[heise.de] Mit 293 zu 129 Stimmen sprach sich am gestrigen Freitag das House of
Representatives für die monatelang umkämpfte Änderung des
amerikanischen Auslandsaufklärungsgesetzes aus. Die absehbare neue
Rechtslage wird nebenbei Persilscheine für Telefongesellschaften
ersetzen, die nach den Angriffen vom September 2001 zahlreiche
Telefonate auf bloße Regierungsaufforderung hin abgehört haben und sich
deswegen einer Lawine von mehr als 40 Gerichtsverfahren ausgesetzt
sehen. Sollte der Gesetzentwurf auch die in der kommenden Woche
anstehende Abstimmung des Senats überstehen, ist mit einer sofortige
Einstellung dieser Prozesse zu rechnen.
Der aktuelle Gesetzentwurf erweitert Behördenbefugnisse,
ausländische Zielpersonen zu überwachen und erlaubt für eine Frist von
sieben Tagen ohne Gerichtsbeschluss sogenannte Notfall-Abhörungen auch
von US-Bürgern, sofern wichtige Erkenntnisse im Interesse der
nationalen Sicherheit entgehen könnten. Nach Auffassung der New York
Times bringt die 114-seitige Vorlage die bedeutendste Revision des
amerikanischen Sicherheitsrechts seit 30 Jahren. Die aktuelle Fassung
des betroffenen Gesetzes wurde 1978 in Reaktion auf missbräuchliche
Abhörmaßnahmen im Zuge des Watergate-Skandals erlassen.
US-Präsident George W. Bush äußerte sich in einem Video-Kommentar
sehr erfreut und interpretierte, damit ließen sich die Freiheiten von
"uns Amerikanern zu Hause schützen". Der Rückenwind aus Richtung des
Weißen Hauses scheint auch nach der Amtszeit von Bush gesichert: Selbst
der demokratische Präsidentschaftsbewerber Barrack Obama, der aus
Reihen der Bürgerschaftsrechtler viel Wahlkampfunterstützung erhalten
hat, erklärte sich für den vermeintlichen Kompromiss der politischen
Fraktionen. Er versprach aber zugleich, als Präsident werde er die
daraus ableitbaren Geschehnisse genau beobachten. Nach der vorliegenden
Formulierung soll das Gesetz bis Ende 2012 gelten und muss für eine
Wirkung über dieses Datum hinaus vom Congress erneuert werden.
Die demokratische Congress-Sprecherin Nancy Pelosi geht noch weiter.
Sie begründete ihre Zustimmung damit, so könne sie Bushs Argumentation
entkräften, er habe als Kriegspräsident automatisch gewisse Rechte
zu Überwachungsmaßnahmen. Mit der nachträglichen Legalisierung dieser
Maßnahmen will Pelosi darlegen, schließlich sei dies eine Demokratie
und keine Monarchie.
Während die Vertreter der Demokratischen Partei uneins über die
Gesetzesvorlage waren — nach Ansicht ihrer Rechtsexperten sanktioniert
sie Bespitzelungen, die von vornherein illegal waren –, stimmte
lediglich ein einziger US-Republikaner gegen den Entwurf. Trotzdem sind
auch Klagen konservativer Anwälte gegen das Gesetz zu erwarten, weil es
die Regierungsbefugnisse nach deren Auffassung zu vielen Kontrollen
unterwirft. Nichtsdestoweniger wird der republikanische Senator Bond
aus Missouri mit dem Statement zitiert, "Das Weiße Haus hat viel mehr
bekommen als es sich erhofft hat." Mit anderen Worten formuliert dies
Kevin Bankston, erfahrener Anwalt der Electronic Frontier Foundation:
"Das ist kein Kompromiss, das ist reines Theater".
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