sollen
ab 2009 410 »Puma« zum Preis von 3,9 Milliarden Euro beschafft werden.
Sechs Grenadiere haben in einem »Puma« Platz. Der je nach Panzerung
zwischen 31,5 und 41 Tonnen schwere »Puma« zeichnet sich durch hohe
Beweglichkeit, Feuerkraft und starke Panzerung aus und ist im urbanen
Kampf das ideale Kampffahrzeug. Besonders perfide: Die »Air Burst
Munition« der Maschinenkanone, eine rechnergestützte »intelligente
Munition«, die die Granate je nach Wunsch kurz vor dem Aufprall in 135
Subprojektile zerlegen kann, was speziell gegen Menschen gerichtet ist.
Dies »verschafft dem neuen Schützenpanzer eine hohe
Durchsetzungsfähigkeit auch in bebautem Gelände«, stellen
Oberstleutnant Gerd Engel und Oberstleutnant im Generalstab Jürgen
Obstmayer in Strategie und Technik, Januar 2006, fest.

Für die schnelle »Strategische Verlegefähigkeit« werden 60
Airbusse A 400 M (Kosten 9,2 Milliarden Euro) eigens so konstruiert,
daß einer entweder zwei »Tiger«-Kampfhubschrauber oder einen
Transporthubschrauber NH-90 oder einen »Puma« oder einen Boxer oder 116
Soldaten mit Ausrüstung weltweit transportieren kann.
Fallschirmspringer und Lasten können während des Fluges abgesetzt
werden.

Insgesamt umfassen die infanteristischen Kräfte der Bundeswehr
etwa 11000 hochausgerüstete und schnell weltweit verlegbare
Kampfsoldaten, die nahezu alle mit dem im folgenden vorgestellten
System »Infanterist der Zukunft« (IdZ) qualitativ aufgerüstet werden
sollen.


Einsatz in Afghanistan

Ende der achtziger Jahre startete die NATO ein
»Soldatenmodernisierungsprogramm«, das vor allem zum Ziel hat, die hohe
Gewichtsbelastung eines Infanteristen zu reduzieren und seine
Leistungsfähigkeit (Durchsetzungs-, Überlebens-, Führungs-,
Durchhaltefähigkeit und Beweglichkeit) zu steigern. Von 1997 bis 1999
wurde ein Experimentalprogramm durchgeführt, in dem vor allem
Anforderungen an das Orientieren, Navigieren, Zielaufklären und Bewegen
bei Tag und Nacht, Tarnung gegen Wärmebildaufklärung, Kommunikation in
der Infanteriegruppe, Helmdisplay, Sprachbedienung der Software
»Digitale Karte« und der ABC-, Laser- und Splitterschutz ermittelt
wurden.

Die Entwicklungen führten zu einem Basissystem, zu dem im
wesentlichen folgende Ausrüstung zählt. In den Taschen eines modularen
Tragesystems eines Infanteristen lassen sich viele Dinge unterbringen:
ein UHF-Gruppenfunkgerät (Reichweite 700 Meter in bebautem und mehr als
1300 Meter in freiem Gelände), ein Navi-Pad, dessen Software mittels
GPS eine sichere ­Orientierung ermöglicht. Das Display zeigt Karten des
Einsatzlandes. Texte und Grafiken können erstellt, bearbeitet und
drahtlos über das Funkgerät versandt werden. In das Navi-Pad können
Wegepunkte einer Streife eingegeben werden. Wenn die Gruppe vom Weg
abweicht, ertönt ein Warnsignal. Das Navi-Pad ist mit einem Meßfernglas
über eine Bluetooth-Schnittstelle verkoppelt, so daß Zielmeldungen des
Laserentfernungsmessers in die Karte eingeblendet und verarbeitet
werden können. Der Infanterist verfügt über einen Restlichtverstärker
in Brille und Fernrohr. Das Zielgerät auf der Waffe läßt mit Hilfe von
Wärmebildgeräten die Identifizierung von Fahrzeugen auf 1500 Meter und
Personen auf 500 Meter Entfernung zu. Die Infanteriegruppe ist zu 100
Prozent nachtkampffähig. Sie ist je nach Anforderung mit vier
verschiedenen Waffen ausgestattet: Maschinenpistole MP 7 (Reichweite
200 Meter), Sturmgewehr G 36 (Reichweite 300 Meter), Maschinengewehre
MG 3 und 4 (Reichweite 600 Meter) und Gewehr G 82 mit einer Reichweite
von 1200 Meter.

Einsatzerfahrungen ergaben, daß die Infanteriegruppe zukünftig
in zwei identische in sich differenziert ausgerüstete Vierertrupps
unterteilt werden soll. Zurück bleiben Fahrer und Waffenbediener im GTK
Boxer, dem Basisfahrzeug der Infanteriegruppe. Der »Boxer« ist
Truppentransporter, Waffen- und Materialträger sowie Aufladestation für
die Akkus der Infanteriegruppe. Seit Ende 2004 wurden insgesamt 217
Basissysteme IdZ (d.h. für 2170 Soldaten zum Stückpreis von zirka 35000
Euro pro Soldat) an die Bundeswehr ausgeliefert. Zum Einsatz kommen die
Systeme bei den Bundeswehrsoldaten in Afghanistan, bei der deutschen
Truppe in der NATO Response Force und in den
Fallschirmjägerbataillonen, und sie waren bereits im Kongo-Einsatz
2006. Die Systemführerschaft für das Basissystem liegt beim
Rüstungskonzern EADS.


Vernetzte Operationsführung

Im Zeitraum 2009 bis 2014, so die Planung, sollen 807 »Erweiterte
Systeme« (IdZ-ES) beschafft werden, für 8070 Soldaten, die der
Infanterie, den Panzergrenadieren, und der Luftwaffen- bzw. der
Marinesicherung angehören.

Insbesondere, um die Infanteriegruppe in das System der
»Vernetzten Operationsführung« einzubinden und auch eine weitere
Leistungssteigerung zu erzielen, ist Rheinmetall Defence Electronics in
Bremen als gesamtverantwortliche Firma seit August 2006 gemeinsam mit
Unterauftragnehmern damit befaßt, ein technisches Gesamtkonzept des
»Erweiterten Systems IdZ-ES« zu entwickeln. Im IdZ-ES soll der Soldat
auf seinem Helmdisplay Informationen hinsichtlich der Lage und Position
seiner Gruppe und der Nachbargruppe sowie seinen Auftrag und
Warnmeldungen hochauflösend dargestellt bekommen. Auf dem Helmdisplay
sollen auch Videoaufnahmen oder Aufnahmen von
Wärmebildbeobachtungsgeräten möglichst echtzeitnah eingespielt werden
können. Umgekehrt soll der Infanterist selbst neben Daten und Sprache
auch Bilder und kurze Videosequenzen digital an seine Gruppe versenden
können. Der Gruppenführer und sein Stellvertreter sind mit der
übergeordneten Führungsebene abhörsicher verbunden und können auf
Grundlage des Kartenbildes über die Lage, die Planung und den Status
mit der Gruppe und der Führung kommunizieren. Von zentraler Bedeutung
ist es, die Infanteriegruppen über die Digitalisierung von Sprache,
Daten und Video an das Führungsinformationssystem Heer anzubinden. So
ist über die GPS-Integration die Darstellung eines digitalen Lagebildes
in Echtzeit auf jeder Führungsebene möglich. Eben dies wird mit der
»Vernetzten Operationsführung« nicht nur auf nationaler Ebene, sondern
im multinationalen NATO- und EU-Rahmen angestrebt.

Die »Vernetzte Operationsführung« wird in der Bundeswehr als
»Kernelement ihrer Transformation« (Weißbuch der Bundeswehr, S. 92)
begriffen, der die »Eingreifkräfte« der Bundeswehr unterliegen.
»Vernetzte Operationsführung« bedeutet, man schafft »einen alle
Führungsebenen übergreifenden und interoperablen Informations- und
Kommunikationsverbund. Dieser verbindet alle relevanten Personen,
Truppenteile, Einrichtungen, Aufklärungs- und Waffensysteme.« Von
zentraler Bedeutung ist dabei, daß jeder auf seinem Display dasselbe
Lagebild hat. Der militärische Vorteil: »Nicht mehr die klassische
Duellsituation auf dem Gefechtsfeld steht künftig im Vordergrund,
sondern das Ziel, auf der Basis eines gemeinsamen Lageverständnisses
Informations- und Führungsüberlegenheit zu erlangen und diese in
Wirkung umzusetzen. Ziel ist dabei neben dem Erfolg auf dem
Gefechtsfeld auch die Einwirkung auf die Willensbildung des Gegners.
Damit wird militärisches Handeln im gesamten Aufgabenspektrum
schneller, effizienter und effektiver« (ebd.).

Zweck der Sache: Die Beschleunigung der Entscheidungsfindung,
was den ausschlaggebenden Vorteil im Krieg bringen soll. Wie wird das
technisch umgesetzt? Bis 2010 soll für weltweite Einsätze der NATO
Response Force eine Firmengruppe ein C4ISR-System (Command, Control,
Communications, Computers, Intelligence, Surveillance und
Reconnaissance – Kommando, Kontrolle, Kommunikation, Computer,
Geheimdienst, Überwachung und Aufklärung) zur Verfügung stellen, das
sich Alliance Ground Surveillance (AGS) nennt. Die EU kann auf diese
NATO-Ressource zugreifen. Dessen zentrale Elemente sind die
»Unbemannten Flugkörper« (UAV), die Großdrohnen »Global Hawk«. Das mit
einem Radarsystem ausgestattete »Global Hawk« kann binnen 24 Stunden
ein Gebiet von der Größe Nordkoreas ausspionieren – und dies 5500
Kilometer von seinem Startplatz entfernt. Die Bundeswehr will ab 2013
sechs »Global Hawk« kaufen, um diese mit der NATO-AGS zu verknüpfen.
Unbemannte Flugkörper werden in der Bundeswehr als
»Kristallisationspunkt für die Transformation in Bundeswehr und
Luftwaffe« gesehen, so Oberstleutnant im Generalstabsdienst Michael
Trautermann in Strategie und Technik (November 2005, S. 41). Als
Weiterentwicklung des »Global Hawk« will man den »Euro Hawk«. Der
Bundestag gab am 1. Februar 2007 die Entwicklung eines Prototyps des
»Euro Hawk« (für 431 Millionen Euro) in Auftrag. Ab 2010 sollen vier
weitere dieser Geräte beschafft werden. Für die Nahaufklärung sind
bereits heute die Drohnen »Aladin« und »Luna« im Einsatz. Insbesondere
vom Verbund mit dem System »Kleinfluggerät Zielortung« (KZO) von
Rheinmetall Defence Electronics erwartet man sich Wunder bezüglich der
Anbindung des IdZ-ES an die »Vernetzte Operationsführung«. Das KZO, als
fliegendes (Infrarotlicht-)Auge über dem Gefechtsfeld für die präzise
Zielbestimmung und Wirkaufklärung von Artilleriebeschuß konstruiert,
kann Videolivebilder von überflogenem Gebiet aus mehr als 50 Kilometer
Entfernung übertragen. Bilder können sowohl der IdZ-ES-Truppe als auch
jeder Führungszentrale live zugänglich gemacht werden, und das KZO wäre
durch die Infanteriegruppe selbst steuerbar. So die als machbar
bezeichnete Zukunftsvision von Rheinmetall. Das Heer verfügt bereits
heute über sechs KZO-Systeme. Da jedes System zehn wiederverwendbare
Drohnen beinhaltet, handelt es sich um insgesamt 60 Drohnen.
Offensichtlich hat man Großes vor.

Die durch Aufklärung gewonnenen Daten sollen über einen
Verbund von Führungsinforma­tionssystemen der Streitkräfte insgesamt
mit dem des Heeres und insbesondere mit dem Führungs- und
Waffeneinsatzsystem für landbasierte Operationen in Waffenwirkung
umgesetzt werden (Kosten zusammen 1,65 Milliarden Euro). Zum Aufbau der
weltweiten Führungsfähigkeit der Bundeswehr zählt darüber hinaus
mindestens ein Dutzend weiterer Systeme, die zusätzlich 2,4 Milliarden
Euro verschlingen. Die weltweite Führung soll über die zweite Stufe des
Satellitenkommunikationssystem SATCOM Bw, die sich seit 2006 für 700
Millionen Euro im Aufbau befindet, abgesichert werden. SATCOM Bw ist
für die »Vernetzte Operationsführung« unerläßlich.


Dauernder Einsatz

Die umfassende Umgestaltung der Bundeswehr ist auf den aktiven
Kriegseinsatz in allen Regionen der Erde ausgerichtet. Wenn es nach dem
militärisch-industriellen Komplex dieses Landes geht, sollen
Kampfeinsätze zum Alltag gehören. Dabei werden diese äußerst
ambitionierten Rüstungsvorhaben gegenüber der Bevölkerung vor allem mit
der Notwendigkeit der Bekämpfung des »Terrorismus« begründet. In
Wahrheit geht es der Regierung darum, einmal begonnene Landbesetzungen
gegen bewaffneten Widerstand dauerhaft abzusichern. Dabei kommt den
Infanteristen eine zentrale Bedeutung zu. Jedoch sind »Infanteristen
der Zukunft« darüber hinaus als Soldaten der »ersten Stunde« auch für
andere Aufgaben verwendbar. Denn das Weißbuch gibt vor, daß die
»Sicherheit der Energieinfrastruktur gewährleistet werden« müsse; die
CDU hat auf ihrem Parteitag 2006 in Dresden beschlossen, daß die
Bundeswehr »zur Sicherung der Handelswege und Rohstoffzugänge
beitragen« könne. Auch dazu wird der IdZ ausgebildet und ausgerüstet.
Und noch eine weitere beklemmende Vision: Würde der vor allem von der
CDU/CSU gewünschte Einsatz der Bundeswehr im Innern den Häuserkampf
etwa ausschließen wollen?

Literatur

  • Weißbuch der Bundeswehr, weissbuch.de
  • Infanterist der Zukunft, Wehrtechnischer Report 1/2007, Report-Verlag, 78 S.

* Lühr Henken ist im Vorstand des Hamburger Forums für
Völkerverständigung und weltweite Abrüstung e.V. und einer der Sprecher
des Bundesausschusses Friedenratschlag, Beirat der Informationsstelle
Militarisierung (IMI) e.V.


Source: junge Welt, 8. Februar 2008